Jubiläum „175 Jahre Kirchenkreis Jülich“ 2012

Konzerte, Vorträge, Ausstellung

Der Kirchenkreis Jülich feiert sein 175jähriges Bestehen. In Düren und Jülich, in Eschweiler und Hückelhoven fanden und finden Veranstaltungen statt, in denen sich die Vielfalt gemeindlichen und kreiskirchlichen Lebens abbildet.

Nicht zu vergessen die Wanderausstellung, die in den kommenden Monaten den Gemeinden und Arbeitsbereichen des Kirchenkreises zur Verfügung steht. Nicht zu vergessen aber auch die Exkursion zu Hofkirchen im Kirchenkreis und im niederländischen Sittard, mit der – wie berichtet -  Anfang Oktober die Jubiläumsfeierlichkeiten begonnen hatten.

Jubiläumskonzert am 28.Oktober: 175 Jahre Musikgeschichte wurden lebendig 

Sängerinnen und Sänger, Bläserinnen und Bläser aus verschiedenen Kirchengemeinden waren nach Düren in die Christuskirche gekommen, um 175 Jahre Musikgeschichte lebendig werden zu lassen. Ein breites Spektrum musikalischen Schaffens wurde einem begeisterten Publikum zu Gehör gebracht. Ob es die vereinigten Chöre aus dem Kirchenkreis unter Leitung von Stefan Iseke waren, Kinder- und Jugendchöre unter der Leitung von Andrea Eich, Gospelchöre unter Leitung von Gerhard Behrens, der Kinder- und Jugendchor der Christuskirche Düren unter Leitung von Stefan Iseke, die Chorgemeinschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Übach-Palenberg unter der Leitung von Regine Rüland, der Evangelische Kirchenchor Schwanenberg unter Leitung von Su-In Chen-Haurenherm, der Dürener Kinder- und Jugendchor „Joyful Voices“ unter Leitung von Andrea Eich, der Chor der Evangelischen Gemeinde Jülich und die Dürener Kantorei unter der Leitung von Stefan Iseke oder die Posaunenchöre unter der Leitung von Christa Stenzel – sie alle vermittelten eine unbändige Freude an der Musik. Und das Publikum durfte an einigen Stellen des Programms die eigene Musikalität durch kräftiges Mitsingen unter Beweis stellen.

Insgesamt: Ein unvergesslicher Nachmittag in der Dürener Christuskirche. Und der Kirchenkreis Jülich darf sich glücklich schätzen, in Stefan Iseke einen Kreiskantor zu haben, der nicht nur fachlich überzeugt, sondern zudem in der Lage ist, Menschen für das Singen und Musizieren zu begeistern – wie am 28. Oktober überzeugend zu hören war.

Im Anschluss an das Konzert waren Mitwirkende und Gäste zu einem Beisammensein in das „Haus der Evangelischen Gemeinde“ eingeladen. Hier eröffnete Superintendent Pfarrer Jens Sannig die Jubiläumsausstellung, die von zwei Arbeitsgruppen in den vergangenen anderthalb Jahren erarbeitet worden war.

Festgottesdienst und Empfang am 31. Oktober: Zur Freiheit hat uns Christus befreit 

 Pfarrer Samuel Amedro (EEAM)

Das Pädagogische Zentrum des Gymnasiums Zitadelle in Jülich war gesteckt voll, als der Superintendent die Anwesenden zum Festgottesdienst begrüßte.

