Kurzmeldungen




Die ganze Bibel zu Wort kommen lassen

Die Lukaskirche in Bonn erprobt ein neues Perikopenmodell

Cover der Broschüre zum Perikopenmodell der Konferenz landeskrichlicher Arbeitskreise Juden und Christen (KLAK)

Zwei Ergebnisse aus dem Erfahrungsbericht von Michael Schäfer vorweg: 1) Die Gemeinde will keine langen Lesungen. 2) Hauptsache, die Predigt ist gut, egal zu welchem Bibeltext

Michael Schäfer, Pfarrer in Bonn, berichtet:

Das Perikopenmodell der KLAK[1] – gemeindeerprobt

1. Anlass

Das Sonderheft der Zeitschrift „Begegnungen – Zeitschrift für Kirche und Judentum“ unter dem Titel „Die ganze Bibel zu Wort kommen lassen – ein neues Perikopenmodell“ kam im Dezember 2009 heraus.[2]
31 Jahre nach der letzten Perikopenordnungsänderung brachte die KLAK damit neuen Wind in eine fünfmal hin- und hergewendete Bibeltextlandschaft mit sechs Perikopenreihen.
Das Sonderheft war in der Ev. Lukaskirchengemeinde Bonn der Anlass darüber nachzudenken, ob nicht probeweise für ein Kirchenjahr, dieses Modell die Grundlage für die Bibeltexte im Gottesdienst werden sollte. Mehrere Sitzungen des Fachausschusses für Theologie und Gottesdienst, Gespräche im Pfarrer/innendienstgespräch, Artikel im Gemeindebrief und eine Presbyteriumssitzung mit Gemeindebeteiligung zum Tagesordnungspunkt „Bibeltexte für den Gottesdienst“ dienten der Information und Vorbereitung auf die mögliche Probezeit.

2. Beschluss

Das KLAK-Modell überzeugte die Gemeindevertretung aus zwei Gründen:
Einerseits bietet es erheblich mehr Texte der Hebräischen Bibel[3] als das herkömmliche Modell[4], darunter Schätze, die noch nie gehoben wurden und die nun endlich in Predigten entfaltet werden konnten.
Andererseits gibt es diese Vielfalt an Texten im Rahmen der traditionellen Sonn- und Feiertagsordnung. Wer also beispielsweise am Sonntag „Misericordias Domini“ das Thema „der gute Hirte“ erwartet, wird nicht enttäuscht. In der neuen Perikopenordnung ist nun aber neben den üblichen Texten aus Johannes 10 und 1. Petrusbrief 2 auch der Psalm 23 als Predigttext vorgesehen.[5] Für die Kenner unter den Gottesdienstbesucher/innen gibt es an jedem Sonntag Altvertrautes. Das wird bewahrt.

Natürlich wurden auch die Stimmen laut, die befürchteten, dass mit dem Übergewicht der Texte aus der Hebräischen Bibel die Botschaft von Jesus Christus, sein Leben und Wirken, das Kreuz und die Auferstehung zu kurz kämen.
Dieser Befürchtung konnte damit begegnet werden, dass die Hebräische Bibel die Bibel Jesu war, die Heilige Schrift, mit der er lebte, und damit, dass in jedem Gottesdienst mindestens das Evangelium gelesen werden soll, sei es als Predigttext oder als zweite, Evangeliums-Lesung.[6]
Dass so die alten Texte im wiedererkennbaren Rahmen der Sonn- und Feiertage berücksichtigt werden und gleichzeitig viel Neues möglich ist und trotzdem die Botschaft von Jesus Christus ihren Platz in jedem Gottesdienst hat, hat die Traditionalisten und die „Erneuerer“ in der Lukaskirchengemeinde gleichzeitig für den Versuch stimmen lassen.

3. Umsetzung

Das Presbyterium beauftragte den Fachausschuss, die eher technischen Fragen und Probleme der neuen Perikopenordnung zu beraten und geeignete Maßnahmen umzusetzen.

Die entscheidende Frage für die Umsetzung war die Gestaltung der Predigtordnung. Im Sonderheft zum KLAK-Perikopenmodell werden drei Modelle vorgeschlagen.[7] Der Ausschuss entschied sich für den Mittelweg. Im ersten Jahr wurde damit für die Predigttexte ein Wechsel nach ungefähr vier Sonn- und Feiertagen festgelegt:

1.-4. Advent: Tora; Christfest I bis Altjahrsabend: Evangelium; Neujahrstag bis 2. Sonntag n. Epiphanias: Propheten; 3. S.n.E. bis Septuagesimae: Epistel; Sexagesimae bis Okuli: Schriften und so fort. Dieses Modell sollte sich bewähren.

