Von Spinnen lernen?

Notat to go - Barbara Schenck


Foto: Randi Hausken / CC BY-SA 2.0 auf Wikipedia

„Von Tieren lernen“, so heißt eine Kolumne im Philosophie-Magazin. Die haben’s gut, die Philosoph_innen, die dürfen das: ihr Sinnen an Tieren orientieren. Wir Theolog_innen sind doch beschränkter auf den Grund unseres Nach-Denkens im Wort Gottes, in der Heiligen Schrift.

Da lese ich wunderbare Zeilen über die Fäden der Spinne und es nützt mir nichts für meine theologische Arbeit.
Wussten Sie schon, dass die Fäden der Webspinnen (Nephila pilipes) antiseptische Wirkung haben und in der Antike zum Weben von Wundpflastern genutzt wurden? Schals aus feiner Spinnenseide waren im Mittelalter ein Zeichen besonderen Reichtums. Geigensaiten aus Fäden der Spinnenart Nephila maculata begeistern mit ihrer Klangfarbe Violinisten. Seile aus Fäden der Radnetzspinne wären bei gleicher Tragkraft und Reißfestigkeit viel leichter und raumsparender als Kunststoffseile - wunderbar, nicht nur fürs Klettern und Fallschirmspringen. Nur einen Haken hat die Sache: Das Wissen um die Kraft der Spinnenseile nützt uns nichts. Eine Massenproduktion der verschiedenen Sorten Spinnenseide ist bis jetzt misslungen, aller Kunst der Bionik zum Trotz. Die Spinnen sind uns einfach überlegen.

Zurück zur Theologie
Was wir von Spinnen lernen können? Was uns Spinnen nützen? Das ist für reformierte Theologie nicht die richtige Frage. Calvin mahnt:
„Hat der Herr überhaupt nicht viele Dinge über den notwendigen Gebrauch hinaus kostbar für uns gemacht?“
Spinnennetze, diese „ganz allerliebsten Elfenschleier“ (Wilhelm Busch) sind einfach „freundlich anzusehen“, ganz egal, was uns die Seide nützt:
Deshalb, so Calvin, „fort mit jener unmenschlichen Philosophie, die uns die Kreaturen zur Notdurft will brauchen lassen“ und somit den Menschen aller Sinne beraubt und zu einem Klotz macht.

Zeit für ein Spinnenlob, „dass wir den Geber erkennen und ihm für seine Güte gegen uns Dank sagen.“

Am Samstag ist Welttiertag.

Literatur
Mario Markus, Unsere Welt ohne Insekten? Ein Teil der Natur verschwindet, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2014
Johannes Calvin. Institutio III,10,2.3

Barbara Schenck, 1. Oktober 2014