Menschen helfen und Versöhnung wagen

Verleihung des Aachener Friedenspreises 2015


Der Aachener Friedenspreis wurde am 1. September verliehen.

Es begann mit dem DGB-Antikriegstag am Elisenbrunnen, fand seine Fortsetzung mit einer Friedensdemonstration und mündete in eine bewegende Veranstaltung in der Aula Carolina – Aachen erlebte zum 26. Mal die Verleihung des Friedenspreises.

In diesem Jahr kommen die Preisträger aus Afrika: Die Studenten Rakotonirina Mandimbihery Anjaralova (Madagaskar), Lumbela Azarias Zacarias, (Mozambik) und Balorbey Theophilus Oklu, (Ghana), die sich mit vielen Kommilitonen in der Flüchtlingsarbeit der Eglise Evangelique au Maroc in Oujda engagieren; sowie Erzbischof Dieudonnè Nzapalainga und Imam Oumur Kobine Layama, die in der Zentralafrikanischen Republik leben und mit ihrer Freundschaft Vorbild sind für ein gutes Miteinander von Christen und Muslimen.

Den Krieg bekämpfen, und nicht die Menschen, die vor ihm fliehen!

Der Vorsitzende des „Aachener Friedenspreis e.V.“, Ralf Woelk, fand in seiner Eröffnungsrede deutliche Worte für die Verantwortung, die Europa für die prekäre Situation vieler Menschen in Afrika trägt. Seit der Kolonialzeit hätten sich zwar die Methoden geändert – statt mit Waffengewalt sichere man sich heute die Rohstoffe und Absatzmärkte mit Geld, Verträgen und Freihandelsabkommen-, die Haltung der europäischen Länder sei aber dieselbe geblieben. Die Hauptursache für die Flucht von Menschen sei nach wie vor der Krieg. Aus dieser Erkenntnis folgte sein Appell: „Wir müssen Kriege verhindern und gleichzeitig denen helfen, die unter den Kriegen in der Welt leiden. Wir müssen den Krieg bekämpfen und nicht die Menschen, die vor ihm fliehen!“

Mit dem eigenen Leben und Handeln der Menschenwürde und dem Frieden dienen

Dr. Margot Käßmann ging in ihrer Laudatio mit Europa und der EU hart ins Gericht. Es sei eine Schande, dass man diesen Kontinent in eine Festung gegen die Flüchtlinge dieser Welt verwandelt habe. Man verrate die Ideale, die man anderen gegenüber einfordere, indem man grundlegende Menschenrechte mit Füßen trete.

Die Folgen dieser menschenverachtenden Politik habe unter anderem Marokko zu tragen, auf dessen Gebiet unzählige Menschen auf ihrem Fluchtweg nach Europa stranden. Die drei Studenten, die es heute zu ehren gelte, setzten sich mit ungezählten weiteren Kommilitonen unter Einsatz ihres eigenen Lebens und ihrer Existenz für Kinder, Frauen und Männer ein, die in Oujda und Umgebung unter unmenschlichen Bedingungen leben. Indem sie ihnen Nahrung, Wasser, Kleidung und eine ärztliche Grundversorgung zukommen ließen, begegneten sie ihnen als Menschen. „Es ist ermutigend, dass Menschen wie die heutigen Preisträger Rakotonirina Mandimbihery Anjaralova, Lumbela Azarias Zacarias und Balorbey Theophilus Oklu sich leidenschaftlich und unter Einsatz ihres Lebens für Flüchtlinge einsetzen. … Hoffen wir, dass diese Preisverleihung hilft, sie zu schützen und auch andere zu ermutigen, für die Menschenrechte und Würde von Flüchtlingen einzutreten.“

Unter dem Stichwort „Religiöse Konfliktlösungskompetenz“ wandte sich die Rednerin dann den beiden Preisträgern aus der Zentralafrikanischen Republik, einem der drei ärmsten Länder der Erde, zu. „Dass religiös motivierte Menschen, gläubige, ja fromme Menschen im besten Sinne Konflikte entschärfen und hellwach Verantwortung übernehmen können, dafür stehen Erzbischof Dieudonnè Nzapalainga und Imam Oumar Kobine Layama im wahrsten Sinne des Worte mit ihrem Leben ein.“ Beide engagierten sich für ein friedliches Miteinander der Religionen und der Menschen in ihrem Land und arbeiten an gewaltfreien Konfliktlösungen mit.

„Wir können Erzbischof Dieudonnè Nzapalainga und Imam Oumar Kobine Layama nur danken für ihr hoffnungsvolles Zeugnis, das in dieser so konfliktträchtigen Welt in einer extrem gefährdeten Situation zeigt: Religion kann Grenzen überwinden helfen“.


Halice Kreß-Vannahme, Dr. Margot Käßmann, Balorbey Theophilus Oklu, Lumbela Azarias Zacarias, Rakotonirina Mandimbihery Anjaralova, Erzbischof Dieudonnè Nzapalainga, Imam Oumar Kobine Layama und Ralf Woelk (v.l.n.r.).

