Predigthilfe Pflanze

Vom Veilchen, das zum Himmel weist, und von der durchwachsenen Silphie, die Bienen nährt. Die Mittwochs-Kolumne von Barbara Schenck


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"Ein Olivenbaum gehört ins Pfarrhaus!", meine Freundin reicht mir ein dreißig Zentimeter hohes Pflänzchen. Heimlich zweifelte ich, ob die Olive das norddeutsche Wohnungsklima ertrüge.

Sie tat es und schoss in die Höhe. Brav topfte ich die Pflanze um. Mittlerweile ist ist die Zwei-Meter-Marke ereicht. In der neuen Erde steckte ein Veilchensame. Jetzt gedeihen das echte Ölbäumchen und das krautige Veilchen friedlich beisammen. Dieses Pflanzenpaar hat's in sich: Es ist die ideale Erinnerungsstütze für dogmatische Lehrsätze, wie Pflanzenpredigten aus dem 17. Jahrhundert verkünden.

Das Veilchen galt als ein "schönes Bild des Herrn Christi": Das Purpur der Blüte bedeute Christi menschliche Natur und sein Leiden, die goldene Farbe in der Mitte der Blüte weise auf seine göttliche Natur, schrieb Wilhelm Sacerius. Für den thüringischen Pfarrer Martin Petzold war der blaue Farbton der Blüte ein Bild des Himmels. So oft der Mensch ein Veilchen ansehe, solle er Herz und Augen zum Himmel erheben. Der Kern einer Olive wiederum sei wie der "rechtschaffene Glaube des wahren Christen", eingehüllt in das Fleisch des Wortes, damit er von allen Seiten gut umhüllt sei, heißt es in dem "Ölbäumlein Gottes" von Moritz Neudorf. Mein Olivenbäumchen trägt weder eine Frucht, noch eine Blüte. Schade, der süße Blütenduft einer Olea europea erinnere nämlich an den Wohlgeruch, den Christus hervorruft, und der den Gestank unserer Sünden mildert, predigte Moritz Neudorf. Der war übrigens ein Reformierter. Das sei am Rande bemerkt als Rechtfertigung für diese Kolumne. Natur-Themen sind nicht gefragt auf reformiert-info. Im 16./17. Jahrhundert waren sie anscheinend auch nicht beliebt unter Reformierten. Neudorf ist der einzige nicht-lutherische Verfasser von Pflanzenpredigten, wie Maria Marten herausfand.
Dennoch: die Pflanzen-Prediger beeindrucken mich mit ihrer Leidenschaft für naturwissenschaftliche Forschung. Statt Bibel und Zeitung hieß es Bibel und Kräuterbuch. Kenntnisse in Botanik taten not. Wer kann in Nordeuropa schon aus Erfahrung wissen, wie die Blüten einer Olea duften?

Müsste ich diese Woche zum Schöpfungstag predigen, wäre die durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum L.) meine Predigthilfe. Die gelb blühende Pflanze ist ein Futtermittel, eignet sich aber auch zur Energiegewinnung in Biogasanlagen (falls es sich als gut erweisen sollte, Ackerböden mit diesem Ziel zu bewirtschaften). Die mehrjährige Silphie ist trockenresistent und lässt sich mindestens zehn Jahre beernten, bereits im zweiten Jahr ohne den Einsatz von Herbiziden. Nebenbei bietet der Korbblütler Nektar und Pollen für Bienen. Kurz: die Silphie wäre ein idealer Ersatz für Mais. Einziger Nachteil: im ersten Jahr ist der Anbau sehr arbeitsintensiv und bringt noch keinen Ertrag. Da wäre staatliche Agrarsubvention gefragt. Mein Fazit: Ein Schatz auf dem Acker ist die Silphie und meine Metapher für die Vision eines nachhaltigen Wirtschaftens - unter dem Vorbehalt besserer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse.
Die Silphie-Predigt wäre freilich keine Erinnerungsstütze fürs Evangelium, sondern Teil einer (volks-)aufklärerischen Verkündigung in dem Glauben, dass Gott ein "langsames Besser-Werden in seiner Welt und Kirche"* will. Aber damit sind wir schon beim nächsten Thema: Utopie. Die ist in Zeiten der "Lethargokratie" ungefähr genauso wenig gefragt wie Naturliebe.

Diese Kolumne widme ich Pastor Mirko Peisert in der evangelisch-lutherischen Gemeinde St. Petri in Steinwedel. Dort wird auf dem Rasen hinter dem Pfarrhaus ein allegorischer Garten angelegt: www.sankt-petri-steinwedel.de

*Vgl. dazu die Ausführungen zu dem reformierten Zürcher Pfarrer und Schriftsteller Johannes Tobler in dem Vortrag von Thomas K. Kuhn, Natur - Toleranz - Utopie. Reformierter Protestantismus im Zeitalter der Aufklärung, in: ders. / Hans-Georg Ulrichs (Hg.), Reformierter Protestantismus vor den Herausforderungen der Neuzeit, Emder Beiträge zum reformierten Protestantismus 11, Wuppertal 2008, 65-90.

Literatur
Marten, Maria, Buchstabe, Geist und Natur: die evangelisch-lutherischen Pflanzenpredigten in der nachreformatorischen Zeit, Vestigia Bibliae 29-30, Verlag Peter Lang, 2010. Auszüge online: http://books.google.de/books/about/Buchstabe_Geist_und_Natur.html?id=aygrjtApseoC&redir_esc=y
Pflanzen-Porträt: Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum L.) aus der Gattung Silphium aus der Familie der Asteraceae (Korbblütler), online: http://www.bund-lemgo.de/download/Int_-Portraet_Silphie.pdf

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Barbara Schenck