Kurzmeldungen




Aleppo und dann…?

Mittwochs-Kolumne - Paul Oppenheim

Vor Weihnachten stand Aleppo in den Schlagzeilen. Erschütternde Bilder einer Stadt in Schutt und Asche gingen um die Welt. Von über hundert- bis zweihunderttausend eingekesselten Bewohnern war die Rede, die zu verhungern und zu verdursten drohten und die den Angriffen russischer und syrischer Bomber schutzlos ausgesetzt seien.

Wenig später wurde vom Vormarsch der syrischen Regierungstruppen berichtet, die mit Unterstützung ihrer russischen Verbündeten Straße um Straße zurückeroberten. Schließlich   wurden nach zähen Verhandlungen die letzten „Aufständischen“ mit ihren Angehörigen von der syrischen Regierung in Bussen evakuiert. Wie viele waren es tatsächlich? Zehntausend, fünfzehntausend? Wo sind die über hunderttausend Bewohner geblieben?
Die Berichterstattung über Syrien lässt viele Fragen unbeantwortet. 

Warum wurde jeden Tag von den Luftangriffen auf Ost-Aleppo berichtet aber verschwiegen, dass die „Rebellen“, die sich in Ost-Aleppo verschanzt hatten, auf die westlichen Stadtviertel Aleppos schossen? Ihre Geschosse  trafen Schulen,  Wohnhäuser, Moscheen, Kirchen und Geschäfte, verletzten und töteten Zivilisten. Das erzählen uns Christen, die trotz der Angriffe der „Rebellen“ versuchten, im Westen der Stadt auszuharren und  ein einigermaßen normales Leben zu führen. Nach der Niederlage der „Aufständischen“ in der belagerten Altstadt lautete die Schlagzeile einer großen deutschen Wochenzeitung  „Aleppo wird ausgelöscht“. Mit keinem Wort wurde berichtet, dass über eine Million Einwohner der westlichen Stadtviertel über die Befreiung ihrer Stadt erleichtert waren.

Es ist merkwürdig, dass wir für die Christen in Syrien zwar beten, aber nicht hören wollen, was sie uns zu sagen haben. Seit 2011 haben die Kirchen Syriens immer wieder einmütig erklärt, dass sie die Diktatur in ihrem Land nicht gutheißen, dass aber alles, was nach einem Sturz Assads käme, schlimmer sein werde als das jetzige Regime, weil es das Ende des Christentums in Syrien bedeuten würde. Das wollten weder die westlichen Regierungen, noch unsere Kirchen hören.

So stehen die westlichen Staaten Seite an Seite mit Saudi Arabien und Katar, um Bashar al-Assad zu vertreiben.  Wie kann man im Kampf um Demokratie und Menschenrechte Saudi Arabien, Katar  und die Türkei Erdogans zu Verbündeten haben?

Das fragen sich auch die Christen in Syrien und warnen davor, dass ein Sturz Assads nicht gleichbedeutend wäre mit mehr Menschenrechten und Demokratie, sondern nur einem ungezügelten Islamismus zum Sieg verhelfen würde. Nicht religiöse Toleranz und friedliches Zusammenleben, sondern die Vertreibung und Vernichtung aller andersgläubigen Minderheiten steht auf dem Programm der Islamisten jeglicher Couleur.

Allmählich dämmert auch manchen Regierungen westlicher Länder, dass sie mit ihrer Unterstützung islamistischer „Rebellen“ aufs falsche Pferd gesetzt haben, aber wer will schon eingestehen, dass er sich geirrt hat? Sollte am Ende Putin recht gehabt haben?

Es ist alles andere als einfach, in dieser Gemengelage zu erkennen, wer welchen Interessen dient, aber als Christen sollten wir auf die Appelle der Kirchen im Mittleren Osten hören und für sie Partei ergreifen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, entschieden dafür einzutreten, dass sich die Politik unserer Regierung daran orientiert, was dem Überleben der Christen im Nahen und Mittleren Osten wirklich dient. Damit wäre – davon bin ich überzeugt- allen am meisten gedient.

Paul Oppenheim, 12. Januar 2017

 

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