Kinder von Salz und Licht

Predigt zu Mt 5,13-16


Kurische Nehrung - Strand bei Nida © Wikimedia / Zairon

Liebe Gemeinde,

Wir machen uns auf den Weg und haben alles dabei. Handtücher und Badezeug, Sonnenmilch, Schaufel und Förmchen. Im Auto ist es heiß. Erst recht auf diesem Parkplatz ohne Schatten. Bis wir alles aus dem Kofferraum geholt und auf die Familienmitglieder verteilt haben, steht uns schon der Schweiß auf der Stirn. Dann setzt sich die kleine Karawane in Bewegung. Füße in Sandalen, kleine Nacktfüße. Wir gehen am Rand, da wo Gras wächst. Der Weg ist zu heiß und zu steinig.

Wo ist der Strand? ruft die Kleinste, als wir anderen das Meer schon längst sehen können. Der Strandweg neigt sich. Wir sind da. Die Füße raus aus den Sandalen, kleine Nacktfüße im weichen Sand. Es ist so hell, dass wir blinzeln müssen. Und da ist das Meer. Schnell ausziehen und eincremen nicht vergessen. Und dann ins Wasser. Glitzernde Tropfen in der Sonne. Im Mund ein Geschmack, den wir nicht vergessen haben. Um uns Wasser und Sonne, Salz und Licht. Wir kommen mit den Kindern. Und wir werden die Kinder, die wir waren. Kinder von Salz und Licht.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Im Urlaub an der Ostsee ist es leicht, mit diesen Worten etwas anzufangen. Salz und Licht umgeben uns jeden Tag. Salz im Wasser, Salz in der Luft. Und das helle Licht über dem Meer. Deswegen kommen wir hierher. Alle, die hier Kinder waren, so wie ich, und gerne wieder zurückkommen, aber auch die anderen, die Gäste. Dass so viele Gäste kommen, zeigt den Einheimischen jeden Sommer, wie gut es ist, hier zu sein. Ein Sommer an der Ostsee macht uns alle zu Kindern von Salz und Licht. Und das wollen wir mit nach Hause nehmen, in den Alltag und in die anderen Jahreszeiten. Dorthin, wo das Salz bloß auf die Kartoffeln gehört und das Licht aus der Schreibtischlampe kommt.

Im Sommer an der Ostsee wird es leicht, sich vorzustellen, wo diese Worte zum ersten Mal gesagt wurden. Da war ein salziges Meer unter einer noch helleren Sonne. Da war Salz und Licht in dem Land, durch das Jesus wandert. Bei ihm die Menschen, die mit ihm gehen wollen.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Er musste ihnen nichts weiter erklären. Das verstehen alle, die mit Jesus unterwegs sind. Salz ist kostbar. Es wird nicht nur zum Würzen gebraucht, sondern auch zum Haltbarmachen der Lebensmittel. Es wird aus dem salzigen Meer gewonnen und ist nicht ganz rein. Wenn man es verwendet, bleibt ein Rest übrig, der kein Salz ist, sondern irgend etwas anderes, Kristalle ohne Geschmack. Nur, was sich ganz auflöst und was verschwindet, das war wirklich Salz.

Und das Licht? Jesus und die Menschen, die mit ihm gehen, wanderten unter einer helleren Sonne. Und auch ihre Nacht war dunkler. Weit leuchtet der Schein einer einzigen Lampe aus den Fenstern eines Hauses in das Land hinein. Sie sehen den Lichtschein und sie sagen sich: Bald sind wir da. Da ist ein Haus, eine offene Tür, ein Lager für die Nacht. Da sind Brot und Wasser, manchmal Wein. Nur noch ein bisschen weiter, auch wenn die Füße schon weh tun. Da vorne sehen wir doch schon ein Licht. Und dann kommen sie an und werden aufgenommen und können bleiben. Im Schein der Lampe sitzen sie am Tisch, essen und trinken und reden, die Gesichter hell im dunklen Raum.

Menschen wie Salz und Licht seid ihr, sagt Jesus. Sie verstehen, was er meint. Sie erinnern sich an seine Worte. Sie reden noch einmal darüber am Abend, als sie da sitzen am Tisch im Schein der Lampe.

Heute erst hat er davon gesprochen, zu den vielen, vielen Menschen, die alle gekommen waren, um ihn zu hören. Auf einen Hügel musste er steigen, damit alle ihn sehen können. Und die ihn hören konnten, haben es dann weitergesagt, zu den Menschen hinter ihnen und durch die Reihen immer weiter bis zu denen ganz hinten.

