Die Königin von Saba bei König Salomo

Predigt zu 1.Könige 10,1-13 (Sonntag Estomihi)


Nordwand der Johanneskapelle des Brixner Doms: Die Königin von Saba (Ausschnitt) © Whgler / Wikimedia

Predigt zu einer Erzählung, die uns bereichert, die unseren Horizont weitet für die Freundlichkeit Gottes, die uns aufmerken lässt, was Kultur austragen kann für die Verkündigung des Evangeliums.

1 Und die Königin von Saba vernahm die Kunde von Salomo, die dem HERRN zum Ruhm gereichte, und kam, um ihn mit Rätseln auf die Probe zu stellen. 2 Und mit sehr reichen Schätzen kam sie nach Jerusalem, mit Kamelen, die Balsam trugen und sehr viel Gold und Edelsteine. Und sie kam zu Salomo und sagte ihm all das, was sie sich vorgenommen hatte. 3 Und Salomo beantwortete ihr alle ihre Fragen; nichts war dem König verborgen, es gab nichts, auf das er ihr keine Antwort hätte geben können. 4 Als aber die Königin von Saba die Fülle der Weisheit Salomos sah und das Haus, das er gebaut hatte, 5 und die Speisen auf seinem Tisch, die Sitzordnung seiner Diener, die Aufwartung durch seine Diener und ihre Gewänder, seine Getränke und sein Brandopfer, das er darzubringen pflegte im Haus des HERRN, verschlug es ihr den Atem. 6 Und sie sagte zum König: Was ich in meinem Land über deine Worte und über deine Weisheit gehört habe, hat sich als wahr erwiesen. 7 Ich habe den Worten keinen Glauben geschenkt, bis ich hergekommen bin und es mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Und sieh, nicht einmal die Hälfte ist mir berichtet worden: Du hast mehr Weisheit und Reichtum, als die Kunde sagt, die ich gehört habe. 8 Wohl deinen Männern, wohl diesen deinen Dienern, die ständig vor dir stehen, die deine Weisheit hören! 9 Gepriesen sei der HERR, dein Gott, der Gefallen an dir gefunden hat und dich auf den Thron Israels gesetzt hat! Weil der HERR Israel für alle Zeiten liebt, hat er dich als König eingesetzt, damit du Recht und Gerechtigkeit übst. 10 Und sie gab dem König hundertzwanzig Kikkar Gold und sehr grosse Mengen von Balsam und Edelsteine. Nie wieder ist so viel Balsam ins Land gekommen, wie die Königin von Saba König Salomo gegeben hat. 11 Auch brachten die Schiffe Chirams, die Gold aus Ofir trugen, sehr grosse Mengen von Almuggimholz und Edelsteine aus Ofir. 12 Und aus dem Almuggimholz machte der König Holzverzierungen für das Haus des HERRN und für das Haus des Königs, dazu Leiern und Harfen für die Sänger. Bis auf den heutigen Tag ist nie wieder so viel Almuggimholz gekommen oder gesehen worden. 13 Und König Salomo gab der Königin von Saba, was immer sie sich wünschte und erbat, abgesehen von dem, was Salomo ihr in seiner königlichen Grosszügigkeit sonst noch gegeben hat. Dann kehrte sie zurück und ging in ihr Land, sie mit ihren Dienern. (1. Könige 10,1-13)

Liebe Gemeinde,

die Königin von Saba gehört zu den geheimnisvollen Gestalten der biblischen Überlieferung. Saba ist das sagenhafte Land am Rande der Wüste, dort, wo man heute den Jemen lokalisiert am Südende der Arabischen Halbinsel. Sie eine regierende Königin. Ihre Schönheit und ihr Reichtum sind sprichwörtlich.  In Saba herrscht sie, in den Ländern um Saba herum herrschen Könige, Männer. Noch lange nach ihrer Zeit, so berichtet es die Apostelgeschichte des Lukas hat in jener Weltgegend am Rande der bekannten Sphären die Kandarke geherrscht, eine sagenhafte Königin in Äthiopien, die in den hohen Ministerposten vornehmlich Eunuchen für sich arbeiten ließ. Königinnen waren in der Welt des Alten Orient eine Seltenheit, aber es gab sie.

