Kurzmeldungen




Geistliche Betrachtung anlässlich der Terroranschläge in Paris

Von Peter Bukowski

CCFoto: Dirk Ingo Franke / Berlin

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. (Röm. 12,21).

Das Böse ist zerstörerisch. Das Böse geht über Leichen. Und es entbehrt gerade dann aller Menschlichkeit, wenn es Hass und Gewalt religiös auflädt, wie bei den Terroranschlägen der vergangenen Woche in Paris. Menschenleben wurden – teils gezielt, teils wahllos – zerstört. Aber überwunden hat es seine Opfer und das, wofür sie lebten nicht. Dafür steht der Satz von Stéphane Charbonnier: „Ich ziehe es vor, aufrecht zu sterben, als auf Knien zu leben.“ Vor dem Bösen auf die Knie zu gehen, das heiße sich von ihm überwinden zu lassen.

Ich bin froh, dass ich vor dieser Wahl nicht stehe. Ich fürchte mich davor, einzuknicken, wenn das Böse mir mit solch entfesselter Gewalt begegnete, wie in Paris geschehen. Aber auch uns, die wir diesen neuerlichen Einbruch des Bösen als nicht unmittelbar Getroffene miterleben, gibt das Wort des Paulus wichtige Hinweise.

Sich nicht überwinden lassen, das bedeutet für uns: Lasst Euch nicht anstecken!  Vom Bösen geht nämlich immer die Gefahr der Ansteckung aus – ausbreiten möchte es sich wie ein schlimmes Virus. Die Symptome nehmen schon Gestalt an: Die schon länger versuchen, unsere Gesellschaft zu spalten, die meinen vor Überfremdung warnen zu müssen und Islamophobie schüren, die gerieren sich jetzt als prophetische Stimme: „Jetzt seht Ihr, wohin das führt, wenn Ihr unsere Mahnungen in den Wind schlagt!“

Sich anstecken lassen – das geschähe auch, wenn Verteidigungsstrategien forciert würden, die das auf´s Spiel setzten, was den Terroristen ein Dorn im Auge ist: unsere freiheitliche, offene Gesellschaft. Wehrhafte Demokratie: Ja. Aber nicht um den Preis der Freiheit. In die richtige Richtung weist, dass unsere politisch Verantwortlichen zum Zusammenhalt der Gesellschaft aufrufen und nicht zum „Kampf gegen die Achse des Bösen“!

Zentral in der Ermahnung des Paulus ist, dass er es nicht bei der ersten  Hälfte seines Satzes belässt. Alles Gewicht liegt darauf, dass es mit „sondern“ weitergeht. Sonst könnte die Irrmeinung entstehen, es reiche, sich selbst vor dem Bösen möglichst fern zu halten; also den  gesicherten Rückzug anzutreten: in´s Private, ins persönliche kleine Glück, in die fromme Innerlichkeit, in den Schutzraum einer bergenden Gemeinschaft.  Abgesehen davon, dass solcher Selbstschutz sich als trügerisch erweisen wird – dem Bösen und seinen Agenten gefallen solche, die „ihr Ding machen“ und deshalb nicht weiter stören.

Hier sagt der Apostel: Nicht Rückzug, sondern: Sondern überwindet das Böse mit Gutem. Ist das naiv? Ist es nicht effizienter, dem Bösen – Ansteckung hin, Ansteckung her - mit seinen Waffen zu begegnen, zu versuchen, es mit Gewalt auszumerzen? Die Erfahrungen, die wir mit diesem Weg gemacht habe, sind – gelinde gesagt – ernüchternd: Am Ende all der hart geführten Kriege im Irak und in Afghanistan steht ein menschenverachtender radikaler Islamismus stärker da als zuvor.

Paulus plädiert für eine Überwindung des Bösen mit Gutem. Wohlgemerkt: Überwindung! Also weder Verharmlosung, noch Arrangement, noch Duldung. Überwindung!

Geboten ist also, dem Bösen Gutes entgegen zu setzen: Engagiert, kämpferisch auch und mit langem Atem. Gott sei Dank nimmt auch diese apostolische „Strategie“ Gestalt an:

Wo Islamisten auf Einschüchterung und Zersplitterung der Gesellschaft setzen, beweisen Bürgerinnen und Bürger aller kulturellen Hintergründe Solidarität: „Je suis Charlie“ bezeugen Tausende und Abertausende – davon viele, denen persönlich die Satiren und Karikaturen von Charlie Hebdo nicht gefallen haben, aber darum geht es jetzt eben gerade nicht.

Wo Islamisten den Islam schändlich missbrauchen, hören viele auf das Zeugnis der Muslime, die diesen Missbrauch ihrerseits entlarven und sich davon distanzieren – und glauben Ihnen.

Und statt auf unserer Seite eine Aufspaltung der Gesellschaft zu betreiben, setzen auch viele von uns auf die Kraft von Verständigung und Gemeinschaft: Als Gemeinschaft verschiedener Religionen ringen wir um Versöhnung und kämpfen gegen den Missbrauch des Namens Gottes – auch in unseren eigenen Reihen und in  der Aufarbeitung unserer eigenen christlichen Schuldgeschichte.

Und wir wissen oder ahnen zumindest: Glaubwürdig werden unsere verbalen Kundgebungen nur in dem Maße sein, in dem wir den Opfern praktisch beistehen. Jeder im Mittelmeer ertrunkene Flüchtling ist ein weiterer Sieg des Bösen. Ebenso jeder Fremde, der bei uns übersehen und ausgegrenzt bleibt.

Zuletzt: Wir glauben, dass auf  der Überwindung des Bösen mit Gutem Gottes Segen liegt. Die ermutigenden Erfahrungen von Gemeinsamkeit, das Glück helfen zu können und den eigenen Horizont zu erweitern im Kontakt mit Fremden machen den Segen deutlich.

Gott, der dem Bösen seiner Menschenkinder mit der Kraft seiner Liebe begegnet, hält uns die Zukunft offen.

Peter Bukowski, 10. Januar 2014

 

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