Kurzmeldungen




Der Glaube wird immer parteilich und diakonisch sein

Erster Bericht von Präses Rekowski vor der rheinischen Landessynode

Kirche ist von Gott in die Welt geschickt und an den Nächsten gewiesen, der Hilfe braucht. In seinem ersten Bericht als Präses hat sich Manfred Rekowski vor der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bad Neuenahr intensiv damit beschäftigt, wie Kirche ist und wie sie sein soll.

Neuigkeiten von der Synode hier:
www.ekir.de/www/ueber-uns/news-17293.php

„Unsere Aufgabe ist es, daran zu erinnern, wo Christus in unserer Welt zu finden ist, wo Begegnung mit ihm möglich ist: nämlich in der Begegnung mit den Hungrigen, den Durstigen, den Fremden, den Armen, den Kranken und den Gefangenen.“ Weil Christinnen und Christen die Nähe zu diesem gegenwärtigen Christus suchen, führt sie der Glaube immer mitten in die Welt, sagte Rekowski: „Der Glaube wird immer parteilich und diakonisch sein und so Gemeinschaftsgerechtigkeit und Gemeinwohl zum Thema machen.“

Deswegen sei Kirche politisch, machte der 55-jährige Theologe aus Wuppertal deutlich: „Wenn wir dabei Themen aufgreifen, die auch viele Nichtregierungsorganisationen thematisieren, so tun wir das als Kirche. Wenn wir Positionen beziehen in der Flüchtlingsfrage, der Frage der weltweiten Gerechtigkeit, im Klimaschutz, beim Wirtschaften für das Leben, die möglicherweise in einem bestimmten parteipolitischen Spektrum verstärkt Widerhall finden, sind wir Kirche.“ Wenn sich Kirche an den Weisungen Jesu und an der biblischen Tradition orientiere und positioniere, dann habe sie „auch dann nichts zurückzunehmen, wenn diese Positionen auch von Nichtregierungsorganisationen, der einen oder anderen Partei oder einer Initiative vertreten werden. Gebunden sind wir nur an das Wort Gottes. In dieser Bindung sind wir frei, für die Menschen einzutreten – und wir sind frei genug, keine Berührungsängste gegenüber anderen zu haben, die sich auch dem Gemeinwohl verpflichtet sehen.“

Lampedusa: „Es darf keine Toten an unseren Grenzen geben“

Besondere Sorge bereite ihm die Situation der Menschen im Bürgerkriegsland Syrien und den Nachbarländern, sagte Präses Rekowski und nannte damit ein Beispiel, wohin die Kirche in ihrem Engagement gewiesen sei: Mehr als sechs Millionen syrische Staatsangehörige befänden sich auf der Flucht, davon mehr als vier Millionen innerhalb Syriens und 2,1 Millionen in den Nachbarländern Ägypten, Irak, Jordanien, Libanon und der Türkei. Diese Länder könnten keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen. Dass Deutschland nur 10.000 syrische Flüchtlingen aufnehmen wolle, stoße bei ihm auf Unverständnis: „Ich halte dies sowohl im Blick auf die Dimension des Elends im Nahen Osten als auch im Blick auf unsere eigene wirtschaftliche Kraft und unsere Verantwortung für völlig unangemessen. Wir haben deshalb die Zahl von 100.000 Flüchtlingen, die Deutschland aufnehmen sollte, in die Diskussion eingebracht. Dies ist nicht als eine fixe Zahl gemeint, sondern soll die größere Dimension unserer Möglichkeiten und unserer Verantwortung anzeigen.“

Insgesamt gehe die europäische Flüchtlingspolitik, die auf Abschottung ziele, in die falsche Richtung. Damit setze die Europäische Union „die Werte der Menschlichkeit aufs Spiel“, konstatierte Manfred Rekowski. „Auf dramatische Weise ist uns dies durch die Tragödien vor Lampedusa vor Augen geführt worden. Zumindest für einen Moment haben sich die Bilder aufdringlich und verstörend in unsere Herzen gebrannt. Mittlerweile ist aber auch deutlich geworden: Die von uns vielfach angemahnte Umkehr in der europäischen Flüchtlingspolitik ist nicht erkennbar. Die Instrumente der Überwachung der Grenzen werden immer ausgefeilter. Tote wird es wohl auch weiterhin an den EU-Außengrenzen geben. Es sind nicht irgendwelche Grenzen, an denen Menschen zu Tode kommen, sondern unsere eigenen Grenzen. Hier sage ich: Um Gottes willen und um unserer eigenen Menschlichkeit willen darf es keine Toten an unseren Grenzen geben!“