Eine bemerkenswerte Frau – die Königin von Saba. Ein Gegenbeispiel für die These, dass nur Männer die Welt beherrschen und nur Männer Geschichte machen. Was wird das für ein Aufstand in Jerusalem gewesen sein, als sie am Hofe des Königs Salomo auftaucht. Sie hat die weite Reise hinter sich gebracht, um mit Gefolge und mit Hofstaat, um in Israel einen Staatsbesuch abzustatten. Das macht man auch damals schon, um die Handelsbeziehungen zu festigen, um kulturellen Austausch zu pflegen, oder einfach auch aus Neugier, um mit eigenen Augen zu überprüfen, ob es stimmt, was sich die Handlungsreisenden erzählen von der Weisheit des Königs Salomo, von seinem sagenhaften Reichtum, von der hohen Kultur, die dort nicht nur am Hofe herrscht, sondern auch in seinem Volk, in dem wohl die meisten lesen können.

Die Königin hat sich nach Jerusalem aufgemacht. Wochen wird es gedauert haben, den beschwerlichen Weg hinter sich zu bringen auf den Handelswegen, auf denen der Weihrauch ans Mittelmeer gelangt und das Gold aus den sagenumwobenen Goldländern hinter der Wüste. Einiges hat sie mitgebracht, um es dem König zum Geschenk zu machen: Kamele, Eselsteine, Balsam und sehr viel Gold. Sie wird sich dem jüdischen König empfehlen als eine Frau, die ihm ebenbürtig ist, die ihm das Wasser reichen kann. Und das erste, was sie tut, ist, dass sie Salomo Rätselfragen aufgibt. Salomo soll seine Weisheit beweisen. Wir kennen das aus der griechischen Sage. König Ödipus wird von der Sphinx gefragt: Welches Tier geht morgens auf vier, mittags auf zwei und abends auf drei Beinen.

Ödipus ist klug. Er weiß die Antwort und er sagt sie ihr: Es ist der Mensch, morgens, als Kind, krabbelt er auf vier „Beinen“, mittags, auf der Höhe seines Lebens geht er auf zwei, und abends, im Alter nimmt er einen Stock dazu, also geht er dann auf drei Beinen. Solche oder ähnliche Rätsel wird man sich vorzustellen haben, wenn die Königin von Saba den Salomo befragt. Er bleibt ihr keine Antwort schuldig. Salomo ist schließlich ein Meister der Weisheit. Ein ganzes biblisches Weisheitsbuch schreibt man seiner Feder zu. Überhaupt ist die Weisheit in Israel auch eine Frage der Theologie, der Gottesgelehrtheit. Gott Erkennen, ist Weisheit – sagt der 119. Psalm. „Die Furcht Gottes ist der Anfang der Weisheit“ – heißt es im Buch der Sprüche.

Weisheit ist die Einsicht in den Gang der Schöpfung. Weisheit lehrt die Unterscheidung von Gott und Mensch, was Gott tut und wie die Menschen sich verhalten. Und wer weise ist, der wird das nicht durcheinander bringen. Wer weise ist, der erkennt seine Grenzen, der weiß, wann Zeit ist, zu beginnen, und wann Zeit ist, aufzuhören. Salomo ist weise, und die Kunde von seiner Weisheit ist bis an die Enden der Erde gedrungen. Könige fremder Länder kommen und staunen. Und so ist auch die Königin von Saba gekommen. Und ihr Staunen betrifft nicht nur den Reichtum und die Weisheit des Königs von Israel. Es betrifft auch das ganz normale Leben am Hofe: die Speisen, die Sitzordnung, all das, was man heute „Etikette“ nennen würde. Man kann sich benehmen im Lande Israel. Die hohen kulturellen Leistungen sind nicht nur an den Gebäuden und an der umfassenden Bildung des Königs abzulesen, die Königin von Saba erkennt sie auch daran, wie die Menschen im Umkreis des Königs Salomo miteinander umgehen.

Etikette sind ja nicht nur eine Spielerei für reiche  Leute, die sonst nichts zu tun haben. Etikette sind eine Lebenshaltung und ein Lebensstil, der von tiefem Respekt voreinander gekennzeichnet ist. Die Etikette gibt den Menschen Verhaltenssicherheit. Auch wer sonst nichts mit dem König und seinem Hofstaat zu tun hat, kann in Erfahrung bringen, wie man sich dort bewegt, wie man auf Fragen antwortet, und welche Fragen man besser nicht stellt, dass man sich nicht hemmungslos den Bauch voll schlägt, dass man den Wein in kleinen Schlücken trinkt und niemand mehr in sich hineinschüttet als gut für ihn und für die Gemeinschaft ist.

