Gebetswoche 2015 kommt aus Brasilien

Frühzeitige Festlegung auf das Thema der Gebetswoche in zwei Jahren

Während die Vorbereitungen für die Gebetswoche in 2014 mit dem Schwerpunkt Kanada laufen, wurde am 8. Oktober das größte Land Südamerikas zum 'Herkunftsland' der Liturgie ausgewählt.

(8.10.2013) „Gib mir zur trinken“ lautet das Thema der Gebetswoche für die Einheit der Christen im Jahr 2015. Das hat die internationale Vorbereitungsgruppe der „Week of Prayer for Christian Unity“ auf einem Treffen in Sao Paulo,  Brasilien, beschlossen. Die Vorbereitungsgruppe besteht traditionell etwa zu je einem Drittel aus Vertretern des päpstlichen Einheitsrates, des Ökumenischen Rates der Kirchen und des nationalen Vorbereitungskomitees. Für 2015 hat die CONIC (Conselho Nacional de Igrejas Christãs do Brasil)  von Brasilien Thema, Textvorschläge und den Liturgievorschlag für die Gebetswoche erarbeitet. Die internationale Vorbereitungsgruppe gibt anschließend im Blick auf die weltweite Situation der christlichen Kirchen einen gemeinsamen weltweiten Textvorschlag für die Durchführung der Gebetswoche heraus.

Die nationale Situation in Brasilien ist seit dem Zweiten Weltkrieg geprägt durch die über zwei Jahrzehnte andauernde Militärdiktatur, in der die christlichen Kirchen eine ambivalente Rolle gespielt haben. Es besteht ein großes Gefälle zwischen Reich und Arm. Nach wie vor problematisch ist die Stellung der indogenen Bevölkerung innerhalb der Gesellschaft Brasiliens. In den vergangenen zwanzig Jahren sind pentekostale evangelische Freikirchen rasant gewachsen und stehen oft in Konkurrenz zu den vorfindlichen Kirchen in Brasilien, besonders zur römisch-katholischen Kirche.

„Give me a drink“, unter dieses Thema hat das nationale brasilianische Komitee die Gebetswoche gestellt. Textgrundlage der Gebetswoche ist die Geschichte von Jesus und der Samariterin am Jakobsbrunnen, wie sie in Johannes 4 überliefert ist. Im Gottesdienstentwurf der für die Gebetswoche und in den acht Tagesmeditationen, wird diese biblische Geschichte in den Spannungsfeldern der Gegenwart aktuell: Das brasilianische Komitee macht deutlich, dass in dieser Geschichte unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinandertreffen. Bemerkenswert sei, dass Jesus nicht nur selbst am Ende der Geschichte das „Wasser des Lebens“ anbietet. Jesus tritt selbst als Bittsteller auf: am Anfang bittet Jesus die Frau um den erfrischenden und seinen Durst stillenden Schluck Wasser. Er bricht mit dieser Geste mehrere Tabus und überwindet dadurch Spannungen: die Beziehung zwischen Mann und Frau im altorientalieschen Kontext, die kulturelle und religiöse Frontstellung zwischen Juden und Samaritern, die Stigmatisierung der Frau als Ehebrecherin. „Gib mir zu trinken“: Mit dieser Bitte durchbricht Jesus unüberwindbare Grenzen. Die Gebetswoche 2015 will die Augen dafür schärfen, wo solche Grenzen heute verlaufen und Christen aller Konfessionen darin zusammenführen, dass Jesus Christus ihnen hilft, in seiner Nachfolge Grenzen zu überwinden.

Die Leitung der Internationalen Vorbereitungsgruppe hatte Reverend Antony Currer (Päpstlischer Rat für die Einheit der Christen, Rom) und Reverend Canon John Gibaut, Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung im ÖRK. Von der Ökumensichen Zentrale der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen nahm der freikirchlicher Referent Pastor Bernd Densky am Treffen der Vorbereitungsgruppe teil.

Ein Höhepunkt der Tagung war eine Exkursion in ökumenische Einrichtungen in Sao Paulo. Dort begegneten die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe Pastoren aus unterschiedlichen Kirchen, die sich besonders für ökumenische Begegnung schulen lassen. Beeindruckend war die Vorstellung des Projektes „Brasil: Nunca Mais“ („Brasilien – nie wieder“), das die Folter unter der Militärdiktatur mittlerweile auch im Internet dokumentiert. In den Jahren der brasilianischen Militärdiktatur fungierte der ÖRK in Genf als Sammelstelle für die Dokumente von Verfolgung, Gewalt und Folter unter der militärischen Junta. Durch das Lebenszeugnis von Anivaldo Padilha, selbst Folteropfer der Junta, wurde für die Teilnehmer des Vorbereitungstreffens zur Gebetswoche für die Einheit der Christen dieser Hintergrund der brasilianischen Erarbeitungen bedrückend nachvollziehbar.