Um denen gerecht zu werden, die eine gewisse „Christus-Vergessenheit“ befürchteten, legte der Ausschuss fest, dass das Evangelium an jedem Sonntag zu lesen sei. Wenn der Predigttext das Evangelium ist, dann ist der/die Prediger/in frei bei der Auswahl der beiden Lesungen.

Weitere Schwierigkeiten bestanden darin, dass das alte Lektionar nun nicht mehr jeden Sonntag „funktionierte“, dass der Gemeinde die Predigttexte nicht mehr bekannt waren und dass sich der Lektorendienst wandelte.
Es wurden deshalb zwei – für jede Gottesdienststätte – neue, gut lesbare und schöne Lutherbibeln[8] angeschafft, die gleichzeitig als Altar- und Lesebibeln fungieren sollten. Diese Anschaffung war nötig geworden, weil die alten Luther – Altarbibeln mit der Textversion von 1912 und der Frakturschrift unnötige Hindernisse für Lektoren/innen und die Gemeinde aufrichteten. Als repräsentative Bibeln mit viel Geschichte sind sie selbstverständlich gut aufbewahrt worden.[9]

Da nun der Predigttext nicht mehr z.B. unter der Rubrik „Liturgischer Kalender“ im Evangelischen Gesangbuch (Rheinische Fassung: eg 1005) gefunden werden konnte, wurde festgelegt, sie im Gemeindebrief, auf der Gemeinde-Website und im Monatsblatt zu veröffentlichen. Der vereinfachte Zugang zum Predigttext sollte selbstverständlich die Gemeinde anregen, den Text vor dem Gottesdienst zu lesen.

Für die Lektoren/innen stellte sich eine neue Situation ein. Der Hallelujavers nach der ersten Lesung war nun nicht einfach dem Lektionar zu entnehmen, auch hatte er sich mitunter verändert. Dazu kam, dass die Altarbibel als Lesebibel fungierte und nun in geeigneter Form präpariert und vom Altar geholt werden musste.

Eine Lektorenfortbildung war also dringend angesagt. Die Bibel sollte nun für die erste Lesung richtig aufgeschlagen auf dem Altar liegen, von dort in würdevoller Weise geholt und zum Lesepult gebracht werden. Für die Markierung der zweiten Lesung diente das Leseband. Da in der Altarbibel keine Notizen mehr möglich waren, empfahl sich ein kleiner Zettel auf dem Lesepult mit genauer Kapitel und Versangabe sowie dem ausgeschriebenen Hallelujavers. Den Lektoren/innen wurde dringend empfohlen, mit einer Lutherbibel die Texte zu Hause zu üben.
Wir einigten uns darauf, die Bibel nach der zweiten Lesung auf den Altar zurückzulegen, wenn nicht der/die Prediger/in die Bibel noch für die Lesung des Predigttextes nutzen wollte.
Genaue Absprachen zwischen Lektoren/innen und Predigenden waren nun unumgänglich.[10]

Die Predigenden waren sich durchaus bewusst, dass nicht unbedingt zu allen Predigttexten Sekundärliteratur, Meditationen oder Entwürfe existierten. Zum Teil konnte auf die Datenbank der KLAK zurückgegriffen werden. Zu mehreren Predigttexten war hier entsprechendes Material eingestellt worden, das als hilfreich bezeichnet werden kann.[11]
Nur wenige Texte mussten völlig neu erarbeitet werden. Das Pfarrer/innenteam empfand das nicht als Defizit, sondern als Herausforderung.

4. Umfragen

Das Presbyterium beauftragte den Fachausschuss damit, das Projekt zu evaluieren. In diesem Sinn wurden drei Umfragen unter den Gottesdienstbesuchern/innen durchgeführt.
Die erste fand schon zwei Monate nach Beginn des neuen Kirchenjahrs im Januar statt, die zweite im Juli und die dritte im November 2013.

Im Januar 2014 wurde auf der Gemeindeversammlung ein Meinungsbild nach eingehender Diskussion erstellt, das dem Presbyterium die Entscheidung, ob es die neue Ordnung verlängern wollte, erleichtern sollte.

Neben Fragen zum Alter, zum Geschlecht und zur Regelmäßigkeit der Gottesdienstbesuche versuchten wir mit den Fragebögen herauszufinden, ob die Befragten Unterschiede zu den früheren Gottesdiensten feststellen konnten. Angekreuzt werden konnten Begriffe wie: gravierend und gering. Eigene Begriffe durften eingesetzt werden.

