Mein Wunsch für eine gute reformierte Predigt

Notat to go

Eine großartige Aufgabe habe ich gerade vor mir: in einem Fünf-Minuten-Referat zu sagen, welche Kriterien eine Predigt zu einer reformierten machen, und was ich mir persönlich für eine gute reformierte Kanzelrede wünsche.

Für den ersten Teil weiß ich schon den Anfang meines Statements: Was eine Predigt gut-reformiert genug macht für die Publikation auf reformiert-info, das entscheidet erst an zweiter Stelle die Redakteurin. Die erste Entscheidung liegt bei den AutorInnen selbst bzw. meistens bei Hörenden, die die predigende Person ermutigen, die Predigt online bei uns zu veröffentlichen. Diese Reihenfolge gefällt mir, so hab' ich mir zur Vorbereitung meines Referats überlegt: Einen Wunsch meinerseits für eine reformierte Predigt nenne ich an dieser Stelle öffentlich, und wenn's gut läuft, dann nutzen Lesende die Kommentarfunktion auf Facebook, den Mitteilungsbutton unter dieser Kolumne oder die Mail-Adresse, um weitere Wünsche hinzuzufügen. Die kann ich dann meinerseits in das Statement einflechten.
Hier mein Wunsch: Eine Predigtsprache und Theologie, die nicht im Modus der Gewissheit daherkommt, sondern im Modus des Zögerns, des Zweifelns, des Fragens. Originell ist das nicht. Auch ich mag das vollmundige Reden nicht. Im Predigerseminar lernten wir: Ihr könnt getrost Gottes Zuspruch weitersagen, auch wenn euch selbst gerade nicht danach ist. Das Evangelium ist doch wahr. Das war ein guter Rat für die junge Vikarin, aber fast zwanzig Jahre später, nunmehr als Hörende, nicht als Sprechende, vermisse ich die »Schwachheit« in Predigten. Warum nicht offen zugeben: In meiner Freundin nagt der Krebs und wird sie töten. Aus mir spricht grad' nicht die Zuversicht: Tod, wo ist dein Stachel?
Bereits im Vikariat hatte ich vergessen, was mir als Studentin so wichtig war, die beunruhige Frage, die Friedrich-Wilhelm Marquardt in seiner Dogmatik nach Auschwitz stellt: Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürften? Und Marquardt wollte eigentlich noch gebrochener sagen: Was dürften wir hoffen, wenn wie hoffen dürften? Nach dem Motto »Die Hoffnung stirbt zuletzt« zu sprechen, ist leichter, zumindest geht es mir heute beim Schreiben so.
Die »Predigt als offenes Kunstwerk« möchte »nicht mehr länger Antworten vorgeben, sondern Sinnfindungs- und Gestaltungsräume öffnen«, schreibt Albrecht Grözinger. Selbst das Stichwort »Sinn« geht mir noch zu weit. Mir genügt der Verweis auf das, was die ersten ZeugInnen von Jesus Christus sagten. Lässt mich die Predigt dann noch etwas entdecken, was ich vorher nicht sah. Wunderbar!
Doch was soll an diesem Wunsch zur Predigt reformiert sein? Aus mir selbst wusste ich's nicht, mein Freund Karl Barth hat's mir gesagt:
»Ich habe ja als Reformierter – und nach meiner Meinung natürlich nicht nur als das – die Pflicht, gegenüber dem lutherischen est* wie gegenüber der lutherischen Heilsgewissheit eine gewisse letzte Distanz zu wahren.«

Ich bin gespannt auf eure, auf Ihre Wünsche für eine gute Predigt.

redaktion@reformiert-info.de

*Etwa: »Dies ist der Leib Christi« beim Abendmahl.

Literatur:
Karl Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie (1922).
Albrecht Grözinger, Politische Predigt, in: Politischer Gottesdienst?!, hrsg. von Katrin Kusmierz und David Plüss, Praktische Theologie im reformierten Kontext 8, TVZ, Zürich 2013, 37–58.

 

Barbara Schenck, 5. Februar 2014