Kirche hat am Rand Stehende nicht immer im Blick

Mit Blick auf die in der rheinischen Kirche anstehenden Veränderungsprozesse warb Präses Rekowski für einen Blickwechsel: „Manchmal muss man einen Schritt zurücktreten und Abstand gewinnen von dem, was behandelt werden will. Manchmal muss man die (Synoden-) Unterlagen liegen lassen, den Kopf heben und fragen: Was wird eigentlich gegeben in dieser Kirche? Was ist in dieser Kirche in Gang? Wer setzt sie in Bewegung? Und was ist dran?“ Dabei müsse man mit Überraschungen und der Gegenwart Gottes rechnen. „Das Wesentliche, was in der Kirche geschieht, liegt nicht in unserer Hand. Anders gesagt: Wir machen nicht Kirche und deshalb erhalten wir auch nicht die Kirche. Das entlastet uns auch in unserem kirchenleitenden Bemühen als Synode und Kirchenleitung.“

Mitten in der Welt der Sünde sei der Tatort für kirchliches Wirken, so Manfred Rekowski: „Nicht die Orte, die wir mit dem Etikett ,Zentrum’ – und sei es in der Wortkombination Gemeindezentrum – versehen, sind die Orte, an die wir vorzugsweise gewiesen sind. Mitten in der Welt der Sünde, da ist der Ort, an dem wir gefragt sind. Und wenn wir genau hinschauen, werden wir entdecken, dass diese Platzanweisung auch an den Rand unserer kirchlichen Institutionen und der Gesellschaft führen kann. Kein Wunder bei der Vorliebe Jesu, die er selbst für die am Rande Stehenden hat. Nicht neu, aber deutlich anders als in Teilbereichen unserer kirchlichen Wirklichkeit gelebt.“

Bei Aufgabenkritik und Haushaltskonsolidierung, also den auf dieser und der kommenden Landessynode anstehenden Einsparbeschlüssen, gehe es um „finanzpolitische Schadensbegrenzung“, stellte der Präses vor den Mitgliedern der Synode fest: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Das manifestiert sich im strukturellen Haushaltsdefizit. Und wir haben uns künstlich Spielräume geschaffen, die eigentlich nicht vorhanden sind. Das zeigt sich in unserem Umgang mit den bereits bestehenden Versorgungsverpflichtungen.“ Es stelle sich deshalb bei den Beratungen, die bis Dienstag gehen werden, nicht die Frage, „ob sich bestehende Arbeit nach entsprechender gründlicher Überprüfung am Ende als sinnlos und darum als aufgebbar erweisen könnte. Das ist überhaupt nicht das Thema. Sondern wir werden vielmehr sinnvolle und wichtige Arbeit im vorhandenen Umfang nicht mehr finanzieren können und müssen sie deshalb aufgeben oder anders finanzieren.“ Trägerwechsel, Kostensenkungen, Steigerung der Einnahmen o. ä. wirkten ebenfalls haushaltsentlastend. In der gegenwärtigen Phase der Beratungen gehe es um die Wiederherstellung und die Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit.