Ehrengäste aus der evangelischen Kirche (Oberkirchenrat Klaus Eberl für die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, eine Reihe von Pfarrern im Ruhestand aus dem Kirchenkreis, die Witwe des ehemaligen Jülicher Superintendenten und späteren Präses der EKiR Peter Beier, Rosemarie Beier, sowie der Leiter des landeskirchlichen Archivs, Dr. Stefan Flesch), aus der katholischen Kirche (Ökumenebeauftragter des Bistums Aachen, Dr. Herbert Hammans; die Regionaldekane Gottfried M. Graaff und Hans-Otto von Danwitz), aus der Kommunalpolitik (u.a. die Bürgermeister Heinrich Stommel aus Jülich, Peter Jansen aus Erkelenz, Wolfgang Jungnitsch aus Übach-Palenberg, Thomas Fiedler aus Geilenkirchen) sowie aus der Bundespolitik in Gestalt des Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Rachel waren der Einladung des Kirchenkreises gefolgt.

Besonders begrüßte Superintendent Sannig die Delegation aus der marokkanischen Partnerkirche, der Eglise Evangelique au Maroc (EEAM): Präsident Pfarrer Samuel Amedro, Heide Nectoux und Geschäftsführer Diachari Poudiougo.

Der lebendige Gottesdienst wurde musikalisch gestaltet vom Posaunenchor der Evangelischen Gemeinde Jülich mit Verstärkung durch Bläser aus dem Kirchenkreis und der Gemeindeband der Evangelische Kirchengemeinde Weisweiler-Dürwiß.

In seiner Festpredigt legte der Superintendent den Text aus dem 5. Kapitel des Galaterbriefes aus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“. Er machte deutlich, dass Christenmenschen befreit sind von einem Leben in Abhängigkeit, befreit aber auch zu einem Leben, das Verantwortung für andere und mit anderen übernimmt, Verantwortung für und mit Menschen, die Hilfe brauchen, die ausgegrenzt werden, die beispielsweise ihr Leben und ihre Existenz nur durch die Flucht aus ihrer Heimat retten können.

„Christen schweigen darum nicht mehr länger zu sozialem Kahlschlag, sozialer Ungerechtigkeit und der immer weiter beängstigenden Kluft zwischen Arme und Reich in unserem Land.

Christen sind frei, offen auf das Schicksal von Flüchtlingen hinzuweisen.

Christen werden nicht eins mit einer Welt, die hinnimmt das  Sterben  auf dem Mittelmeer, die Kindersklaven in den Kakaoplantagen, die geschundenen Näherinnen in den Textilfabriken, die  ausgemergelten Böden durch Klimawandel, Flucht und Vertreibung, durch Kriege um Rohstoffe.

Denn auch das ist eine Erkenntnis der Reformation:

Als Antwort auf die Liebe, die Gott uns Menschen in seiner Gnade entgegenbringt, erwächst unsere Liebe zu Gott und Jedermann und Jederfrau.“

So die deutlichen Worte des Festpredigers.

Im Anschluss an den Festgottesdienst bot der offizielle Empfang zum Jubiläum Gelegenheit zu Grußworten. Kirchenpräsident Pfarrer Samuel Amedro, Oberkirchenrat Klaus Eberl, Regionaldekan Hans-Otto von Danwitz, Bürgermeister Heinrich Stommel, Bürgermeister Wolfgang Jungnitsch und Bundestagsabgeordneter Thomas Rachel überbrachten Grüße und gute Wünsche für die Zukunft des Kirchenkreises. Aus allen diesen Grußworten sprach eine enge Verbundenheit mit den Anliegen und Projekten des Kirchenkreises Jülich.

Dass die Kollekte im Gottesdienst für die Flüchtlingsarbeit der EEAM gut 1300 EURO erbrachte, war ein zusätzlicher Grund zur Freude an diesem Abend.

Gospelkonzert „Gloria“ am 3. November: Eingeladen in das Haus Gottes 

Eine gut besuchte Kirche, eine einladende bauliche Atmosphäre, erwartungsvolle Zuhörerinnen und Zuhörer –  beste Voraussetzungen für ein Gospelkonzert.

