Noah - ein Gerechter mit dem Makel der Demut

Ein spiritueller Impuls aus jüdischer Tradition

Die Bibel nennt Noah einen Gerechten. Wie kann das sein, fragt rabbinische Tradition, hat doch Noah - anders als Abraham und Mose - nicht gegen Gottes harschen Entschluss, die Menschheit zu vernichten, protestiert.

Levi Yitzhak von Berditchev findet eine Antwort in der Persönlichkeit Noahs. Ihm fehle das nötige Selbstbewusstsein für einen echten Gerechten (tzaddik). Anstatt Einspruch zu erheben, habe er sich gefragt: Was bin ich wert, dass ich einen Entschluss Gottes in Frage stellen könnte? Seine Ergebenheit, ja seine Demut seine Noahs Versagen.

Rabbiner Lawrence Kushner erzählt diese Auslegung in seinen Gedanken zu Genesis 6,9-13:
"What enables a true tzaddik to rise in the defense of the world (...) is an expression of one's own self-worth. Noah, suggests the Berditchever, said to himself, "Who am I to be worthy to challenge God's decree?" And so he did nothing. His failure was his humility. And, even though it is the source of all human wickedness (...), every real tzaddik, sooner or later, needs a little bit of arrogance. A righteous man [a righteous woman, bs] must believe in the power of his [her] own righteousness."

Quelle:
Lawrence Kushner and David Mamet, Five Cities of Refuge. Weekly Reflections on Genesis, Exodus, Leviticus, Numbers and Deuteronomy, New York 200, 8f.


Barbara Schenck, 25. Oktober 2013