Kurzmeldungen




„Unser Vater, unser König“ – an Rosch ha-Schana sind sich Juden und Christen ganz nahe

Neujahrsgruß von Prof. Dr. Klaus Müller, Karlsruhe

Alvin Curran spielt ein Schofar in San Francisco, 2009; ccFoto: Susan Levenstein.

„So wurde aus Abend und Morgen ein Tag“, heißt es auf den ersten Zeilen der Bibel – ein erster Tag in Gottes Schöpfung. Neuanfang. Eine neue Chance für das Leben. Wenn am Abend des 13. September nach jüdischer Zählung ein neues Jahr anhebt, ist zwar nicht alles neu geworden, aber Vieles auf Anfang gestellt. Ein neuer Schöpfungstag. Neue Möglichkeiten und erneuerte Hoffnungen für einen neuen Anfang.

Rosch Ha-Schana erinnert an den - immer wieder neu erlebbaren - Anfang des Lebens, die Erschaffung des Menschen und ruft auf zur Anerkennung des Schöpfungswerks und seines Schöpfers. In allen Synagogen erklingt das Schofar, das Horn des Widders. In seinem Ton schwingt die weithin hörbare Frage des Schöpfers an sein Geschöpf mit: „Adam, wo bist du? Mensch, wie stehst du vor deinem Schöpfer und den Kreaturen aus seiner Hand?“

Rosh Ha-Schana, ein Tag der inneren Umkehr, ein Tag des Gerichts, ein kritischer Tag. Der Mensch wird aufgerufen, den Willen des Schöpfers nachzuahmen, jegliches Leben zu erhalten und zu respektieren, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Liebe walten zu lassen. Jeder Mensch ist aufgerufen, sich tagtäglich um die Erneuerung des Frieden zu bemühen, er bittet innig seinen Schöpfer um Verzeihung, um Nachsicht und Gnade im Gebet des „Avinu Malkenu“ – „Unser Vater, unser König“.

All dies ruft uns als Juden und Christen in eine ganz enge Gemeinschaft vor unserem Gott. Diese Gemeinschaft meint auch eine gemeinsame Verantwortung für unsere Welt, die Schöpfung Gottes und ihr Wohlergehen. Es ist ein faszinierender Gedanke, dass der jüdische Glaube den Jahreslauf mit diesem im Besonderen universal geprägten Fest beginnt. Erst der Blick auf das Ganze lässt auch das Eigene wahrnehmen.

Wir stimmen als Christen an diesem Jahresbeginn mit ein in das „Avinu Malkenu“ – „Unser Vater, unser König“. Wir tun dies im Nachsprechen jenes Urgebetes, das Jesus den Seinen übergeben hat – das Vaterunser – und glauben uns mit den jüdischen Geschwistern in eine gemeinsame Gotteskindschaft hinein gerufen. Und wir richten uns mit den Psalmen Israels auf den himmlischen König aus, dem allein die Macht gehört und der alle irdischen Machthaber in die Schranken weist.

„Unser Vater, unser König“ – Christen können den jüdischen Betenden auch in der Fortsetzung dieser Worte folgen: „… sei uns gnädig und erhöre uns, denn nichts haben wir vorzuweisen an guten Werken; übe an uns Gerechtigkeit und Erbarmen und errette uns!“ „Unser Vater, unser König“ - ihm ist allemal zuzutrauen, unsere eine Welt einem guten Jahr entgegenzuführen für Jüdinnen und Juden und alle Menschen dieser Erde – nicht ohne seine Botschafterinnen und Mithelfer aus den Glaubensgemeinschaften, die im Gebet vor ihn treten mit dem „Avinu Malkenu“.

Ein Gruß an die jüdischen Gemeinden und alle Menschen dieser Erde, die sich nach einem guten Jahr sehnen. „Schana tova“ - ein segensreiches und friedvolles Neues Jahr.

Herzlichst,

Klaus Müller

Beauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden für das christlich-jüdische Gespräch
und Vorsitzender der Konferenz landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden (KLAK)

 

 

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