Kurzmeldungen




Wort Gottes und Ökumene

Michael Weinrich als Professor in Bochum verabschiedet

„Die Größe des Straußes ist umgekehrt proportional zur Größe des Dankes“. - Verabschiedung von Prof. Dr. Dr.h.c. Michael Weinrich in Bochum

Mit einem Symposium zu "Wort Gottes und Ökumene" verabschiedete die Ruhr-Universität Bochum Michael Weinrich in den Ruhestand. Im Oktober 2005 hatte Weinrich den Lehrstuhl für Systematische Theologie: Ökumenik und Dogmatik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät übernommen. Davor lehrte er in Berlin und Paderborn. Im Moderamen des Reformierten Bundes ist Weinrich seit 1986 berufenes Mitglied.

„Wort Gottes und Ökumene“ - der Titel sagt, wem die Theologie Weinrichs dient und lässt schon vermuten, wer dabei sein „Lehrer“ war: Karl Barth. Ihm widmete Weinrich seine eigene Abschiedsvorlesung, genauer gesagt: dem Karl Barth, der mit „seiner spezifischen Entdeckung und theologischen Neujustierung des Wortes Gottes“ einen besonderen Beitrag zur Ökumene gesucht habe.
Befreiung aus der „Selbstverschlossenheit“ gebe das Wort Gottes dem neuzeitlichen Menschen, der „Gott als ein tatsächliches Gegenüber“ verloren und das eigene religiöse Bedürfnis zum „Maßstab der Weltwahrnehmung“ erhoben habe, so Weinrich.
Die Kirche wiederum erinnere das Wort Gottes daran, dass sie das, wovon sie bestenfalls rede, also Gott, nicht in der Hand habe: „Unsere Gottesrede ist nicht identisch mit der Selbsterschließung Gottes“. Prinzipiell aussichtslos irre die menschliche Wahrheitssuche trotz eigener Verlegenheit in der Gottesrede jedoch nicht umher. Der „Ton vom Ostermorgen“ (Barth) überlasse unsere Erkenntnis „nicht wehrlos der Macht des Todes“.

Pünktliche Katholizität und kontextuelle Bewährung

„Jedem ekklesiologischen Exklusivismus“, betonte Weinrich, steht das Wort Gottes entgegen. Es „lenkt die Aufmerksamkeit der Kirche weniger auf sich selbst als vielmehr auf ihre Sendung und ihren Auftrag“, im von Gott gestifteten Bund „an die Seite Israels gestellt“. Dabei weist das biblische Zeugnis die „Blickrichtung“, aus der uns „das Entgegenkommen des Wortes Gottes verheißen ist“.

Die „gemeinsame Angewiesenheit auf die Zuwendung Gottes“ relativiere den Bekenntnisstand der Kirche, erläuterte Weinrich mit Verweis auf das Miteinander von lutherisch, reformiert, uniert in Barmen – rund 40 Jahre vor der Leuenberger Konkordie!
Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 zeigt auch, wie das Wort Gottes nicht in abstrakter Allgemeinheit, sondern in „konkreter Pünktlichkeit“ aktuell ist.
Aber auch bei Barmen kann die Kirche wohl nicht stehen bleiben. Weinrich: „Es gibt keinen Bestand an fertig portionierten Antworten, sondern die Kirche muss sich immer wieder neu den gegebenen Umständen öffnen“.

Verbindlich ökumenisch zu sein fordert Weinrich nicht nur für das theologische Denken, er praktiziert es auch. Von all den Gremien, in denen er als Ökumeniker aktiv ist, seien hier nur stellvertretend für viele zwei genannt der Rat der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE),(Leuenberger Kirchengemeinschaft) und die Weltgemeinschaft reformierter Kirchen (WGRK). Für letztgenannte ist Weinrich oft unterwegs, u.a. als Mitglied im Global Theological Network und in der Gruppe zum Dialog mit der Orthodoxen Kirche (Ökumenisches Patriarchat).

Was Josef Ratzinger von Karl Barth lernte

Selbstverständlich war auch das Abschiedssymposium am 17. Juni ökumenisch. Der katholische Professor für ökumenische Theologie Wolfgang Thönissen, Paderborn, warf einen pointierten Blick auf die katholische Wort Gottes Theologie. Die neuscholastische Theologie, die Gnade nur als „Übernatur“ kenne und keine Freiheit für wirkliche Gnadentheologie biete, sei mit Hilfe von Barths Wort-Gottes-Theologie zu erneuern. Das habe nicht nur Hans Urs von Balthasar erkannt. Auch Josef Ratzinger habe sich von Karl Barth sagen lassen, dass Offenbarung Selbstoffenbarung Gottes ist, und: „Gott redet, indem er handelt“. Thönissen ist überzeugt: Mit Karl Barth greift man zurück in die Tradition der Kirchenväter. Hinter der Spaltung ist die Einheit zu entdecken und fruchtbar zu machen.

Suchend - Fragend

Aus Straßburg war André Birmelé, assoziierter Professor am Ökumenischen Institut des Lutherischen Weltbundes, angereist. Als Systematiker, der selbst an der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (1999) mitarbeitete, warnt Birmelé davor, ein Zeugnis absolut zu setzen. Die Rechtfertigungsbotschaft sei nicht Rechtfertigungslehre und Wahrheitssuche sei nicht mit dem Ergebnis zu verwechseln.

In diesem Sinne habe Michael Weinrich seine Seminare eröffnet, verriet seine Mitarbeiterin Annegreth Schilling: Es gehe nicht darum, fertige Antworten zu lernen, sondern Fragen zu stellen. Nur könne der, der mehr wisse, bessere Fragen stellen.
Da ist es ein Glück zu hören, dass Weinrich bereits an einem Arbeitsbuch zu Karl Barth schreibt.

Theologie als Funktion der Kirche

Stellvertretend für die Evangelische Kirche von Westfalen dankte Ökumene-Dezernent Ulrich Möller einem Theologieprofessor, der in seiner Kirche vor Ort verwurzelt ist. Michael Weinrich habe deutlich gemacht: „Theologie ist eine Funktion der Kirche“. In kritischer Solidarität stärke er seine Kirche. In Westfalen ist Weinrich Mitglied im „Ständigen Ausschuss für Weltmission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung“.

Zum Dank an einen großen Gelehrten überreichte Dekanin Ute Gause einen kleinen Blumenstrauß in menschlich, allzu menschlicher Verlegenheit:
„Die Größe des Straußes ist umgekehrt proportional zur Größe des Dankes“.

Mehr zu und von Michael Weinrich:

Internetseite des Lehrstuhls:
http://www.ev-theol.rub.de/lehrstuehle/weinrich/ls-inhaber.html

Publikationen:
http://www.ev-theol.rub.de/lehrstuehle/weinrich/publikationen.html

bs, 18. Juni 2015


Zum Abschied eine Bochum-Collage

 

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