Waffen liefern oder nicht?

Einspruch! – Mittwochs-Kolumne von Georg Rieger


Wieder einmal sind alle guten Vorsätze über Bord. Führende Kirchenvertreter befürworten Waffenlieferungen in den Nordirak. Sind sie von allen guten Geistern verlassen oder gibt es mal wieder ein Prinzipien-Dilemma?

Meine sehr geschätzte Kollegin Barbara Schenck hat mir die Urlaubsvertretung von reformiert-info mit dem Hinweis übergeben, dass im gerade herrschenden Sommerloch sogar der Ruf nach Waffenlieferungen in den Irak wenig hinterfragt würde. Ich sagte ihr scherzhaft zu, alles in meinen Möglichkeiten stehende zu tun, um den Rüstungsexport während ihrer Abwesenheit zu verhindern.

Zum Scherzen ist das Thema natürlich eigentlich gar nicht geeignet. Das ist mir jedenfalls bei genauerem Hinsehen schnell klar geworden. Wieder einmal sind meine sicher geglaubten Einstellungen in Frage gestellt, verfolge ich Diskussionen gespannt und suche nach meinungsbildenden Beiträgen.

Die werden seitens der Kirchen tatsächlich gerade sehr leise vorgetragen und verlieren sich in komplizierten Abwägungen: Eigentlich müsste man ja, aber da fehle ja immer noch das UN-Mandat für den Irak. Waffenlieferungen in Krisengebiete würden ja prinzipiell eigentlich nicht gehen, aber das sei ja doch eine Ausnahme. Derzeit sehe es so aus, als könne nur Gegengewalt diese Mörderbanden stoppen. Selbst solche Kirchenvertreter/innen, die sonst klare Ansagen machen, winden sich in ausweichenden oder ganz offen ratlosen Beiträgen.

Einmal mehr wird klar, dass wenn die Gewalt erst einmal ausgebrochen oder gar wie in diesem Fall geradezu entfesselt ist, alle guten Vorsätze über Bord gehen. Wir müssen als Kirche wieder einmal eingestehen, dass wir nicht für alle Fälle die richtigen Antworten parat haben. Unsere prinzipiell gewaltlose Haltung ist für die bedrohten Menschen im Nordirak der blanke Hohn: „Wollt ihr uns etwa den mordenden Milizen einfach überlassen?“

„In Situationen, in denen die Verantwortung für eigenes oder fremdes Leben zu einem Handeln nötigt, durch das zugleich Leben bedroht oder vernichtet wird, kann keine noch so sorgfältige Güterabwägung von dem Risiko des Schuldigwerdens befreien.“ – Das heißt auf EKDisch, dass es in manchen Fällen vor allem nötig ist, in die Pötte zu kommen und etwas zu tun.

Ob es nun deutsche Waffen sein sollen oder die deutliche Aufforderung an die USA, ihre einmal übernommene Verantwortung für den Irak ernst zu nehmen, das ist keine eigentlich theologische Frage. Es geht jetzt auch nicht um gerechten oder nicht gerechtfertigten Krieg, sondern um die Not von Menschen. Und das geht uns auch wirklich nicht nur deshalb etwas an, weil es sich hier unter anderem um Christen handelt, deren Leben bedroht ist. Dies ist ein wahrscheinlich aus Verlegenheit ins Spiel gebrachtes Argument, dessen ethische Dimension ich aber eher kontraproduktiv finde.

Die friedensethische Diskussion sehe ich angesichts der sich ständig wechselnden Konstellationen und Herausforderungen eher wieder am Anfang. Viel wichtiger als die grundsätzliche Ablehnung von Gewalt scheint mir die Herausforderung, Gewaltpotentiale abzubauen: Ungerechtigkeiten, Unterdrückung, Vorurteile und jedweder (auch christlicher) Radikalismus. Auch die Frage der Beteiligung von Frauen an politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen gehört für mich dazu.

Vielleicht wäre hier ein klares Wort der Reformierten angebracht, die sich ja das Friedensthema gerne auf die Fahnen schreiben. Ein dankbares Thema ist es freilich nicht, denn es müsste auch klar machen, wo unsere Anteile am Unfrieden in der Welt liegen.

Georg Rieger

Die Kolumne nimmt teilweise Bezug auf einen (sehr guten) Artikel von Anne Kampf auf evangelisch.de