Was sagt der Heidelberger Katechismus zum Gericht Gottes?

Reformiertes Gemeindeforum mit Prof. Dr. Georg Plasger

Gibt es einen doppelten Ausgang der Geschichte? Kommen die einen in die Hölle und andere in den Himmel? Eine Frage, mit der sich schon Martin Luther herumquälte. Wie bekomme ich einen gnädigen Gott, fragte er sich. Heute werde die Meinung vertreten, so Georg Plasger, Professor für evangelische Theologie an der Universität Siegen, dass die Menschen so nicht mehr fragten. Sie würden höchstens fragen, ob es Gott gäbe oder nicht.

Wie der Heidelberger Katechismus mit dieser Fragestellung umgeht, erfuhren etliche Gemeindeglieder aus den Kirchenkreisen Siegen und Wittgenstein am vergangenen Donnerstag, 18. April, im Evangelischen Gemeindehaus Hilchenbach. Eingeladen zu der Vortragsveranstaltung hatte das Reformierte Gemeindeforum Südwestfalen in Kooperation mit dem Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe.

Nach einer Andacht von Pfarrer Rüdiger Schnurr, der seine Erlebnisse als Konfirmand mit der Frage 1 des Heidelberger Katechismus in der Niederschelder Kirche schilderte, stellte sich der Siegener Universitätsprofessor einem Thema, das heutzutage eher selten in Predigten und Reflexionen aufgegriffen wird. Wie ist das mit Himmel und Hölle, mit dem Gericht Gottes oder vielleicht doch einer Versöhnung aller Menschen, also einer Allversöhnung?
Zunächst ging Plasger auf die alles bestimmende Frage des Evangelischen Bekenntnisbuches ein: „Was tröstet dich?“ Der Katechismus, zur Zeit der Reformation entstanden, in der die Menschen das Ende der Welt erwarteten, sieht in dem Kommen des Richters ein tröstendes Ereignis. Dann, so die Auffassung vieler damals, wird es besser sein als jetzt. Trübsal und Verfolgung erlebten die Menschen immer wieder. Aber auch die theologische Erkenntnis, dass der Mensch in seiner Entfremdung von Gott und sich selbst im Elend lebt, bestimmte das Denken über eine noch nicht erlöste Welt in ihren Ausprägungen mit Armut, Hunger oder Gewalt. Plasger: „Christen sehnen deshalb das Kommen des Reiches Gottes herbei, weil sie wissen, dass es dort besser ist als hier.“ Das Gericht wird im Katechismus daher nicht gefürchtet, sondern als Trost verstanden.

Der Richter wird ebenfalls nicht gefürchtet. Er wird verstanden als der „an unserer Stelle Gerichtete“, so Karl Barth.
Der Heidelberger Katechismus erzählt die große Geschichte Gottes mit den Menschen. Zu dieser Geschichte gehört, wie es die Antwort auf die Frage 60 formuliert: „Gott aber schenkt mir ganz ohne mein Verdienst aus lauter Gnade die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi. Er rechnet sie mir an, als hätte ich nie eine Sünde begangen noch gehabt und selbst den ganzen Gehorsam vollbracht, den Christus für mich geleistet hat, wenn ich allein diese Wohltat mit gläubigem Herzen annehme“.
Der Theologieprofessor: „Wir sind gerecht gemacht worden – durch den, der für uns am Kreuz gestorben ist.“ Für den Katechismus ist das Gericht für die Christen bereits erledigt, es kommt nicht mehr: Das Kreuz ist Wirklichkeit für sie.

Auf die Frage, ob denn alle Menschen durch Christus gerettet werden, antwortet der Katechismus in Antwort 20 unmissverständlich: „Nein, sondern nur diejenigen, die durch wahren Glauben seinem Leib als Glieder eingefügt werden und alle seine Wohltaten annehmen.“ Das Bekenntnisbuch zeigt ein deutliches Bild: Die einen, die Glaubenden, werden gerettet werden und die anderen, die eben nicht glauben, verdammt werden. Hier wird die klassische Rede vom doppelten Ausgang des Gerichts deutlich. An anderer Stelle (Abschnitt 12-18) zeichnet er andere Züge. Dennoch, so Plasger, ist der Heidelberger Katechismus eindeutiger als die Bibel selbst. Die lässt sowohl im Alten Testament als auch im Neuen Testament viele Fragen offen. Es gibt ebenso für Gericht und Hölle Bibelverse und Argumente wie auch für die Allversöhnung. Plasger: „Allversöhnung, Rettung allein durch Glauben, Rettung aufgrund des Lebenswandels – irgendwie finden sich indirekt alle drei Vorstellungen im Katechismus, auch wenn er sich lehrmäßig deutlich der zweiten Möglichkeit zuwendet.“ 

Wer auf die Zukunft Gottes vertraue, so Plasger, sei kein Duckmäuser, der sich in dieser Welt verkriechen müsse. Der Katechismus formuliert, dass wir der Wiederkunft Jesu Christi „mit erhobenem Haupt“ entgegensehen können. Das erhobene Haupt sei als Hinweis auf den aufrechten Gang der Christenmenschen zu verstehen, die sich in einer aktiven Verantwortung für die Weltgestaltung engagierten – mit einer Vorfreude auf das Kommende. Plasger: „Der wiederkommende Christus ist der Grund der Vorfreude, der auch in diesem Leben Kraft gibt und keineswegs vertröstend gemeint ist.“

450 Jahre Heidelberger Katechismus

Mit dem Vortrag verbunden war die Eröffnung einer Ausstellung zum Heidelberger Katechismus, der vor 450 Jahren verfasst wurde. Es ist die reformierte Bekenntnisschrift, die in 129 Fragen und Antworten die Grundzüge des christlichen Glaubens beschreibt. Zu dem Verfassergremium werden der reformierte Theologe und Reformator Zacharias Ursinus sowie der Jurist und Theologe Caspar Olevianus gezählt. Letzterer wurde 1577 Lehrer am Hofe des Grafen Ludwig von Sayn-Wittgenstein in Berleburg und 1584 Gründer und erster Rektor der Hohen Schule in Herborn.

Pfr. i. R. Wilhelm Hofius führte in einem kurzen Referat in die Ausstellung ein. Mit der Wanderausstellung wird die Bedeutung des Katechismus als eine evangelische Grundschrift neu erinnert. Hofius: „Dies ist auch nötig, ist er doch aus dem Kirchlichen Unterricht und dem Gottesdienst fast ganz verschwunden.“ Dies geschehe völlig zu Unrecht, meinte der Theologe. Auch heute hätten die Fragen und Antworten dieses Lehrbuches Wichtiges zu sagen. Beispielsweise, worauf es in der Heiligen Schrift, im christlichen Glauben, im Leben vor Gott, in der Kirche und im Umgang mit den Mitmenschen wirklich ankomme. Hofius: „Im Gewirr der Stimmen und Meinungen will der Katechismus Orientierung geben und zum mündigen Christsein befähigen, so dass wir in der Lage sind, unseren Glauben auch öffentlich zu bekennen.“

Hofius führte aus, dass der Katechismus keiner theologischen Lehrautorität und keiner konfessionellen Richtung verpflichtet sei. Mit der ersten Frage nach dem einzigen Trost trete das Eine und Ganze des Christseins in den Blick und werde danach in 128 weiteren Fragen und Antworten entfaltet.


Foto und Text: Karlfried Petri, Öffentlichkeitsreferent Kirchenkreis Siegen, April 2013