Ein Gebet für Gerechtigkeit und Frieden

von Setri Nyomi

„Wer das Leben liebhaben und gute Tage sehen will, der hüte fortan seine Zunge vor dem Bösen und seine Lippen davor, dass sie Trug reden! Er meide aber das Böse und tue das Gute, er suche Frieden und jage ihm nach! Denn die Augen des Herrn achten auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Gebet”. (1. Pet. 3: 10 – 12)

„ Es ist dir gesagt, o Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Recht üben und die Güte lieben und demütig wandeln vor deinem Gott“. (Micha 6: 8)

Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen schliesst sich den Kirchen in aller Welt zum gemeinsamen Gebet mit den Worten an: „Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden”. Unter dieses Thema hat der Ökumenische Rat der Kirchen seine im Oktober/November in Busan, Korea stattfindende Vollversammlung gestellt. Das Gebet der WGRK und unserer Mitgliedskirchen (von denen viele zugleich Mitglied des ÖRK sind) entspricht in den auf uns zukommenden Monaten dem Geist dieser Anrufung Gottes.   

Wenn wir so beten, anerkennen wir Gott als Gott des Lebens, dem wir uns anvertrauen, vor allem zu Zeiten, wo Millionen von Menschen in aller Welt mit grossem Leid, Aufruhr, Konflikt, Zerstörung und Tod konfrontiert sind.  Angesichts derartiger Tatsachen rufen wir zu Gott und trachten nach einer  Fülle des Lebens, die durch Gerechtigkeit und Frieden geprägt ist. Dieses Gebet bringt unser innerstes Anliegen zum Ausdruck – im vollen Vertrauen, dass der Gott alles Lebens uns tatsächlich der Gerechtigkeit und dem Frieden näher bringt, nach denen wir uns sehnen und trachten.

In dieser Meditiation möchte ich Eure Aufmerksamkeit auf zwei zunächst für den Gesamtkontext der Bitte unscheinbare Worte lenken. Es sind dies die Worte „weise uns”.  Das Gebet richtet also nicht einfach eine Bitte an Gott, uns Gerechtigkeit und Frieden zu schenken oder Gerechtigkeit und Frieden zu ermöglichen. Vielmehr bitten diejenigen, die dieses Gebet sprechen, darum, Gottes Agenten zu sein – um auf den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden gewiesen zu werden. Bisweilen frage ich mich, ob sich diejenigen, die sich diesem Gebet anschliessen, bewusst sind, dass sie sich auf etwas „Gefährliches” einlassen, denn sie erklären sich ja im Grunde dazu bereit, sich selbst aufzugeben, damit Gott sich ihrer bedient in der Suche nach Frieden und Gerechtigkeit. Die Frage läuft also darauf hinaus, ob wir willens und bereit sind, Gottes Instrumente für Gerechtigkeit und Frieden zu sein.

Angesichts der Vielzahl  todbringender Mächte, die zu Unrecht und Aufruhr beitragen und die nicht ohne weiteres verschwinden, weil Gott uns den Weg zur Gerechtigkeit und zum Frieden weist, müssen wir uns bewusst sein, dass der Weg in Richtung auf dieses Ziel kein beschwerloser Spaziergang sein wird. Wenn wir zu Agenten von Gerechtigkeit und Frieden werden, wird uns das in ein Umfeld von Gerechtigkeit führen, in welchem Frauen und Männer als gleiche Partner zusammenleben und ihre gottgegebenen Gaben in einer Weise verwirklichen, die jede Form von Unterdrückung ausschliesst. Dann lassen wir uns auf einen Weg ein, auf dem Menschen aller Rassen, Kasten, Glaubens- und Meinungsformen voll am Leben ihrer Gemeinschaften teilnehmen können, ohne Furcht vor Vorurteilen. Dann entsteht eine Realität, in der militärische, wirtschaftliche und politische Macht keine Konstellation bilden, die zu Leid, Not und Verarmung von hunderten Millionen Menschen führt, während eine Minderheit die Ressourcen von Gottes Schöpfung kontrolliert und vergeudet. Doch diese Wirklichkeit dürfte sich nicht problemlos einstellen, und die, die darum bitten, Gottes aktive Vorkämpfer für Frieden und Gerechtigkeit zu sein, tun gut, auf die Konfrontation mit diesen Mächten gefasst zu sein.

Doch die frohe Botschaft besteht darin, dass Gott als Gott des Lebens die Macht hat, uns auf den Weg der Gerechtigkeit und des Friedens zu weisen. Uns, die wir diese Bitte aussprechen,  ist aufgetragen, uns bewusst Gottes Händen zu übergeben und gewillt zu sein, von Gott in Dienst genommen zu werden. An uns kann Gott erweisen, wie und in welchem Rythmus Gottes Gerechtigkeit und Frieden zu einer Realität in unserer Welt werden.   

Die beiden zitierten Bibelstellen besagen, dass die Suche nach Frieden und das Jagen nach Frieden wesentliche Verpflichtungen sind, wenn wir wirklich das Leben lieben und gute Tage sehen wollen.  Wenn wir uns wahrhaftig fragen, was der Herr von uns fordert, dann wird uns bewusst, wie wesentlich das Engagement für Gerechtigkeit ist. Indem wir uns im Gebet nach dem Gott des Lebens ausstrecken, und ihn bitten, uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden zu weisen, tun wir genau das, wozu wir berufen sind.  Und wir sind Gott umso treuer, wenn wir im Gebet Gott zugleich unsere Bereitschaft bekunden, seine Akteure für Frieden und Gerechtkeit zu sein.   

Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden.

 


July 2013