In der evangelischen Dreieinigkeitskirche Eschweiler konnte Superintendent Sannig ein zahlreich erschienenes Publikum begrüßen. Er machte deutlich, dass nach dem Jubiläumskonzert in Düren und dem Festgottesdienst mit Empfang in Jülich jetzt die Jubiläumsfeiern des Kirchenkreises an einem dritten Ort ihre Fortsetzung fänden. Er warb zugleich um Spenden nach dem Konzert für die Flüchtlingsarbeit der Eglise Evangelique au Maroc.

Unter der Leitung von Martin Fauck führte der Gospelchor „rejoi sing“ aus Eschweiler das Werk „Gloria“ auf. Überleitende Texte sprach Pfarrer Robin Banerjee aus Schwanenberg.

Geschrieben wurde „Gloria“ von Tore W. Aas, dem Leiter des bekannten Oslo Gospel Choir, und mit Texten von Hans-Olav Mørk wurde das „Gloria“ vom Oslo Gospel Choir zum Jahreswechsel 1995/96 eingespielt.

Die Musik vereinigt Gospelmusik und klassische Musik, durchwoben von Melodien und Elementen traditioneller skandinavischer Musik. Daraus entsteht eine ungemein dichte, teilweise mystische Atmosphäre, die immer wieder durchbrochen wird von leichteren, fröhlicheren Themen.

Der Aufbau folgt mit Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Vater Unser, Agnus Dei und dem Segen der traditionellen über Jahrhunderte überlieferten Form der Messe und setzt damit den passenden Rahmen für den Inhalt: Gottesdienst als Ort der Begegnung mit Gott. Im Mittelpunkt steht Jesus Christus als Mittler zwischen Gott und den Menschen, in ihm sind Himmel und Erde, in ihm werden Gott und Mensch eins. Die Texte spiegeln Szenen aus dem Leben Jesu wieder, mit einem Schwerpunkt in der Passionsgeschichte. Das Original mischt die lateinische und die norwegische Sprache mit einzelnen englischen Passagen.

Am Ende eines beeindruckenden und bewegenden Konzertes wurden die Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker mit stehendem Applaus bedacht, so dass sie die Kirche nicht ohne eine Zugabe verlassen konnten.

Vortrag Günter Brakelmann am 5. November: Auf dem Weg nach Barmen

 Prof. Dr. Günter Brakelmann

Im Jülicher Dietrich-Bonhoeffer-Haus trug Professor Dr. Günter Brakelmann aus Bochum seine Forschungsergebnisse zur Vorgeschichte und Geschichte der „Barmer Theologischen Erklärung“ vor. Dazu konnte die Leiterin der Evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Jülich, Elke Bennetreu, ein gut gefülltes Auditorium begrüßen.

Brakelmann machte deutlich, dass das Bekenntnis von Barmen eine innerkirchliche Auseinandersetzung widerspiegelt, keinesfalls aber ein politisches Engagement enthält. Die Bekennende Kirche (BK), eine Minderheit unter den evangelischen Christinnen und Christen, habe im wesentlichen gegen die Deutschen Christen (DC) gekämpft, und sie habe sich eingesetzt für innerkirchliche Belange wie die Freiheit der Verkündigung und der Lehre. Nicht im Blick gewesen sei die Freiheit politisch Andersdenkender  oder die Freiheit der jüdischen Mitmenschen.

Die meisten Protestanten hätten in Hitler und seiner Ideologie „die nationale und sittliche Erneuerung“ begrüßt. Die Mehrheit der evangelischen Christinnen und Christen sei antiaufklärerisch, antisemitisch, antirepublikanisch und antimodernistisch eingestellt gewesen, was ihre unkritische Haltung gegenüber dem NS-Regime erkläre.

Politischer Widerstand sei eine Sache vor allem von „Laien“ gewesen, nicht aber von Theologen und kirchlichen Amtsträgern.

Brakelmann rundet seine kritische Sichtung von „Barmen“ ab mit dem Hinweis, dass z. B. die Evangelische Kirche im Rheinland nach 1945 in restaurativer Tendenz die Kirchenordnung von 1922 wiederbelebt habe.

