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CH: Kritik an Gottfried Lochers Aussagen zu «Feminisierung»

Präsident des SEK beklagt: wenn Frauen predigten, kämen Männer in der Kirche bald nicht mehr vor - Frauen und Männer protestieren gegen «Herabsetzung des Wirkens von Frauen in den Kirchen»

(Bild: ref.ch) Die Zeilen des Anstosses erschienen in der Weltwoche vom 20. November.

ref.ch. In einem offenen Brief in der «Reformierten Presse» vom 5. Dezember wird der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), Gottfried Locher, für seine Aussagen zur «Feminisierung in der Kirche» kritisiert.

Das von rund 150 Pfarrerinnen, einigen Pfarrern sowie Theologiestudenten unterzeichnete Schreiben ist an Gottfried Locher adressiert und stösst sich an seinen Aussagen, welche in der «Weltwoche» vom 20. November publiziert wurden. Im von Roger Köppel verfassten Porträt über Locher steht:

Unbehagen bereitet ihm (Locher, Anm. d. Redaktion) die «Feminisierung» in den Kirchen. Er habe nichts gegen Pfarrerinnen, aber wenn nur noch Frauen predigen, ändere sich alles, die Themen, die Bilder, die Formulierungen, und «die Männer kommen irgendwann nicht mehr.

Die Unterzeichnenden kritisieren, dass es «ungerechtfertigt und deutlich zu kurz gegriffen» sei, «Pfarrerinnen für ein allfälliges Wegbleiben von Männern in der Kirche verantwortlich zu machen». Hintergrund dafür seien vielmehr verschiedene gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Auch seien mit einem Anteil von 35 Prozent die Frauen im Pfarramt immer noch in der Minderheit im Schweizerischen Kirchenbund. Damit könnten sie kaum prägend für die Kultur einer Kirche sein, deren Angebote bereits jetzt nur noch von wenigen Männern genutzt würden.

Begriff «Feminisierung» setzt Frauen in den Kirchen herab

Auch kritisiert wird der Begriff «Feminisierung». Dieser sei zunehmend negativ konnotiert und führe zu einer Herabsetzung des Wirkens von Frauen in den Kirchen. Männer gegen Frauen «auszuspielen», wie dies durch den Begriff der Feminisierung geschehe, erachten die Unterzeichnenden als «unangebracht und wenig hilfreich für ein bereicherndes Miteinander von Frauen und Männern in unseren Kirchen».

Die Unterzeichnerinnen weisen zudem darauf hin, dass der auf Initiative von Locher kürzlich verliehene Predigtpreis an drei Pfarrerinnen ging. Diese Auszeichnung mache deutlich, dass viele Pfarrerinnen über die Kompetenz verfügten, in ihrem Reden und Handeln auch die Lebenswirklichkeit anderer Menschen zu berücksichtigen.

Der offene Brief endet mit dem Wunsch an Locher, in einem persönlichen Gespräch über dieses Thema weiterzudiskutieren.

Locher will Dialog

Auf Anfrage von ref.ch sagte Gottfried Locher: «Das Thema ist wichtig, und ich freue mich über das Engagement meiner Kolleginnen und Kollegen in dieser Sache.» Er nehme den Dialog gerne auf und hoffe auf ein baldiges Treffen. «Gerne baue ich mit an einer Kirche, in der sich alle wohlfühlen, Frauen und Männer. Wir könnten da vielleicht noch besser werden, denke ich, wenn ich so in die Kirchenbänke schaue an einem Sonntagmorgen.»

Quelle und Kommentare:
www.ref.ch/gesellschaft-politik/kritik-an-gottfrieds-lochers-aussagen-zu-feminisierung/

Der offene Brief im Wortlaut:

Offener Brief an Pfr. Dr. Gottfried Wilhelm Locher zum Thema „Feminisierung der reformierten Kirchen“

Sehr geehrter Herr Locher

In der „Weltwoche“ vom 20. November 2014 ist ein Text publiziert, der auf einem Gespräch von Ihnen mit Roger Köppel basiert. Darin beklagen Sie die „Feminisierung“ in den Kirchen und werden mit der Aussage zitiert, dass die Männer irgendwann nicht mehr in die Kirchen kämen, weil Pfarrerinnen über andere Themen predigten und andere Bilder und Formulierungen verwenden würden.

Die Pfarrerinnen für ein allfälliges Wegbleiben von Männern in den Kirchen verantwortlich zu machen, erachten wir als ungerechtfertigt und deutlich zu kurz gegriffen. Hintergrund dafür sind vielmehr verschiedene gesamtgesellschaftliche Entwicklungen.

Der Begriff „Feminisierung“ muss mit Vorsicht gebraucht werden. Zahlenmässig sind die Frauen mit einem Anteil von 35% im Pfarramt immer noch in der Minderheit und können damit nicht prägend sein für die Kultur einer Kirche, deren Angebote heute bereits nur noch von wenigen Männern genutzt werden. Der Begriff „Feminisierung“ hat zudem heute eine zunehmend negative Konnotation und führt damit zu einer Herabsetzung des Wirkens von Frauen in den Kirchen. In den Kirchgemeinden machen wir glücklicherweise ganz andere Erfahrungen: Pfarrpersonen werden unabhängig von ihrem Geschlecht geschätzt und viele Gemeinden wünschen sich explizit eine Vertretung von Frauen und Männern im Pfarrkollegium. Männer gegen Frauen auszuspielen, wie dies durch den Begriff der Feminisierung geschieht, erachten wir als unangebracht und wenig hilfreich für ein bereicherndes Miteinander von Frauen und Männern in unseren Kirchen.

Es gehört zur professionellen Kompetenz von Pfarrpersonen, in ihrem Reden und Handeln nicht nur von der eigenen Situation auszugehen, sondern auch die Lebenswirklichkeit anderer Menschen aufzugreifen und zu berücksichtigen. Dass viele Pfarrerinnen genau über diese Kompetenz verfügen, hat die diesjährige Verleihung des von Ihnen initiierten Predigtpreises gezeigt: Drei Pfarrerinnen wurden mit dem Predigtpreis ausgezeichnet. Was diese drei Pfarrkolleginnen wohl über Ihre Äusserungen in der „Weltwoche“ denken?

Es ist ein Qualitätsmerkmal der reformierten Kirchen, dass Frauen dieselben Möglichkeiten haben wie Männer und dass sich die Kirchen für die effektive Gleichstellung der Geschlechter einsetzen. Mit unserer Unterschrift setzen wir ein klares Zeichen für eine Kirche, die um diese Stärke weiss und diese im Alltag lebt, eine Kirche, in der eine geschlechtergerechte Sprache ebenso selbstverständlich ist wie eine paritätische Besetzung der Gremien und Kommissionen mit Männern und Frauen.

Gerne würden wir über diese Themen in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen weiterdiskutieren.

 

 

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