Je mehr die Etikette im Umgang der Menschen miteinander verloren geht, umso rauer werden die Sitten, wenn man denn überhaupt noch von Sitten sprechen kann. Benehmen wird durch Gewalt ersetzt. Im Kleinen fängt das an. Es ist ein Akt der Gewalt, wenn ich dann, wenn ich mit einem anderen Menschen spreche, die Zigarette nicht aus dem Mund nehme. Es ist ein Akt der Gewalt, wenn ich in der Straßenbahn so laut Musik höre, dass meine Mitmenschen gestört werden. Natürlich hat es in der Geschichte auch Auswüchse nach der anderen Seite gegeben. Sprichwörtlich war die Spanische Hofetikette, bei der kaum noch ein freies Wort gestattet war und alles Verhalten bis ins Kleinste reglementiert wurde. Auch das Hofzeremoniell am englischen Königshof muß bemerkenswert sein und wenig zur Nachahmung reizen. Aber das ganz normale gute Benehmen, das gesellige Betragen, bei dem jeder weiß, wie er sich zu verhalten hat, das ist hilfreich und das ist getragen von dem Respekt dem anderen Menschen gegenüber.

Salomo macht Eindruck mit seiner Hof Etikette, und er macht Eindruck mit seiner Religion. Auch die versteckt er nicht. Er zeigt der Königin von Saba seinen Palast, und er zeigt ihr den Tempel von Jerusalem, den er für den Gott Israels hat errichten lassen. Die Königin wird Zeuge des Gottesdienstes, der Brandopfer, die die Priester nach alter Ordnung Gott darbringen. Wie das Leben am Hof geordnet ist, so ist auch die Religionsausübung geordnet. Es geht in der Religion eben nicht nur, wie viele meinen, um private Gefühle, um den inneren Ausdruck dessen, was mich zutiefst bewegt. Religion ist eine öffentliche Angelegenheit. Der Gott Israels kommt öffentlich zur Sprache. Es gehört zur Kultur des Volkes, dass von Gott öffentlich geredet wird, dass man seine Lieder singt, dass man bestimmte Formen übt, in denen der Dienst Gottes sich vollzieht. Auch das gibt den Menschen eine Sicherheit. Der öffentliche Gottesdienst kann mir helfen, wenn ich mit mir selber nicht im Reinen bin. Wenn ich nicht mehr weiß, wie ich beten soll, dann helfen mir die Gebete der anderen, die alten Gebete, die in der Gemeinschaft der Menschen gesprochen werden: wieder und immer wieder.

Ein geordneter Gottesdienst ist ein hohes Kulturgut, selbst wenn das heute nur noch die wenigsten wissen. Ein geordneter Gottesdienst entlastet den einzelnen Menschen in seiner Begegnung mit Gott. Das ist wichtig, zu erkennen und wichtig, durchzuhalten in Zeiten von Gottesvergessenheit und Gemeindevergessenheit. Die Königin von Saba zollt den kulturellen Leistungen Salomos und seines Volkes Respekt. „Es blieb ihr der Atem weg“, heißt es im biblischen Text. Und sie lobt den Gott Israels, der dieses Werk in seinem Volk und in seinem König vollbracht hat. Das hört man immer wieder in der Bibel, dass Menschen Gott loben, die eigentlich nichts mit ihm zu tun haben. Ein berühmter Ausleger des Alten Testaments (Martin Noth) meint, das sei reine Höflichkeit gewesen, dass die Königin von Saba nicht nur dem König Israels, sondern auch dem Gott Israels ihren Respekt erweist.

Das mag sein, dass solch ein Lob des gastgebenden Gottes zur Etikette antiker Staatsbesuche gehört. Dennoch bleibt das Lob Gottes aus ihrem Munde bemerkenswert. Durch die Weisheit des Königs, durch das Benehmen bei Hofe und durch die Anschauung der öffentlichen Religionsausübung verbreitet sich der Ruhm Gottes über die Grenzen Israels hinaus. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass Israels Gott nicht auf dieses Volk beschränkt bleibt. Israels Gott reicht bis in den Jemen und bis nach Äthiopien in Länder, von denen man bisher nur vage gehört hat. Er verbreitet sich vom Berg Zion in Jerusalem bis an die Grenzen der bewohnten Welt und bis an die Enden der Erde. „Gott ist König über die ganze Welt“ – so werden es die biblischen Psalmen Israels bald singen. Und auch wenn das Volk selbst klein ist und klein bleibt. Der Gott aus Israel wird Menschen aller Sprachen und aller Länder zusammenführen, bis alle den Namen des Gottes Israels loben.

