Zur Freiheit befreit - verheißungsvolle Kirche

Von ersehnter und verheißener Freiheit - Theologische Impulse auf der Hauptversammlung des Reformierten Bundes in Emden

Videos der Beiträge von Dr. Matthias Freudenberg, Professor in Wuppertal, Dr. Michael Weinrich, Professor in Bochum, und Dr. Ilka Werner, Berufsschulpfarrerin in Neuss

Videos: >>> Referat Matthias Freudenberg   >>> Referat Michael Weinrich    >>> Referat Ilka Werner

Text-Dateien: >>> Freudenberg: Freiheitstheologie.pdf   >>> Weinrich: Freiheit verbindet.pdf   >>> Werner: Freiheit der Kirche.pdf

Im "Schepken Christi" am Diakonenportal der Großen Kirche in Emden leuchtet die Befreiungsgeschichte der Reformierten Norddeutschlands. Die Bürger Emdens nahmen im Frühjahr 1554 175 Flüchtlinge auf, die, begleitet von ihrem Pastor Johannes a Lasco, London verlassen hatten auf der Suche nach einem Ort, wo sie ihren evangelischen Glauben leben konnten. "Gottes Kirche, verfolgt, vertrieben hat Gott hier Trost gegeben" - das in Stein gemeißelte Spruchband fasst die Befreiungsgeschichte reformierter Christen in wenige Worte. Diese Exodusgeschichte rief Kirchenpräsident Jann Schmidt zur Begrüßung der Hauptversammlung des Reformierten Bundes in der Johannes a Lasco ins Gedächtnis und diese Erfahrung von Bewahrung und Befreiung bildete den Hintergrund für das weitere Nachdenken über Reformierte Theologie als Freiheitstheologie.

Wie können evangelische Christen heute als "Kinder Gottes" ihre Freiheit wahrnehmen? Was ist Kirche als "Kirche der Freiheit"? Was hat reformierte Theologie als Freiheitstheologie zu sagen? Den zur Freiheit berufenen Zuhörern gaben Matthias Freudenberg, Professor in Wuppertal, Michael Weinrich, Professor in Bochum und Ilka Werner, Berufsschulpfarrerin in Neuss,  Impulse, die Freiheit eines Christenmenschen zu leben.

Reformatorische, reformierte Theologie als Freiheitstheologie >>> Video Impuls von Matthias Freudenberg
Vom "Großvater" reformierter Theologen - so nannte ein Teilnehmer geradezu liebevoll Martin Luther-, nahm Matthias Freudenberg die Unterscheidung von einem inneren und einem äußeren Menschen und das Verständnis von Freiheit als Geschenk Gottes mit auf den Weg zu einer zeitgenössischen Freiheitstheologie. Zwei Jahre nach Luther predigte Ulrich Zwingli, herausgefordert durch evangelische Glaubensgenossen, die sich während der Fastenzeit die Freiheit nahmen, von verbotener Wurst zu essen, einen "kritischen Umgang mit menschlichen Regeln, Ansprüchen und Autoritäten" und inspirierte, indem er die Autoritätsfrage aufwarf, moderne Ideologiekritik. Johannes Calvin wiederum, so Freudenberg, "insistiert auf der Frage, wie der Mensch seine Freiheit nicht nur genießen, sondern auch zu Gottes Ehre und zum Wohl des Nächsten gebrauchen kann".  Gottes- und Menschenliebe sind nicht von einander zu trennen. Dabei verdankt die Freiheitstradition der Moderne Calvin, der den Begriff Gewissensfreiheit prägte, "entscheidende geistige Impulse".
In der Neuzeit, sprich nach dem Zweiten Weltkrieg, erinnerte Karl Barth an den Grund menschlicher Freiheit: Gottes eigene Freiheit, mit der er den Menschen als seinen Bundespartner erwählt.
Drei Anstöße für eine Freiheitstheologie gab Freudenberg an die versammelten Reformierten weiter: Die Aufgabe, Auskunft zu geben über die christliche Freiheit, zum einen als geschenkte Freiheit, als Befreiung von den gottlosen Mächten, zum anderen aber auch als verpflichtende Freiheit, die Christen dazu anhält, "im Alltag der Welt auf eine Mehr an Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden zu drängen". Drittens erinnere Freiheitstheologie die Gemeinde an ihren Auftrag, Jesu Christi Wort und Werk zu dienen und "die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk" (Barmen VI).

