Mehr als Ja und Amen in Siegen-Weidenau

Jubiläumsgottesdienst und Festakt 50 Jahre Evangelisches Gymnasium


Präses Annette Kurschus hielt die Festpredigt in der Haardter Kirche (Foto: Karlfried Petri)

Großes Lob durch alle Generationen für den besonderen Geist der Schule. Ein abwechslungsreiches Fest krönt die Feierlichkeiten und bringt die Schule ins Bewusstsein der Kirche und Öffentlichkeit zurück.

Mit einem Jubiläumsgottesdienst in der Haardter Kirche begann der Festtag anlässlich des 50-jährigen Schuljubiläums des Evangelischen Gymnasiums in Siegen-Weidenau am vergangenen Freitag (5. September 2014). Die ganze Woche über hatten an der Schule besondere Jubiläumsveranstaltungen stattgefunden. Nun hatten sich Schüler, Lehrer und Ehemalige in der großen Kirche in Weidenau versammelt. Superintendent Peter-Thomas Stuberg eröffnete den Gottesdienst und Schulleiterin Beate Brinkmann begrüßte die Gottesdienstgemeinde. Bei allen Veränderungen, so Brinkmann, „ändert sich das Fundament unseres Handelns nicht, weil es zeitlos ist“. Sie zitierte aus dem ersten Korintherbrief, in dem Jesus Christus als das Ja Gottes zu den Menschen benannt wird.

Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen Annette Kurschus, die selbst Schülerin am Evau gewesen ist und als Superintendentin die Entwicklung der Schule mit gestaltete, griff in ihrer Predigt die bekannte Geschichte des verlorenen Sohnes aus der Sicht der im Text nicht vorkommenden Mutter auf. Wie wird es ihr ergangen sein, als der jüngste Sohn das Haus verließ. Was könnte sie gesehen und gefühlt haben, als ihr Jüngster wieder nach Hause kam. Kurschus: „Es ist eine Geschichte der Liebe. Sie erzählt, wie Gott als Vater und Mutter seine Söhne und Töchter liebt. Also auch dich und mich. Wie er uns entgegeneilt mit seiner Liebe – auch wenn wir noch gar nicht so sicher sind, ob wir überhaupt in seine Arme wollen. Wie er uns mit offenen Armen erwartet – ob wir gerade verloren sind oder gefunden; daheimgeblieben oder losgezogen; außen vor oder mitten drin oder alles zusammen.“ Jesus habe diese Liebe Gottes als Mensch unter Menschen gelebt, so die Präses. Von Gottes Liebe lebten Mütter und Väter, Lehrerinnen und Lehrer, Söhne und Töchter gleichermaßen.

Die Besonderheit des Evangelischen Gymnasiums ansprechend, würden viele sagen „An unserem Evau weht ein besonderer Geist.“ Neun Jahre lang habe sie selbst diese Schule besucht und das ebenso empfunden. Seither versuche sie zu beschreiben, was es damit auf sich habe, mit diesem „besonderen Geist“. Annette Kurschus: „Im Raum der Freude Gottes über uns Menschen erfahren Schülerinnen und Schüler an dieser Schule Anleitung zu eigener Entwicklung. Die Devise heißt nicht: „Werde der Schnellste, die Beste, der Fitteste, die Schlauste, der Erfolgreichste, die Berühmteste!“ Sondern: „Sei eigen.“ „Geh deinen Weg.“ „Freu dich an deinen Gaben.“ „Hab wache Sinne für die anderen – auch wenn sie sehr anders sind.“ „Übernimm an deinem Ort und mit deinen Möglichkeiten Verantwortung. In der Welt und für die Welt. Mit Herz und Verstand.“ Denn: Du bist einzig. Du bist gewollt. Du bist geliebt. Gott braucht dich, um sein Werk der Liebe auf der Erde zu vollenden. Auf dem Fundament stehst du fest. Das ist tatsächlich „mehr als Ja und Amen.“ Das ist der Geist der Liebe Gottes.“

Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Bläserkreis des Gymnasiums sowie vom Schulchor, dem Unterstufenchor und dem Orchester. Ein besonderes musikalisches Ereignis war das Solo von Melanie Küppers. Sie sang, sich selbst auf der Konzertgitarre begleitend, „Hallelujah“ von Leonard Cohen.

