Sport ist Mord

Einspruch! - Mittwochs-Kolumne von Georg Rieger


Foto: APA/QATAR 2022 WORLD CUP BID COMMITTEE HO

Der Winston Churchill zugesprochene berühmte Satz bekommt diese Tage eine ganz neue Deutung.

Statt fröhlicher Fans und spannender Spiele, sehen wir in der Halbzeitpause Bilder von Verwüstungen und zusammengeschlagenen Menschen. Die Angst vor Terroranschlägen schwingt auch bei jedem Anpfiff mit.

Brasilien investiert Milliarden in die Olympischen Spiele, doch die Bevölkerung hat andere Sorgen: Die Stadt Rio de Janeiro ist pleite und muss Krankenhäuser schließen. Menschen sterben an der Zika-Epidemie. Leichenteile schwimmen in der Bucht, in der die olympische Segelregatta ausgetragen wird. Das sei ganz normal, erklärt die Polizei.

Aus Russland hört man nicht viel, doch wie friedlich die WM in zwei Jahren zu werden verspricht, kann man an den Bildern aus Marseilles ablesen.

Ganz besonders krass ist die Situation schon jetzt im übernächsten Austragungsland der Fußball-Weltmeisterschaft. Gewerkschaften rechnen bis zur Fertigstellung aller Einrichtungen im Jahr 2022 in Katar mit 4000 bis 7000 toten Wanderarbeitern.

Leichen pflastern den Weg des Sports durch die Welt.

Es kostet mich im Moment schon echt Überwindung, der Europameisterschaft Unterhaltungswert abzugewinnen. Wenn sich bei Sportveranstaltungen Aggressionen und krude politische Einstellungen austoben, dann vergeht mir der Spaß auch an außergewöhnlichen sportlichen Leistungen und schönen Spielzügen.

Anderseits ist das, was da momentan in Frankreich und bald in Brasilien abgeht, als öffneten wir ein Fenster und sähen einmal dahin, wo wir sonst als behütete Bürgerinnen und Bürger nicht hinsehen. Großveranstaltungen entlarven die Konstitution einer Gesellschaft. Bei solchen Gelegenheiten werden Stimmung, Respekt, Gemeinschaftsgeist und Toleranz auf die Probe gestellt.

Spätestens bei dem Massenmord in Katar ist aber eine Grenze erreicht, die das Zusehen verbietet und unseren Protest herausfordert. Und zwar eher heute als morgen. Wir wissen ja inzwischen, wie die Entscheidung für diese Wüsten-WM zustande gekommen ist und sollten die enthemmten und gewissenlosen Sportfunktionäre nicht mehr schalten und walten lassen.

Können wir als Kirchen nicht auch einmal moralisch auf den Sport einwirken und den Deutschen und Europäischen Fußballverband zum Gespräch bitten? Und wenn das folgenlos bleibt, in der Öffentlichkeit Druck ausüben. Ein Boykott dieser Weltmeisterschaft des Todes ist doch geradezu eine Pflicht für alle, die noch Respekt vor dem Leben haben.

Georg Rieger