Menschen zu retten als vordringliche Aufgabe

In bewegenden Worten dankte Lumbela Azarias Zacarias auch im Namen seiner beiden Kommilitonen für die Verleihung des Aachener Friedenspreises, den die drei stellvertretend für alle in der Flüchtlingsarbeit tätigen Studierenden in Empfang nähmen. So sehr sie sich über die hohe Auszeichnung freuten, so sei es doch beunruhigend, dass Menschen dafür ausgezeichnet würden, dass sie Gutes tun. „Gutes zu tun ist wohl so selten geworden, dass man einen Menschen, der so handelt, dafür belohnen muss. Wir sind jedoch schon dadurch belohnt, dass wir den Migranten aus der Subsahara, die in Marokko festsitzen, weil sie ein würdiges Leben führen wollen, helfen dürfen.“

Ein kritischer Hinweis galt den Menschen in Europa: „Wenn wir die Grenzen schließen, verschließen wir auch unsere Herzen, wir stumpfen ab gegen die Hilfeschreie der Frauen und Männer, die in der Wüste umkommen, die Schreie der Kinder, die im Mittelmeer ertrinken. Wir haben unsere Menschlichkeit verloren, das, was uns eigentlich von den Tieren unterscheidet. Wir weigern uns, unser Brot zu teilen, weil unser eigenes Wohlergehen Vorrang hat.“

Die vordringliche Aufgabe in diesen Zeiten sei es, Menschen zu retten. Und er schloss: „Es wäre mir lieber gewesen, wir wären die Letzten, die diesen Preis erhalten, aber das wird einzig dann möglich sein, wenn jeder von uns etwas von sich hingibt, um Menschen zu retten. Bis das geschieht, danken wir Euch ganz aufrichtig. Diese hohe Auszeichnung gibt uns neue Kraft in unserem Engagement.“

Einsatz für Versöhnung einen nachhaltigen Frieden

Erzbischof Dieudonnè Nzapalainga und Imam Oumar Kobine Layama nahmen „den Preis mit großer Dankbarkeit für das zentralafrikanische Volk an, das sich so sehr nach Frieden sehnt.“ Und auf die Situation in ihrem Heimatland eingehend: „Wir erinnern daran, dass die Zentralafrikanische Republik in den letzten Jahren von beispiellosen militärisch-politischen Krisen erschüttert wurde, die das Land in den Abgrund gestürzt haben und unter dem Vorwand religionsbedingter Konflikte beinahe zur tatsächlichen Spaltung des Landes geführt haben. Gott, unser Schöpfer, hat sich einmal mehr durch die drei Religionsführer der Konfessionen offenbart, die am stärksten im Land vertreten sind (Protestanten, Katholiken und Muslime), um den Virus der Teilung und des Hasses zu stoppen.“ Zu diesem Zweck habe man sich zur „Plattform der Religionen in Zentralafrika“ zusammengeschlossen, um für einen nachhaltigen Frieden und für die Verbesserung des sozial-politischen Umfeldes zu arbeiten.

Und die beiden schlossen ihre Rede: „Wir möchten Ihren Einsatz würdigen und uns hierfür bedanken, weil Sie uns dazu ermutigen, weiterzumachen und nach vorn zu schauen. Ihre Geste, die von den Behörden unseres Landes und unseren unterschiedlichen Gemeinschaften aufmerksam registriert wird, ist ein starkes Signal für die Verstärkung unseres Zusammenhaltes und Zusammenlebens innerhalb unserer Bevölkerungsgruppen. Für uns hat sich wieder einmal gezeigt, dass das Streben nach Einheit in der Verschiedenartigkeit nicht als ein Zeichen von Schwäche, sondern vielmehr als ein Zeichen von Stärke verstanden werden muss.“          

Johannes de Kleine, 3. September 2015                                                  

Aachener Friedenspreis e.V.

Bürgerinitiative aus der Aachener Friedensbewegung

Der Aachener Friedenspreis wurde 1988 von 46 Einzelpersonen als Verein gegründet, um Frauen, Männer oder Gruppen zu würdigen und vorzustellen, die „von unten her" dazu beitragen, der Verständigung der Völker und der Menschen untereinander zu dienen sowie Feindbilder ab- und Vertrauen aufzubauen. Der Preis wird unabhängig von ideologischen, religiösen oder parteipolitischen Kriterien und unabhängig von sozialer oder nationaler Zugehörigkeit der Preisträgerinnen und Preisträger verliehen.

Die Verleihung des Aachener Friedenspreises - dotiert mit 1000 € - findet jährlich zum Antikriegstag am 1. September statt.

Heute gehören dem Aachener Friedenspreis e.V. ca. 400 Mitglieder an, darunter rund 350 Einzelpersonen, sowie etwa 50 Organisationen. Unter diesen Organisationen finden sich unter anderem die Stadt Aachen, der regionale Deutsche Gewerkschaftsbund, katholische Organisationen im Bistum Aachen, der evangelische Kirchenkreis, zahlreiche weitere kirchliche Organisationen, der SPD-Unterbezirk, der Kreisvorstand der Grünen, die Linke in der Städteregion Aachen.