Eine lebhafte Gesprächsrunde beendete einen Abend, der für viele überraschend neue Erkenntnisse über die Zeit des NS-Regimes und der kirchlichen Haltung in den Jahren nach 1933 gebracht hatte.            

Ausstellung zum Kirchenkreisjubiläum „Der Wahrheit …“

Anlässlich von Jubiläumskonzert in Düren sowie Festgottesdienst und Empfang in Jülich ist sie der Öffentlichkeit bereits vorgestellt worden. Jetzt beginnt sie ihren Weg durch die Gemeinden und Arbeitsbereiche des Kirchenkreises: Die Jubiläumsausstellung.

Zwei Arbeitsgruppen haben in enger Zusammenarbeit mit der Wassenberger Diplom-Designerin Melanie Schmerling die 15 Rollups erarbeitet. Sie bieten u.a. einen Überblick über die Geschichte des  Kirchenkreises, über die Zeit zwischen 1933 und 1945, über das Engagement des Kirchenkreises im Konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, aber auch über die Partnerschaft mit der Eglise Evangelique au Maroc.

Die Ausstellung konzentriert sich bewusst auf die Gegenüberstellung der Zeit im Dritten Reich und der Gegenwart unter der Fragestellung: Wie hat sich Kirche während der Zeit des NS-Regimes gegenüber einer menschenverachtenden Ideologie verhalten? Wie hat sich Kirche heute zu verhalten gegenüber einer Globalisierung, die ungezählte Menschen an den Rand drängt? Gegenüber einer Ideologie, die den „Markt“ und seine Gesetze in fast schon religiöser Weise überhöht? Erinnert sei nur an die Worte einer Politikerin, die davon sprach, man müsse eine marktkonforme Politik gestalten.    

Der Kirchenkreis Jülich hat sich in den vergangenen 25 Jahren bemüht, theologisch begründete und politisch wirksame Zeichen zu setzen. Das soll in der Ausstellung deutlich werden.

Wann und wo die Ausstellung zu sehen sein wird, das ist Gemeindebriefen, Aushängen oder auch der Tagespresse zu entnehmen. Außerdem werden wir auf unserer Homepage die Termine bekannt geben.

Musikalische Lesung am 23. November: „Peter Beier – Jenseits der Glut“

Okko Herlyn und Team werden am Freitag, dem 23. November 2012 um 19.00 Uhr im Evangelischen Gemeindezentrum Hückelhoven, Haagstraße eine musikalische Lesung mit Texten von Peter Beier halten. 

Peter Beier war eine der profiliertesten Persönlichkeiten des rheinischen Protestantismus im 20. Jahrhundert. Er trat für ein Christentum ein, das weniger religiösen Dogmen verhaftet ist, sondern sich den Problemen der Zeit öffnen sollte. In einer Reihe von Zeitfragen positionierte er sich, wie beispielsweise in der Frage einer weiteren Raketennachrüstung Anfang der 1980er Jahre. Peter Beier polarisierte, zeigte Wahrhaftigkeit und Konsequenz, lebte das Erkannte. Er wurde weit über das Rheinland hinaus bekannt.

In der Essenz kann man festhalten: Seine Predigten und Bibelarbeiten zeichneten sich durch engagierten Gesellschaftsbezug, theologischen Gehalt, sprachliche Brillanz, einprägsame Bilder, pointierte Formulierungen und vielfache Erfahrungsbezüge aus.

Peter Beier war von 1963 bis 1989 Pfarrer der Ev. Gemeinde zu Düren, von 1972 bis 1989 Superintendent des Kirchenkreises Jülich und von 1989 bis zu seinem plötzlichen Tod 1996 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. In seinen Texten wird die zeitlose Gültigkeit seiner Aussagen deutlich. 


©Foto und Text: Johannes de Kleine, November 2012