Freiheit verbindet - Von der Befreiung zum Leben >>> Video Impuls von Michael Weinrich
Die Freiheit, die wir ersehnen - nach dem langjährigen Drücken der Schulbank, nach einem Lottogewinn, im Ruhestand, erscheine "vor allem als das Jenseits der von uns wahrgenommenen Gefangenschaften", eröffnete Michael Weinrich seinen Essay über das "Können" als Freiheit unter den "unser Leben jeweils prägenden Bedingungen". Von der Wahlfreiheit, die in ihrer trivialen Form fragt, ob das zu kaufende Auto schwarz oder blau sein sollte, wo es doch auf alle Fälle rot sein müsse, und in anderen Situationen, wenn sich dem Hungernden nicht mehr die Wahl stellt, welches Brot zu kaufen sei, da für überhaupt keins mehr Geld da ist, zeigt, dass "diejenigen die Qual haben, die eben nicht die Wahl haben", führte Weinrich die Hörenden hin zu einer weiteren Freiheit, der "Freiheit zur Selbstverwirklichung". Vom "Höhenflug" des "Werde, der du bist!" zur "eher bescheidenen Landung" des "Nimm dich an, wie Du bist!" warf der Theologe einen kritischen Blick auf das zum Dreifachgebot ausgeweitete Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe, die mit der "Liebe zu sich selbst" am eigenen Zugewinn orientiert sei, wie ebenfalls die Überlegung, welcher Nutzen aus der eigenen Frömmigkeit zu ziehen sei.
Als programmatische Formel für eine "Freiheit der Beziehung" formulierte Weinrich "Sei, der du bist!". an diesem Ruf erhebe sich die Frage "wer sind wir eigentlich?" Der christliche Glaube an einen Gott mit dem schönen Namen Immanuel "Ich will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein", zeige dem Menschen, wozu er geschaffen sei, zeige den Bund als den Raum, in dem wir sind: "Wir sind nicht für uns, wir sind mit den anderen und mit Gott." Die von Gott geschenkte Freiheit eröffnet "ein Leben, in dem die Aktionen, auf die es ankommt, Interaktionen sind".

Von der Freiheit der Kirche im Reformprozess >>> Video Impuls von Ilka Werner
Unter dem Eindruck der "Reformflut", die derzeit in der Rheinischen Kirche vollzogen werden soll, ausgelöst durch Mitgliederschwund im demographischen Wandel und einer schwindenden Finanzkraft der Kirche, fragte Ilka Werner kritisch nach der Freiheit der Kirche, konkreter nach Freiheit und Bewahrung der presbyterial-synodalen Ordnung unter den (vermeintlichen) Sachzwängen einer Mediengesellschaft. Die Außenwirkung der Kirche als Orientierungspunkt kirchlicher Arbeit habe den Effekt, Veranstaltungen aufzublähen, beobachtet Werner, während "die Erfahrung der Freiheit in der Kirche schwindet". "Und nun?"  - Die Frage am Ende von Werners Blick auf einen Prozess, den viele, die ihre Kirche lieben, als bedrückend empfinden, brannte auch in den Herzen der Hörenden in der Johannes a Lasco Bibliothek. Als Wegweisung gab Ilka Werner den versammelten "Kirchenleuten" ein Wort von Rudolf Bohren aus dem Jahr 1969 mit auf den Weg:
"Die Kirche geht nicht zugrunde an Kritik von innen und außen; sondern am Hochmut von uns Professoren, an der heimlichen Herrschsucht der Kirchenleitung und an der Verzagtheit und Feigheit der Synodalen."

Jenseits der menschlichen Mühen und jenseits der Fragen, was wir als Reformierte denn nun tun können, bleiben Hoffnung und betender Ruf der Kinder Gottes. Mit den Worten von Michael Weinrich:
"Die Tatsache, dass so wenige Berge versetzt werden, führt erschreckend vor Augen, wie wenig wir die uns von Gott eröffnete Freiheit tatsächlich wahrnehmen - Gott helfe uns!"

Text-Dateien:
>>> Freudenberg: Freiheitstheologie.pdf 
>>> Weinrich: Freiheit verbindet.pdf 
>>> Werner: Freiheit der Kirche.pdf


Barbara Schenck, 30. September 2011; Videos: Klaus Vogler

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iba/theo-hannover

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