Den Festakt in der Arche des Evangelischen Gymnasiums eröffnete ein Streicherquartett mit dem Stück „Three Little Maids from School“. Schulleiterin Beate Brinkmann begrüsste die Festgäste herzlich, darunter auch die ehemaligen Schulleiter Herbert Ochel und Dorothea Woydack. Kurzweilig und mit Niveau solle der Festakt sein. Durch das unterhaltsame Programm führten gekonnt die Schüler Esra Otto und Elias Hoferichter. Immer wieder wurde das Motto des Jubiläums „Mehr als Ja und Amen“ aufgegriffen. Die beiden Moderatoren betonten die Atmosphäre der Offenheit, dass man ehrlich sein und Kritik äußern könne. Die obligatorischen Grußworte wurden nicht live gehalten, sondern per Video eingespielt. Schülerinnen und Schüler hatten im Vorfeld den Superintendenten, den Landrat, den Bürgermeister der Stadt Siegen, die Schulpflegschaftsvorsitzenden und das Schülersprecherteam besucht und mit ihnen ein Interview über das Evau geführt. Superintendent Peter-Thomas Stuberg, seit zwei Jahren im Amt und für die evangelische Schule in Trägerschaft des Kirchenkreises mit verantwortlich, sagte, er habe die Schule auf Anhieb sympathisch gefunden. Die starke Beziehung zwischen Lehrer und Schüler habe ihn beeindruckt. An der Schule werde gelernt, sich eine eigene Meinung zu bilden, zu widersprechen, eigene Wege zu suchen und sie zu gehen. Als kirchliches Gymnasium werde Raum geboten, den Glauben zu entdecken und den Glauben für die Gesellschaft zu erschließen. Der neue Landrat Andreas Müller verbindet mit dem Jubiläumsmotto, Sachverhalte zu hinterfragen und nicht alles einfach hinzunehmen. Er wies darauf hin, dass vor 50 Jahren ein Gymnasium-Notstand zu verzeichnen gewesen wäre. Der Kreis-Siegen-Wittgenstein hatte sich damals für eine Beteiligung an der Trägerschaft des Gymnasiums entschlossen. Heute habe man in der Region ein Gymnasium zu viel. Er wünschte der Schule weitere gute 50 Jahre. Siegens Bürgermeister Steffen Mues ist dem eigenen Bekunden nach gerne zur Schule gegangen. Am Evau sei die Persönlichkeitsbildung sehr ausgeprägt. Das Motto mache deutlich, dass der Glaube ein wichtiges Grundgerüst für die Schule sei. Er wünschte, dass auch in Zukunft bei der Schule die Menschen im Mittelpunkt stehen.

Fremdartig gekleidete Schülerinnen und Schüler entführten die Festgäste in die Niederlande vor rund 200 Jahren. Dort spielte sich das besondere Leben der Hilletje Jans ab. Ein Bühnenstück, das die Theaterkinder aus der Jahrgangsstufe 7/8 in diesem Jahr unter der Leitung der Theaterpädagogin Beate Gräbener mit Erfolg im Siegener Kulturhaus Lÿz aufgeführt haben. Zwei Szenen präsentierten die Schüler in beeindruckender Weise den Festgästen. Nicht nur ein kräftiger Applaus kam ihnen zugute. Die Fördervereinsvorsitzende Friederike Reeh überreichte den Theaterkindern als Auszeichnung das diesjährige „evchen“, dotiert mit 1000 Euro.

