Kurzmeldungen




Siebenbürgen: Orthodoxe Ostern mit reformiertem Mahl

Steffen Tuschling erzählt von einer rumänisch-orthodoxen Osternacht mit reformiertem Brot und Wein

Ostereier aus der Bukowina, Rumänien; Foto: CC BY 2.5

Hristos a înviat! - Christus ist auferstanden!- ruft der Priester in die Menge, die sich im Dunkel der Osternacht um die Dorfkirche herum versammelt hat. Adevarat a înviat! - Er ist wahrhaftig auferstanden! - tönt es mit hunderten Stimmen zurück. Ein kühler Wind weht diese Nacht aus den Wäldern der Karpaten herab.

Die Kerze in den Händen des Priesters flackert. Und er gibt das Licht weiter. Binnen Minuten ist der Friedhof rund um die Kirche von Kerzenschein erhellt. Und mit dem Gesang des Ostertroparions "Christus ist auferstanden von den Toten, durch den Tod hat er den Tod besiegt und denen in den Gräbern das Leben gebracht!" setzen sich die Menschen in Bewegung und ziehen um die Kirche herum. Manch einer bleibt mit seiner Kerze am Grab eines seiner Lieben stehen und spricht ein Gebet.

5 Wochen nach der Westkirche feiert die Orthodoxie dieses Jahr ihr Osterfest. Die Menschen strömen in die Kirchen ihrer Stadt oder ihres Herkunftsdorfes. Viele sind erst am Vortag mit dem Flugzeug gekommen, denn hunderttausende Rumänen leben und arbeiten im Ausland. Zumindest wer in der Heimat wohnt, hat sich aber schon seit Wochen vorbereitet. Die Häuser sind geputzt, als wären sie neu bezogen, die Tische gedeckt, die Eier rot gefärbt, die vielfältigen und üppigen Osterspeisen sind vorbereitet, vor allem aber:  Es wurde 8 Wochen gefastet. Viele Rumänen halten sich an die alten Regeln und leben in dieser Zeit vegan. Man merkt es in den Geschäften und auf den Speisekarten der Restaurants. Und in den letzten Wochen vor Ostern sind auch die Gottesdienste viel voller als sonst ohnehin schon. Die Priester kommen in dieser Zeit kaum noch aus den Kirchen heraus: Die Gläubigen stehen buchstäblich Schlange zur Beichte, unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am Abendmahl in den Ostertagen.

So wartet, innerlich und äußerlich vorbereitet, alles auf die Osternacht. Und nach dem Umrunden der Kirche geht es nun unter Gesängen hinein, erstrahlen Ikonen und Menschengesichter im Kerzenschein. Inbrünstig wird das Ostertroparion wieder und wieder angestimmt, dann Lesungen und Liturgie und immer wieder der Ruf: Christus ist auferstanden - er ist wahrhaftig auferstanden! Bis Pfingsten wird er auch das "Guten Tag" im Alltagsleben ersetzen.

Gegen halb zwei Uhr in der Nacht beginnt sich die Kirche zu leeren. Gleich wird zuhause fröhlich weitergefeiert: Eier werden "geschlagen", mit Schnaps angestoßen, das "Pascha" gegessen, eine Osterspeise aus süßem Quark mit Sahne, es werden Frühlingszwiebeln und anderes Grün des Frühlings verzehrt.

Brot und Wein zum Ausgang der Osternacht - reformierte Traditon in orthodoxer Liturgie

Bis kurz vor dem Verlassen der Kirche ähneln sich die Bräuche der Orthodoxen bzw. Griechisch-katholischen Rumänen Siebenbürgens mit denen aller Orthodoxen des Balkans. Doch nun steht in der Kirche ein Tisch. Mit Brot und Wein darauf. Mitnichten ist das das Abendmahl. Sondern es sind "Osterbrot und Osterwein". Man nimmt hier etwas davon, und noch besser: man nimmt etwas mit nach Hause. Diese Wein-und-Brot-Sitte gibt es nur in Siebenbürgen.

Warum? Der Historiker Leonard Horvath sagt, sie erinnere an die Zeit des Fürstentums Siebenbürgen. Brot und Wein wurden von Reformierten in die Orthodoxie Siebenbürgens gebracht. Und das kam so: Im 17. Jahrhundert waren die ungarischen Fürsten von Siebenbürgen reformiert. Zu dieser Zeit war Siebenbürgen das einzige Land der friedlichen Religions-Koexistenz in Europa. Reformierte, Katholiken, Lutheraner und Unitarier waren offiziell anerkannt, galten als "Rezipierte Religionen". Von dieser Regelung profitierten Ungarn, Szekler und Sachsen im Land. Die (schon damals) rumänische Bevölkerungsmehrheit gehörte dagegen der Ostkirche an. Und die war nicht "rezipiert", sondern nur toleriert, durfte keine Beamten stellen und nur Holzkirchen bauen.

Die reformierten Fürsten des Landes setzten der Orthodoxen Kirche einen reformierten Superintendenten als Aufseher vor. Der sollte die Synoden überwachen und die Gültigkeit des Heidelberger Katechismus durchsetzen. Beides gelang höchstens auf dem Papier. Der ungarische Herr befahl, die rumänischen Untertanen sagten "ja" und taten "nein"... Einzig mit der Idee, zu Ostern müsse auch in der Orthodoxen Kirche das Abendmahl mit Brotbrechen und Wein ausgeteilt werden, hatte er bedingten "Erfolg". Zwar blieb die Ostkirche selbstverständlich bei ihrer Form des Abendmahls. Doch bot sie forthin den Menschen Brot und Wein zum Ausgang der Osternacht an. Und so ist es bis heute geblieben.

Pastor Steffen Tuschling, Osnabrück, zur Zeit im Studiensemester in Sibiu, Rumänien, April 2016

 

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