Lerngelegenheiten werden nicht ausgeschöpft

Bernd Schröder kritisiert reformierte Reserviertheit gegenüber der erfahrungsbezogenen didaktischen Arbeit

Der Göttinger Theologieprofessor und Religionspädagoge macht auf Defizite im Umgang mit dem Heidelberger Katechismus aufmerksam und zeichnet eine Perspektive, wie die Einsichten des Heidelbergers zukünftig an Jugendliche weitergegeben werden können.

Im Rahmen der 9. Tagung zur Geschichte des reformierten Protestantismus von 17. bis 19. März in Emden hielt Professor Dr. Bernd Schröder einen Vortrag zum Thema "Der Heidelberger Katechismus - religionspädagogisch gelesen". Er ging dabei mit dem reformierten Protestantismus und seiner nicht aufgearbeiteten Bildungsgeschichte hart ins Gericht. Schröder schilderte seine Beobachtung, „dass auch der reformierte Protestantismus im gegenwärtigen Deutschland kaum an Bildungsfragen interessiert zu sein scheint“. Dies stehe im Widerspruch zum reformierten Streben „nach mündiger Partizipation, fundierter Bibelkenntnis und theologischer Urteilsfähigkeit“. Unterricht, Erziehung und Bildung kämen in der reformierten Tradition aber „nur als Instrumente für die Multiplikation theologischer Inhalte in den Blick, nicht als kommunikative, gestaltungsbedürftige, vom Adressaten her zu entwerfende Prozesse sui generis“. Den Grund dafür sieht Schröder darin, dass es in der reformierten Theologie weitgehend verpönt sei, von den Erfahrungen und Fragen der Menschen her zu denken.

Seiner ernüchternden Analyse stellte Schröder aber entgegen, dass der Heidelberger Katechismus durchaus religionspädagogisches Potential habe. Schon seit über hundert Jahren würde mit dem Heidelberger Katechismus immer wieder „abgerechnet“, in dem seine „leblose Dogmatik“ (Vorwort der Ausgabe von 1905), der erhebliche Umfang und seine unnütz beschwerliche Sprache beklagt würden. Das hält Schröder für kurzsichtig und ermutigt dazu, moderne pädagogische Zugänge zu nutzen. Das Lernverständnis habe sich seit der Reformation revolutioniert: „Lernen meint nicht mehr: Reproduzieren, Abbilden, Nachvollziehen vorab feststehender Inhalte. Lernen meint vielmehr: Sich aktiv auseinandersetzen, etwas in das eigene Koordinatensystem des Denkens zu integrieren“.

Die Menschen seien heute vielen lebensweltlichen Veränderungen ausgesetzt, suchten aber nicht mehr nach grundsätzlichen und unveränderlichen Wahrheiten, sondern auf Antworten, die zu einer jeweiligen Situation passen würden. Daher sei es nötig, den Heidelberger Katechismus „kommunikativ zu verflüssigen“, wie Schröder sagt. Und weiter: „Die theologische und didaktische Aufgabe lautet: neue Worte finden, fortschreiben, transformieren!“

Prof. Dr. Bernd Schröder, Jhrg. 1965, Studium der Ev. Theologie und der Judaistik in Münster, Heidelberg, Jerusalem und Berlin, Promotion in Judaistik 1994, Habilitation in praktischer Theologie 1999, 2001-2011 Professor für Religionspädagogik an der Universität des Saarlandes, seit 2011 Professor für Praktische Theologie mit Schwerpunkt Religions­pädagogik an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen

Ende des Jahres 2013 wird im Neukirchener Verlag die Dokumentation der Tagung veröffentlicht:

Geschichte und Wirkung des Heidelberger Katechismus. Vortäge der 9. Internationalen Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Protestantismus, hg. v. Matthias Freudenberg/J. Marius J. Lange van Ravenswaay, Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus 15, Neukirchen-Vluyn 2013


Georg Rieger
9. Emder Tagung widmete sich der Geschichte und Wirkung des Heidelberger Katechismus

Referenten von internationalem Rang beleuchteten den Katechismus aus ganz unterschiedlichen Perspektiven: schweizerische Einflüsse, ökumenische Absichten und Wirkungen, Brückenfunktion zu den Pfingstgemeinden und den religiösen Bildungsauftrag. Auch wurde der J.-F.-G.-Goeters-Preis verliehen und die Rheinische Kirche gab einen Empfang.