Es hat ihr den Atem geraubt, was sie gesehen hatte. Die Königin von Saba war hin und hergerissen, überwältigt von dem, was sie in Jerusalem erlebt hatte. Natürlich kann man fragen, ob Salomo ihr auch die Schattenseiten der Stadt gezeigt hat, die Quartiere der Armen, die Höhlen der Leprakranken. Vermutlich nicht. Auf Staatsbesuchen zeigt man eher seine Sonneseiten und versteckt schamhaft, was nicht so in Ordnung ist. Aber wie dem auch sei. Wenn der Anblick unseres Lebens, dessen, wie wir unser Leben gestalten, wie wir miteinander umgehen und einander wertschätzen, wenn das Fremde, die zu uns kommen, dazu bewegt, Gott zu loben, dann wäre das schön. Wenn Menschen, die unseren Dom besuchen wollen, manchmal zu den unmöglichsten Zeiten, wenn sie aus der Kultur dieser Kirche etwas mitnehmen für sich uns ihren Glauben, dann hätte alles, was wir mit unserer Kirche unternehmen, seinen Sinn. Kultur ist nicht Verkündigung des Evangeliums, aber vielleicht kann sie auf die Verkündigung des Evangeliums aufmerksam machen. Mehr jedenfalls als Unkultur und schlechtes Benehmen.

Zu gern wüsste ich, wie es mit der Geschichte der Königin von Saba weitergegangen ist. Wurde sie wirklich, wie manche behaupten, Salomos Geliebte oder sogar eine von Salomos zahlreichen Ehefrauen. Ich weiß es nicht. Viel spricht nicht dafür. Man wird sie bald wieder in ihrem Königreich erwartet haben. Kein Land verträgt es, wenn es zu lange Zeit ohne verlässliche Regierung ist. Und wenn sie nach Hause gekommen ist in den Jemen, oder wo immer ihr Reich gewesen sein mag, was hat sie dorthin mitgebracht außer den Geschenken, die Salomo ihr mitgegeben hatte? Wird sie auch bei sich eine Hofetikette eingeführt haben, bei der jeder Minister und jeder Diener seinen Platz hatte? Wird sie den Respekt vor der Kultur Israels mitgebracht haben und vielleicht junge Landsleute ermutigt haben, nach Israel zu gehen und dort zu lernen und ihre Erfahrungen zu machen? Und vor allem: was wird sie von Israels Glauben und Religion bei sich bewahrt haben? Den Glauben an den Gott, dessen Barmherzigkeit vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang reicht?

Der sich bezeugt im Lallen der Säuglinge und der Unmündigen und im Brausen des Meeres. Ich wüsste es gern – aber hier schweigt die Bibel – wie sooft erzählt sie auch hier Geschichten nicht zu Ende sondern sie überlässt es der Leserin und dem Leser, hier seine oder ihre Schlüsse zu ziehen. Uns jedenfalls bereichern diese Geschichten, auch wenn sie wie diese Geschichte bei uns nur selten erinnert werden und so gut wie nie gepredigt werden. Diese Erzählungen weiten unseren Horizont für die Freundlichkeit Gottes, die über unser Begreifen hinaus bis an das Ende der Welt reicht.

Amen  

Gehalten am 14. Februar 2010 um 10.00 Uhr in der Ev.-ref. Domgemeinde zu Halle – Gemeindehaus Kl. Klausstraße 6 – Sonntag Estomihi


Pfr. Martin Filitz, Halle
Estomihi

Der schlimmste Feind verbirgt sich manchmal in unserem Innern. Gnädiger Gott, wir bitten dich: befrei uns aus seinem Würgegriff. Lass unsere Seele aufatmen unter deinem Zuspruch.
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Die Esther-Erzählung ist eine Bewahrungsgeschichte. Gott liebt sein Volk. Er gibt es nicht auf. Und nur weil Gott seinem Volk Israel treu bleibt, können auch wir Christen auf seine Treue zählen.
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"Die Weisheit beteiligt sich nicht an Hetzkampagnen, wenn eine Bischöfin eine Straftat begangen hat, aber die Weisheit ist stark genug, den Rücktritt zu raten, wenn Bleiben belastend für alle geworden wäre."