Christen im Nahen Osten: Festhalten an guter Nachbarschaft mit den Muslimen

Gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten


Der Moderator Rev. Dr. Riad Jarjour aus Beirut umrahmt von Scheich Muhammad El Din Afifi von der Azhar-Universität in Kairo und dem (muslimischen) libanesischen Ex-Minister Ibrahim Shams El Din. Foto: C. Amstutz-Gafner

Trotz Verfolgung und Terror wollen die evangelischen Kirchen im Nahen Osten auch weiterhin gemeinsam mit ihren muslimischen Nachbarn an einer besseren Zukunft in der Region arbeiten. Sie wollen sich insbesondere für mehr Bildung und Demokratie in ihren Gesellschaften einsetzen.

Schon vor zwei Jahren diskutierten die evangelischen Kirchen im Nahen Osten über die Zukunft „christlicher Präsenz im Osten“ – unter dem Eindruck vielfacher Bedrohungen und wachsender Emigration. Angesichts der Gräueltaten der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien präsentierte sich die Lage der arabischen Christen an der zweiten Tagung vom 9.-13. September in Kairo noch einmal hoffnungsloser. Trotzdem hielt die Konferenz fest: „Wir wollen uns auch weiterhin für ein friedliches Zusammenleben mit unseren Nachbarn einsetzen und uns nicht von Furcht leiten lassen, sondern vom Glauben.“

Furcht und Hoffnung

Die Tagungsteilnehmer wussten, wovon sie sprachen. Der Gemeinschaft evangelischer Kirchen im Nahen Osten (FMEEC) gehören auch Kirchen aus Syrien und Irak an. Sie haben in ihren Gemeinden viele Opfer zu beklagen. Furcht und Hoffnung zogen sich wie ein roter Faden durch die Konferenz, die mehrheitlich auf Arabisch geführt wurde. Doch im Zentrum stand nicht das Beklagen der heutigen Situation, sondern die selbstkritische Analyse der eigenen Rolle auch für die Zukunft. Mehr ökumenische Einheit unter allen Christen der Region, noch mehr Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit, Bildung und wirtschaftliches Fortkommen, noch mehr Besinnung auf den Glauben war die Devise. Nur Bildung und ein Auskommen könnten vor Extremismus schützen, nur Freiheit und eine lebendige Spiritualität vor der massiven Emigration der christlichen Minderheit aus der Region.

Dieses Land gehört auch den Christen

Die evangelische Tagung in Kairo war die erste christliche Konferenz von Kirchenleitern in der Region an der auch hochrangige muslimische Vertreter auftraten. Forscher und Geistliche befassten sich mit Fragen des interreligiösen Zusammenlebens und neuen politischen Konzepten im Nahen Osten. Alle betonten sie den wichtigen Beitrag der evangelischen Christen beim Aufbau demokratischer Zivilgesellschaften und distanzierten sich von den Gräueltaten islamistischer Terrorgruppen wie der Isis. „Diese Leute sind keine Muslime, sie sind Mörder“, sagte Professor Mhammad Eddin Afifi von der Kairoer Al-Azhar Universität, der Lehrinstanz des sunnitischen Islam. Und er betonte: „Dieses Land gehört den Christen genauso wie den Muslimen.“ Am Mittwoch wurde eine Delegation der Konferenz zusammen mit dem Oberhaupt der Al-Azhar-Universität, Grossscheich Tayyeb, vom ägyptischen Ministerpräsidenten Ibrahim Mahlab zu einem langen Gespräch empfangen.

An der Tagung nahmen auch einige internationale Partner der FMEEC teil. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund wurde von Serge Fornerod, Leiter Aussenbeziehungen, vertreten.

Eine Lektion für alle Kirchen

„Durch die Initiative der FMEEC, offiziellen und hochrangigen Vertretern des sunnitischen Islams das Wort zu geben, nehmen die evangelischen Kirchen eine Position ein, die jetzt eine ökumenische Vertiefung und Solidarität braucht. Das Vertrauen dieser Kirchen in ihre Zukunft ist eine Lektion für alle Kirchen“, fasst Serge Fornerod zusammen.

Mit Blick auf die Schwesterkirchen in Europa und den USA, zeigten sich die Tagungsteilnehmer besorgt über die zunehmende Islamfeindlichkeit im Westen, aber auch über das partielle Desinteresse am Schicksal der verfolgten Christen. Eine ihrer Bitten war: „Helft uns den Reichtum des Zusammenlebens mit unseren muslimischen Nachbarn genauso sichtbar zu machen, wie den spirituellen Reichtum, den wir als arabische Christen euch allen bringen.“ Und die evangelischen Kirchen der Region baten darum, sie weltweit im Gebet zu begleiten.

Die FMEEC
In der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen im Nahen Osten (Fellowship of Middle East Evangelical Churches FMEEC) arbeiten 16 anglikanische, lutherische und reformierte Kirchen aus 12 Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas zusammen. Eine tragende Rolle in der 1974 gegründeten Gemeinschaft mit Sitz in Beirut haben Kirchen aus Ägypten, Irak, Israel/Palästina, Libanon und Syrien.

Die FMEEC entsprang der Erkenntnis, dass für eine gute ökumenische Zusammenarbeit auch konfessionelle Geschlossenheit braucht. 2006 erreichte die Gemeinschaft mit der „Amman Declaration“ die gegenseitige Anerkennung von Taufe, Abendmahl, Amt und Ordination all ihrer Mitglieder. Der SEK hat enge Kontakte zur FMEEC, die auch eine Partnerorganisation der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE ist. Zwischen beiden Organisationen werden regelmässige Beziehungen unterhalten.

Link zur offiziellen Pressemitteilung der Gemeinschaft evangelischer Kirchen im Nahen Osten (nur auf Englisch)

Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund, Medienmitteilung, Bern, 18.09.2014

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