Die zweite inhaltliche Frage beschäftigte sich mit damit, wie die Gemeindeglieder die Textauswahl des/der Prediger/in bewertete. Auch hier konnten eigene Begriffe gefunden werden. Die Befragten wurden ausdrücklich aufgefordert, Kommentare abzugeben.

4.1. Ergebnis

110 Bögen wurden abgegeben, 72 Kommentare verfasst.
Die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer/innen fand den Unterschied zu früheren Gottesdiensten „nicht bemerkenswert“ bzw. „gering“: 53,4 %. Überhaupt äußerten viele, dass es ihnen vor allem auf eine gute Predigt ankäme. Ließe sich daraus folgern, dass der Predigttext einigermaßen egal ist? Ein Indiz dafür könnte sein, dass der Predigttext 1. Könige 19 sowohl am letzten Sonntag n. Epiphanias als auch am 15. Sonntag nach Trinitatis von der gleichen Predigerin gepredigt wurde, ohne dass ein Gemeindeglied darauf aufmerksam machte.[12] 34,7 % der Befragten fanden die Textauswahl für den Gottesdienst unauffällig.
Ist die Textauswahl doch nur etwas für Experten/innen?

Dagegen spricht, dass in 40 % der Fragebögen geäußert wurde, dass die Textauswahl „interessant, gut, angemessen, experimentierfreudig, erhellend, passend, spannend oder plausibel“ war. Auch die, die angaben, die Texte haben ihnen „gefallen“, zähle ich zur großen Gruppe, derjenigen, die sich positiv überraschen ließen. „Überraschend“ ohne eine Wertung wurde von 21 % der Befragten angekreuzt. Zählen wir hier noch die 4 % dazu, die sich geärgert haben oder die Texte bzw. die Predigt zu anspruchsvoll fanden, kann festgehalten werden, dass 66 % durchaus aufmerksam geworden sind auf die Veränderung, die da in ihrem Gottesdienst vonstatten ging.

Die jetzt häufigen Texte der Hebräischen Bibel sind bei den Gottesdienstbesuchern/innen angekommen.

In den ausformulierten Kommentaren überwiegen bei weitem die positiven Rückmeldungen. Immer wieder freuen sich Gottesdienstteilnehmer/innen über die „seltenen“ Texte, betonen sie, wie „interessant“ gerade „die Geschichten aus dem AT“ sind. Einige Beispiele: „Ich lese gern im AT, das ‚pralle‘ Leben wird in vielen Geschichten erzählt“. „Der Blick auf das stärkere… AT erweitert das Wissen um die Grundlagen des Glaubens. Und auch der darin angelegte Dialog mit dem Judentum/dem jüdischen Glauben ist wichtig.“ „Viele Texte kannte ich gar nicht, da ich meist im NT lese.“ „Alte Texte neu hören, ausgelegt bekommen, tut gut. Verkündigung, dass J.Chr. aus diesen Wurzeln uns zum Vorbild wurde, gehört dazu. Muss sein.“
Nicht verschwiegen werden dürfen die – wenn auch im Verhältnis wenigen – kritischen Stimmen: „Die jüngere Gemeinde kennt kaum Texte aus dem neuen Testament… und wir sind Christen. Das AT sollte nur zu Erklärungen herangezogen werden.“ „nicht ärgerlich, aber der hohe Stellenwert – die Häufigkeit des AT ließ mich oft bei der Predigt leer zurück! Manchmal keine Erwähnung von Jesus! (Jesus, der mein Trost im Leben…)“ „Die Texte des NT haben eine stärkere Aussagekraft für mich.“ Die kritischen Stimmen kamen im übrigen nur aus einem der beiden Gemeindezentren mit einer viel stärker traditionsbewussten Kerngemeinde. Diese Gemeindemitglieder sind mit dem 40 Jahre alten Gemeindezentrum zumeist persönlich verbunden, haben den (damaligen Pfarr-) Bezirk mit viel Engagement eigenständig aufgebaut. Das andere (Lukas-) Zentrum ist wesentlich städtischer. Die Fluktuation der Gottesdienstgemeinde ist größer.