Die Schulpflegschaftsvorsitzende Dr. Isabella Hetzler und ihre Stellvertreterin Heike Kühne-Bellebaum fanden im Interview nicht nur gute Worte für die Schule. Sie übereichten exemplarisch zwei Sitzkissen für ein Klassenzimmer im Freien, dass sich die Schule wünschte. Es könne eine Art Amphitheater werden mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten. 1500 Euro wurden hierfür bereits angesammelt. Diesen Betrag stockte die Barabra-Schadeberg-Stiftung um 500 Euro auf. Die Stiftung verfolgt das Ziel, im Evangelium begründete Bildung und Erziehung zu fördern. Für das Schülersprecherteam Melis Duyan und Tilman Herchenröder ist das Evau mehr als eine Schule. Es sei eine zweite Heimat geworden und gehöre jetzt zum Leben dazu.

In einer humorigen Talkrunde mit dem ehemaligen Schulleiter Herbert Ochel, der ehemaligen Schulleiterin Dorothea Woydack und der jetzigen Schulleiterin Beate Brinkmann entlockte Sören Leopold allerlei kurioses aus dem Schulleben. Der Schulgong beispielsweise erklingt in as-dur und wurde als warm, weich und verklärend beschrieben. Eine Woche lang allerdings verstummte der Gong seinerzeit. Eine Situation, mit der die Schule umgehen musste. Herbert Ochel erzählte die Geschichte der Ledergarnitur im Schulleiterzimmer. Sie sei sehr teuer gewesen, aber er habe sie für den halben Preis erhalten und noch einen Tisch dazu. Diese Garnitur habe sich als ein Segen erwiesen. Viele angespannte und entspannte Gespräche seien auf ihr geführt worden. Ernster verlief das Gespräch zum Thema Inklusion. Schüler mit Handicap sollen in die Schulklassen integriert werden. Eine Herausforderung für das Miteinander in der Schule. Ochel machte deutlich, dass Inklusion nur dann zu befürworten sei, wenn sie den Schülern nicht schade. Beate Brinkmann:“ Wir müssen auch sehen, dass wir uns nicht überfordern.“ Im Zuge des Gespräches nutzte sie die Gunst der Stunde und wünschte sich für die Zukunft des Evau ein größeres Lehrerzimmer.

Den Festvortrag hielt Pfarrer Rainer Timmer, Leiter des Pädagogischen Instituts der Evangelischen Kirche von Westfalen. Er zeigte die Schule der Zukunft in evangelischer Perspektive auf und hob die Profilierung evangelischer Schulen hervor. Die Evangelischen Schulen seien öffentliche Schulen und lieferten einen Beitrag zur Pluralität des Bildungssystems. Sie seien vom evangelischen Bildungsverständnis her zu profilieren. In diesen Schulen werde Schule als Lebensraum in besonderer Weise wahrgenommen und von der prägenden Kraft des christlichen Menschenbildes gestaltet. Timmer spricht sich dafür aus, bei den evangelischen Schulen nicht zu kürzen, auch wenn die Ressourcen knapper würden. Diese Schulen bräuchten die Unterstützung und Wertschätzung durch alle Ebenen der verfassten Kirche.

Fetzig endete der Festakt mit dem Stück „St. Thomas“ von Sonny Rollins, das die Ev-Big Band musizierte. Und sozusagen als „Rausschmeißer“ spielte der Jazzmusiker und Musiklehrer Hartmut Sperl sein selbst komponiertes Stück „Bulgarian Flirt“ auf dem Flügel.

Im Gespräch v. li. Superintendent Peter-Thomas Stuberg, Schulleiterin Beate Brinkmann und Präses Annette Kurschus.
Ein Farbtupfer während des Festaktes war ein Ausschnitt aus der Theateraufführung „Das besondere Leben der Hilletje Jans.
Pfarrer Rainer Timmer, Leiter des Pädagogischen Instituts der Evangelischen Kirche von Westfalen, sprach von der prägenden Kraft des christlichen Menschenbildes in evangelischen Schulen.

Karlfried Petri, Öffentlichkeitsrefernent Kirchenkreis Siegen