Trauerspiel im Mutterland der Reformation

Mittwochs-Kolumne von Achim Detmers

Die Vorbereitungen zum Reformationsjubiläum 2017 befinden sich in einer entscheidenden Phase. Nachdem viel Geld von Bund und Ländern für die Herrichtung der Gedenkstätten investiert wurde, soll es in den nächsten dreieinhalb Jahren verstärkt um die inhaltliche Ausrichtung gehen. Und hier haben die Reformationshistoriker Thomas Kaufmann und Heinz Schilling in den letzten Wochen größte Bedenken angemeldet. In der WELT (24.5.14) und in der Süddeutschen Zeitung (1.7.14) haben sie zu einem erstaunlichen Rundumschlag gegen den EKD-Grundlagentext »Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation 2017« ausgeholt.

Die beiden Zeitungsmeldungen sind zwar nur eine Randnotiz in der ›Lutherdekade‹, aber sie geben einen tiefen Einblick in die Unzufriedenheit mit den EKD-Jubiläumsvorbereitungen:

Kaufmann und Schilling bezweifeln nämlich, dass die »Gegenwartsrelevanz« der Reformation hinreichend deutlich werde. Sie fordern mehr geschichtliche »Tiefenbohrungen«, um Kontext, Voraussetzungen und Folgen sowie die problematische Rezeptionsgeschichte aufzuarbeiten. Ziel einer solchen kritischen Geschichtsbetrachtung sei es, »sich von der lebensfeindlichen Macht der Geschichte zu befreien« (Kaufmann). Das EKD-Grundlagenpapier dagegen habe eine antiliberale Stoßrichtung und gehe von einem »heilsgeschichtlichen« Konzept aus, das die positiven Errungenschaften der Moderne auf die Reformation zurückführe und nahtlos für die Gegenwartsorientierung reklamiere. Das biedermeierlich-restaurative Konzept verenge das Verständnis der Reformation auf Luthers Rechtfertigungslehre und provoziere damit geradezu eine unheilige Fixierung auf Luther. Wer sich aber der »bitteren Pflicht der Historisierung« entziehe, solle sich nicht wundern, wenn man den »Pfeiffers dieser Welt« (gemeint ist der Kriminologe Christian Pfeiffer, der in Cicero 4/2014 gegen den »Judenfeind Luther« Anklage erhob) ins Messer laufe.

Kaufmann und Schilling appellieren deshalb an » ›die Politik‹ und die Sachkenner außerhalb der Kirche«, die Reformation nicht »allein den Theologen und oder gar der Kirchenhierarchie« zu überlassen. Die EKD jedenfalls, so Kaufmann, habe sich leider aus dem Kreis derer, die etwas zum Jubiläum beizutragen hätten, herauskatapultiert!

Ob der Appell der beiden Kirchenhistoriker noch etwas am »Trauerspiel« im »Mutterland der Reformation« (Kaufmann) ändert, darf getrost bezweifelt werden. Auch wäre es verwunderlich, wenn Historiker bei einem Reformationsjubiläum darüber befinden könnten, wer sinnvolle Beiträge liefert und wer nicht. Denn so ein Jubiläum hat seine eigenen Netzwerke, Spielregeln und Interessen. Dem Historiker bleibt letztlich nur die undankbare Aufgabe, die beim Jubiläum produzierten und wiederholten Legenden und Antilegenden in den folgenden Jahrzehnten behutsam zu dekonstruieren.

 

Links:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article128354577/Die-EKD-hat-ein-ideologisches-Luther-Bild.html

http://www.ekd.de/EKD-Texte/2014_rechtfertigung_und_freiheit.html

http://www.cicero.de/salon/lutherische-judenfeindlichkeit-die-mitschuld-der-kirche/57288