Die kritischen Stimmen reflektieren zum Teil eine immer noch tief verwurzelte Distanz zur Hebräischen Bibel, sie spiegeln auch die Angst vor einer Christusvergessenheit, die Sorge darum, dass ihr Kern der Bibel, das Neue Testament, und damit auch die eigentliche Botschaft viel zu selten vorkommt. Manche erfahren die neue Betonung der Hebräischen Bibel als Beliebigkeit.[13]

Viele, auch die positiv Gestimmten, treffen sich in einer Kritik an dem neuen Perikopenmodell: Die Texte sind zu lang. Im Sonderheft heißt es dazu: „Der Umfang der Perikopen wird oft möglichst weit gefasst. Im Einzelfall können Abgrenzungen etwa für einen Predigtschwerpunkt vorgenommen werden. Ein Anliegen ist es aber, den größeren Zusammenhang im Blick zu haben.“[14] Für einen langen Predigttext bot es sich manchmal an, narrativ vorzugehen. Im Erzählen der biblischen Geschichte, des Predigtextes, konnten so schon Predigtideen einfließen, der Text interpretiert werden, ohne dass der Text als Ganzes vorgetragen werden musste. Besser noch scheint zu sein, die langen Texte, wie vorgeschlagen, auf die Kernsätze zu kürzen, auf die sich die Predigt auch bezieht. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, lange Texte in Kopie zu verteilen, und die Kernsätze vorzutragen. Möglich wäre natürlich auch, die Texte mit verteilten Rollen vorzutragen und so lebendiger zu gestalten.

Der „Richtlinie“[15], „…die ersten drei Bereiche[16] gebührend – also in der Regel in zwei von drei Lesungen – zu berücksichtigen“, zu folgen, erweist sich in der Gemeindepraxis als zu ambitioniert. Zu viele und dazu noch lange Texte erscheinen wie „Textwüsten“ und dienen nicht dem Ziel, mehr aus der Hebräischen Bibel zu erfahren, sondern erregen Widerstand.

Die Predigt der neuen Texte ist aus unserer Sicht das Entscheidende, weil die Gottesdienstbesucher/innen gerade durch sie die Relevanz der Hebräischen Bibel für ihren Alltag erfahren. Nochmal: Die Gemeinde will mehrheitlich keine aufgezwungenen langen Lesungen.
Exemplarisch dafür die Meinung einer/eines Befragten: „Ich mag lange Bibeltexte (+komplexe) nicht so sehr, wird ziemlich langatmig +fällt schwer zu folgen. Mir ist ein kurzer Vers lieber und dann eine gute Predigt.“

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es eine weitere kritische Richtung gab, die sich vornehmlich mit einem eher technischen Problem auseinandersetzte. Für die Gemeinde war es ungewohnt, dass die Bibel vom Altar geholt wurde. Einige fanden diesen Vorgang zu unruhig. Hier können sicher einerseits die Gewöhnung und Schulungen für die Lektoren/innen Abhilfe schaffen.

5. Auswertung im Dienstgespräch

Unserer Erfahrung nach, in der internen Auswertung im Kollegen/innen-Gespräch, hat die Auslegung der vielen Texte aus der Hebräischen Bibel Freude gemacht, auch wenn die Gottesdienstvorbereitung mangels geeigneter Predigtliteratur langwieriger war.
Etwas vereinfacht lässt sich sagen: Je interessanter die eigene Vorbereitung mit den Texten ist, desto interessanter kann auch die Predigt sein. Je überraschender die Gedanken aus dem Text sind, desto überraschender und anregender die Gedanken für die Predigt.

Viele Bücher der Bibel sind uns Theologen/innen auch aus dem Studium nicht so geläufig. In der Vorbereitung ging es von daher auch um Einleitungsfragen. Manchmal sind wir der Gefahr erlegen, diese historischen und theologischen Grundlagen ausufernd zu dozieren.
Die große Textfülle aus den fünf neuen Reihen geben genug Material für sich gut ergänzende Lesungstexte, wiewohl wir uns auch darauf einigten, dass mit Rücksicht auf die „Fans“ des NT, das Evangelium immer gelesen werden soll.

6. Das Meinungsbild der Gemeindeversammlung

90 % stimmten für eine Beibehaltung des neuen Modells. 2,5 % enthielten sich. 7,5 % waren dagegen.
Das Presbyterium hat daraufhin die Fortsetzung einstimmig beschlossen.
Sollte es in Zukunft eine EKD-weite verbindliche neue Perikopenordnung geben, wird das Presbyterium diesen Beschluss überprüfen. So eine neue Ordnung sollte sich aber auf das Modell „Die ganze Bibel zu Wort kommen lassen“ stützen.