Kernaufgaben der Kirche

Ob Seelsorge, Diakonie, missionarischer Dienst, Kirchenmusik und christliche Erziehung und Bildung – also die Festlegungen aus der Kirchenordnung Artikel 1 – zu den Kernaufgaben unserer Kirche gehören, stehe nicht in Frage. Diese seien Aufgaben der Kirche und gehörten zum Kern der rheinischen Kirche. Aber die Synode müsse festlegen, wie finanzierbare Formen von Erziehung und Bildung, seelsorglicher und diakonischer Arbeit gestaltet werden können. „Wir tun dies nach Maß menschlicher Einsicht. Wir streiten nicht darüber, ob es einen Bildungsauftrag gibt, den wir als Kirche wahrzunehmen haben. Wir streiten auch nicht darüber, ob Schulen in kirchlicher Trägerschaft grundsätzlich gute Möglichkeiten bieten, modellhaft Erziehung und Bildung in protestantischer Prägung zu leben und zu entfalten. Wir streiten aber auch nicht darüber, ob es sinnvoll und notwendig ist, evangelische (Religions-) Lehrerinnen und Lehrer an staatlichen Schulen zu unterstützen und zu fördern“, machte der rheinische Präses deutlich. Es müsse aber entschieden werden, „welche Gestalt der Arbeit uns – wenn der bisherige Umfang der bestehenden Angebote so nicht mehr finanzierbar ist – nach Maß menschlicher Einsicht in eine finanzierbare kirchliche Zukunft führt mit der gewünschten gesamtkirchlichen Wirkung.“

Kirche und Öffentlichkeit

Die mediale Präsenz von Kirche, sagte Präses Rekowski, sei im vergangenen Jahr enorm gewesen, allerdings zuweilen mit sehr geringem Wiedererkennungswert „Deutlich wurde in manchen Diskussionen, dass das rechtlich Geregelte nicht unbedingt gesellschaftlich akzeptiert wird.“ Als Beispiel nannte er das Subsidiaritätsprinzip, das besagt, dass in der Wohlfahrtspflege der Staat nur dann tätig werden soll, wenn freie Träger sich nicht engagieren können oder wollen.

In Bezug auf die Kindertageseinrichtungen führte Rekowski aus: „In Zeiten, in denen häufig eine ungerechtfertigte ,Subventionierung’ der Kirche durch den Staat behauptet wird, mag man daran erinnern, dass in diesem Arbeitsfeld die Kirche den Staat ,subventioniert‘. Etwa 60 Millionen Euro bringen wir in der EKiR aus Kirchensteuermitteln auf, um die Kindertageseinrichtungen zu betreiben. Wir machen das gerne, weil wir unsere Verantwortung für das Wohl der Kinder sehen. Ihnen wird damit auch die Möglichkeit eröffnet, christliche Werte kennenzulernen und evangelische Freiheit zu erproben. Aber Gemeinden und Diakonie müssen vom Kostenträger so ausgestattet werden, dass sie diese Aufgabe nach dem Subsidiaritätsprinzip auch erfüllen können! Darum werden wir weiter mit den Ländern ringen.“

Ausblick: Das Modell von Kirche

Die rheinische Kirche, forderte Präses Rekowski, möge theologische Anfragen an ihr Modell von Kirche zulassen: „Unsere finanziellen Möglichkeiten – so sind wir derzeit organisiert – entscheiden häufig abschließend über die Möglichkeiten, wie wir unseren Auftrag als Kirche wahrnehmen können.“ Dass die institutionalisierte Kirchlichkeit im bisherigen Umfang mittel- und langfristig nicht aufrechterhalten werden könne, sei keine Schwarzmalerei, sondern an vielen Stellen unserer Landeskirche bereits konkrete und manchmal frustrierende Erfahrung. Aber das sei nicht schon das letzte Wort: „Wir vertrauen darauf, dass das Wort Gottes wirkt, dass es nicht leer zurückkommt, dass Bewegung entsteht – auch unabhängig von institutioneller Kirchlichkeit.“

Neben anderen Vorschlägen zu Veränderungen auf allen Ebenen der rheinischen Kirche regte er auch eine Wandlung kirchenleitender Arbeit an: Es sei für ihn nicht akzeptabel, dass ein Großteil dieser Synodalen, die nicht in den Ausschüssen vertreten seien, während des Jahres – also außerhalb der Tagungen der Synode – von wesentlichen Beratungsprozessen fast ausgeschlossen seien.

Bis einschließlich kommenden Dienstag, 21. Januar 2014, beraten und entscheiden die 214 stimmberechtigten Mitglieder der Landessynode unter anderem über theologische Fragen, Finanzen, Kirchengesetze und Anträge aus Kirchenkreisen. Die Evangelische Kirche im Rheinland ist mit mehr als 2,7 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte EKD-Gliedkirche. Sie erstreckt sich von Emmerich im Norden bis nach Saarbrücken im Süden.

17. Januar 2014, Pressemeldung der EKiR

 

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