Ihr seid das Salz der Erde, sagt er. Sie sagen es weiter. Ihr seid das Licht der Welt, sagt er. Sie sagen es weiter. Und sie erzählen es auch denen, die nach ihnen kommen. Damit die Worte nicht verloren gehen, werden sie aufgeschrieben. Bis sie bei uns ankommen, über die Zeiten und die Länder hinweg an einem Morgen im Sommer an der Ostsee. Heute.

Wir sind das Salz der Erde? Wir sind das Licht der Welt? Haben wir das richtig verstanden? Oder sind das bloß noch Worte, etwas fade geworden über die Zeiten, solange herunter gedimmt, bis sich das Licht fast nicht mehr von der Dunkelheit unterscheidet? Salz gehört doch auf die Kartoffeln und das Licht kommt meistens aus der Schreibtischlampe, sagen manche. Es ist doch genug, das alles hinzubekommen im Leben, Beziehungen, Familie, die Arbeit, der Alltag mit seinen Pflichten und seinen Freuden. Die schmecken ja manchmal auch schon wie Pflichten. Wer nur so durchs Land wandert, ohne Alltag und ohne Pflicht, zusammen mit Menschen, die das alles auch hinter sich gelassen haben, der hat gut reden. Salz und Licht. Wir spüren höchstens noch im Urlaub etwas davon. Das muss reichen.

Wenn aber das Salz fade wird, womit soll man salzen? Es taugt zu nichts mehr, man wirft es weg und die Leute zertreten es. Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter einen Scheffel, sondern auf den Leuchter, dann leuchtet es allen im Haus.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus. Und Salz würzt und Licht leuchtet. Das geht gar nicht anders. Salz verliert seinen Geschmack nicht. Wenn es anders ist, dann war es kein Salz. Licht muss man schon sehr gut abdecken, damit es nicht mehr scheint. Es dringt doch noch durch die kleinste Ritze.

So ist es auch mit euch, sagt Jesus. Wenn ihr mit mir geht, werdet ihr zu Menschen von Salz und Licht. Ihr werdet ein Gewürz, das die Welt braucht und ein Licht, das sie heller macht. Die Welt wird besser durch euch. Und wenn ihr euch trotzdem kraftlos und unscheinbar vorkommt dabei, dann denkt daran, was ich noch gesagt habe, da auf dem Hügel: Ärmlich und traurig, gewaltlos, auf der Suche nach Gerechtigkeit, barmherzig und reinen Herzens, friedfertig, ohne Macht und Einfluss, manchmal verspottet und verfolgt - so sind die Menschen von Salz und Licht, wenn man sie mit den Augen der Welt betrachtet.

Wo etwas davon auf euch nicht mehr zutrifft, wenn ihr als meine Menschen Gewalt tut, euren Vorteil sucht, Macht und Einfluss gewinnt, da seid ihr kein Salz mehr, sondern irgendetwas anderes, sagt Jesus. Da seid ihr dann kein Licht, sondern ein falscher Schein.

Wir sind das Salz der Erde. Wir sind das Licht der Welt. Und Salz gehört auf die Kartoffeln und das Licht kommt aus der Schreibtischlampe. Das stimmt. Aber es stimmt auch, dass da noch mehr ist. In deinem Leben ist Salz und Licht. Ein anderer Geschmack, ein anderes Licht. Etwas, für das du dich hingibst. Etwas, dass du tust ohne zu fragen, was es dir bringt und was du am Ende dafür bekommst.

Die Arbeit nicht bloß zum Geldverdienen, sondern als eine Möglichkeit, deine Gaben, deine Kraft und Zeit weiter zu geben. Sich für Kinder entscheiden, eine Weile auf Freiheit und Selbstbestimmung verzichten, um einen anderen Menschen in sein Leben zu begleiten. Für andere Menschen da sein, über den Kreis der Familie und der Freunde hinaus. Die Armen und Traurigen nicht vergessen und die, für die es keine Gerechtigkeit gibt und keinen Frieden in dieser Welt.

Ein Leben mit dem Geschmack einer anderen Welt auf der Zunge. So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Wir sind Menschen von Salz und von Licht. Was zu uns gesagt ist, sagen wir weiter, zu allen die auf Jesu Namen getauft werden. Geht hin und machet zu Jüngern alle Völker. Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie halten alle, was ich euch befohlen habe.

Wir gehen weiter. Wir machen uns auf den Weg und haben alles dabei. Eine kleine Karawane durch die Zeiten, viele Familienmitglieder, die man zusammenhalten muss. Manchmal gehen wir auf steinigen Wegen und sind schon müde von der Hitze des Tages.

Aber der Weg neigt sich und die Füße spüren, wie weich der Sand ist.

Wir können das Meer schon sehen.

Wasser und Sonne.

Salz und Licht.

Amen.


Pfarrerin Kathrin Oxen, Lutherstadt Wittenberg