Patriotismus in vielen Schattierungen

Berichte aus am Weltkrieg beteiligten Ländern


(Foto: G. Rieger)

Am zweiten Tag der Konferenz über den Ersten Weltkrieg und die reformierte Welt berichteten Forscher über die Haltungen ihrer Kirchen und einzelner Prediger zum Krieg – eine Zusammenfassung von Georg Rieger

Offensichtlich waren die Umstände und kirchlichen Haltungen zum Ersten Weltkrieg in den meisten Ländern bisher wenig erforscht – so jedenfalls die einleitenden Worte einiger Referenten. Die meisten Berichte bezogen sich auf Predigten oder andere persönliche Dokumente ausgewählter Pfarrer und Theologen. Denn nur aus solchen Quellen lässt sich wohl ein wenigstens annähernd differenziertes Bild erkennen. Die offiziellen Verlautbarungen der Kirchen waren allerorten gleichgeschaltet und somit wenig aussagekräftig.

Doch auch die ausgewerteten Texte und Predigten sind fast durchgehend ernüchternd. Es lassen sich allenfalls in Nuancen Unterschiede in der Beurteilung des Krieges und in der Verunglimpfung der jeweiligen Kriegsgegner ausmachen.

Durchaus unterschiedlich waren freilich die Geschehnisse und Konstellationen in den Ländern: Dass zum Beispiel Belgien eines der vom Weltkrieg am meisten betroffenen Nationen war, ist in Deutschland kaum mehr bekannt. Das neutrale kleine Land sollte zur Vorbereitung auf die Besetzung Frankreichs einfach überrannt werden. Doch die Belgier wehrten sich. La Grande Guerre (der große Krieg) wurde deshalb eine grausame Angelegenheit mit tausenden zivilen Opfern und einigen Massakern durch deutsche Truppen.

Die Minderheit der Protestanten in den frankophonen und überwiegend katholischen Ländern war in einer gewissen Zwickmühle, weil sie als Abkömmlinge der deutschen Reformation galten. Das verleitete sie in manchen Fällen dazu, in Sachen Patriotismus schon gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen.

So gab es auch in den Vereinigten Staaten unter reformierten Predigern je nach Herkunft durchaus Unterschiede in der Beurteilung der Kriegsbeteiligten, nicht aber in der patriotischen Haltung zu Amerika. Immerhin: Einem Prediger der Dutch Reformed Church ging der Fahnenkult vor und in den Kirchen irgendwann zu weit. Er ließ sie in seiner Kirche entfernen und handelte sich damit erheblichen Ärger ein.

Auch die politisch neutrale Schweiz war in ihrem Innersten gespalten in den eher deutschfreundlichen deutschsprachigen Teil und den „Welschen“ der französischen Schweizer.

Für die Ungarn wiederum – wie übrigens für einen osteuropäischen Gürtel von Helsinki bis Beograd – war der Weltkrieg selbst weit weniger prägend als die Folgen, nämlich der Friedensvertrag von Trianon. Dieser besiegelte das Ende des Großungarischen Reichs und vereinte die vorher unter anderem konfessionell gespaltene Gesellschaft Ungarns unter diesem „Trauma“. Die momentane ungarische Regierung mache dieses gerade auf sehr emotionalisierende Weise wieder zum Thema, so Professor Laszlo Levente Balogh aus Debrecen.

Zusammenfassend kann man wohl sagen: Einzelne Versuche des Aufbegehrens gegen die Kriegsbegeisterung hat es zwar gegeben, diese sind aber in allen kriegsbeteiligten Ländern Einzelfälle geblieben. Ab 1917 und mit den absehbar hohen Verlusten kamen zur Begeisterung auch Klagen und teilweise eine Interpretation des Krieges als Strafe Gottes, doch eine Abkehr von nationalem Egoismus und dessen religiöser Verbrämung oder gar eine Ethik des Friedens ließ noch auf sich warten.

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