[1] Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden

[2] Abgekürzt im Text  mit „Modell-2009“

[3] Ich ziehe aus den bekannten Gründen den Begriff „Hebräische Bibel“ der sehr missverständlichen Bezeichnung „Altes Testament“ vor. Die Unterscheidung zwischen „Altem“ und „Neuen“ Bund diente in der Geschichte von Anfang an dazu, den mit Israel geschlossenen Bund als überholt, abgelöst durch den Neuen anzusehen. Erst im letzten Jahrhundert ist u.a. wieder auf Römer 9-11 verwiesen worden. Vgl. Peter von der Osten – Sacken, Unwandelbare Treue, in: Anstöße aus der Schrift: Arbeiten für Pfarrer und Gemeinden, Neukirchen-Vluyn, 1981, 192ff. u.a. Interessanterweise ist es schwierig, im Gemeindealltag den Begriff „Hebräische Bibel“ einzuführen. Die Bemühungen,  in Vorträgen, Predigten ein Verständnis für eine neue Bezeichnung zu wecken, stoßen nicht auf taube Ohren, aber die Gemeinde macht doch deutlich, dass sie beim alten Begriff bleiben möchte. Die Folgerung daraus: Geduldiges Erklären der Schwierigkeiten mit dem Wort „Altes Testament“, manchmal das neue Wort „Hebräische Bibel“ einfließen lassen, kurze Erläuterung warum das jetzt mal so heißt. Die Hoffnung nicht verlieren, dass sich selbst mit dem Begriff „AT“ gedanklich einbürgert, wie er nicht verstanden werden sollte. Am besten wäre es natürlich, wenn sich der Begriff „Tanach“ einführen ließe, aber der ist leider (!) noch viel ungewohnter und umständlicher.

[4] 25 % der Texte der Perikopenordnung von 1978 sind aus der Hebräischen Bibel. Die KLAK-Ordnung hat diesen Anteil mehr als verdoppelt: 60% sind aus der Hebräischen Bibel. Der jüdischen Einteilung der Bibel folgend gibt es jetzt für jeden Sonn- und Feiertag einen Text aus der Tora, den Propheten und den Schriften. Für das Neue Testament ist die Unterteilung in Evangelium und Epistel erhalten geblieben.

[5] Die bekannte alttestamentliche Lesung aus dem Buch Ezechiel ist nun ungestückelt Bestandteil der neuen Reihe. Die Geschichte von Hagar und Ismael als Toratext wird diesem Thema ebenfalls zugeordnet und kann nun auch der Gemeinde präsentiert werden mit allen neuen Aspekten, die diese Geschichte bereithält.

[6] In der Lukaskirchengemeinde gibt es zwei Lesungen. Erst mit der Lesung des Predigttextes werden es drei Lesungen. Die erste Lesung war schon vor dem Versuch nicht automatisch „Epistellesung“. Die zweite Lesung aber immer Lesung des Evangeliums. Unserer Erfahrung nach sind drei Lesungen in einem Gottesdienst der Gemeinde nicht zuzumuten, obwohl Modell-2009, S.3, m.E. etwas realitätsfern davon ausgeht, dass das der Regelfall ist.

[7] Modell-2009, S.3f.

[8] Die zweispaltigen Druckausgaben auch der hochwertigen Lutherbibeln erwiesen sich allerdings als nicht ganz so „vorlesetauglich“ wie zuvor angenommen. Es lohnt sich, hier auf eine längere Suche zu gehen.

[9] Beispielsweise ist die eine der Bibeln das für die neu erbauten evangelischen Kirchen in der damals neuen Bundeshauptstadt Bonn obligatorische Geschenk des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Die Lukaskirche wurde 1958 fertiggestellt.

[10] In den mit großem ehrenamtlichen Engagement erstellten „Lektoren-Dienstplänen“ für alle Sonn- und Feiertage, wird das Evangelium, der Hallelujavers und der Predigttext angegeben.

[12] Diese Doppelung ist ein Indiz, dass das KLAK–Modell noch einmal Korrektur gelesen werden müsste.

[13] Das kann uns Theologen/innen ja nur ermuntern, weiter zu machen, um den Freiheitsgehalt der ganzen Bibel „unters Volk zu bringen“. Allerdings macht schon stutzig, wo die vielen Bibelabende, Bibelkurse und Gespräche versickert sind, bliebe man bei den wenigen, die sich kritisch inhaltlich zu Wort melden.

Positiv gewendet ist die gute, zum Teil auch begeisterte Resonanz auf die neue Ordnung ein Indiz, dass so manche Bildungsveranstaltung gelungen ist.

[14] Modell-2009, S. 3.

[15] Ebd.

[16] Tora, Propheten, Schriften.


Michael Schäfer, Pfarrer on Bonn, Dezember 2014
 

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