EKvW: Alle gleich – alle anders

Präses Kurschus: Kirche muss Türen für alle offen halten

WESTFALEN - Die bunte Vielfalt des menschlichen Lebens ist aus christlicher Sicht wertvoll – und zugleich ohne Bedeutung für Gottes Liebe zu jedem einzelnen Menschen. Diesen „seltsamen und wunderbaren Widersinn des Evangeliums“ hat die westfälische Präses Annette Kurschus am Samstag (8.9.) in Schwerte-Villigst als Modell für Kirche und Gesellschaft beschrieben. „Die Vielfalt wird gewürdigt – gerade indem sie vor Jesus Christus aufgehoben ist“, sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen auf einer Partnerschaftstagung mit Gästen der amerikanischen United Church of Christ (UCC).

Alle gleich - alle anders

Das Thema dieses UCC-Forums lautete „All inclusive – Teilhabe für alle“. Präses Kurschus erläuterte die biblischen Wurzeln, die etwa den Gesetzen „zum Schutz der Vielfalt und die Gestaltung des diskriminierungsfreien Zusammenlebens“ des Europarates zugrunde liegen. Dessen Motto „all equal – all different“ (alle gleich – alle anders) entspreche der jüdisch-christlichen Glaubensüberzeugung, dass jeder Mensch – bei allen Unterschieden – von Gott mit der gleichen unverlierbaren Würde ausgestattet ist.

Selbstkritisch räumte die Präses ein, dass auch die Kirche von der „Teilhabe für alle“ noch weit entfernt sei. Trotz der biblisch begründeten Überzeugung: „Alle sind willkommen“ würden in den Gemeinden und in der Kirche insgesamt längst nicht alle spüren, dass sie willkommen sind. Die Hauptfrage müsse bleiben: „Wie bringen wir das Evangelium so unter die Leute, dass jeder und jede spürt: Ich bin gemeint?“ Ob alleinerziehende Mütter, Drogenabhängige, Hartz IV-Empfänger, Homosexuelle oder Asylbewerber: „Wie halten wir die Türen so offen, dass sie wirklich zum Eintreten einladen?“ Als gelungenes Beispiel nannte Annette Kurschus Tauffeste, an denen sich auch viele beteiligten, die nicht dem gängigen Familienideal entsprechen: Alleinerziehende, Menschen, die sich keine eigene Feier leisten können, „Unsichere und Zweifler, die irgendwie interessiert, aber durchaus keine Kirchgänger sind“. Im Jahr der Taufe 2011 haben in der Evangelischen Kirche von Westfalen erstmals zahlreiche dieser gemeindeübergreifenden Feste mit bis zu 120 Taufen stattgefunden.

Radikale Inklusion

Pfarrer Robert F. Molsberry aus Columbus/Ohio erklärte, das Prinzip der „radikalen Inklusion“ sei der rote Faden und der Schlüssel zum Verständnis der Bibel. Die Perspektive der Behinderung gebe der Kirche „eine Sehhilfe“, um dies zu erkennen und praktisch umzusetzen, sagte Molsberry, der nach einem Unfall seit 15 Jahren querschnittsgelähmt ist. Seine Kirche, die UCC, und die Evangelische Kirche von Westfalen sind partnerschaftlich verbunden. Die United Church of Christ ist unter den Kirchen der USA seit langem führend in der Beteiligung aller Menschen, unabhängig von Behinderung, sexueller Orientierung oder Hautfarbe. Schon 1853 wurde in der UCC eine Frau als Pfarrerin ordiniert.


Pressemeldung der EKvW, 10. September 2012