„... Ihr aber seht mich, weil ich lebe; und ihr sollt auch leben.“

Sich auf die Osterbotschaft einlassen – Leben erfahren

Die Worte der Jahreslosung ausgelegt von Klaus Wengst, Professor für Neues Testament in Bochum

Die neutestamentliche Forschung betrachtet die Worte der Jahreslosung als Teil der ersten Abschiedsrede Jesu. Diese Rede beginnt mit Johannes 14,1 und endet mit Vers 31. Klaus Wengst schreibt in seinem Kommentar zum Johannesevangelium:

„In V. 19 stellt Jesus zunächst fest: ‚Noch eine kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr.‘ Bis zu seinem Tod ist es nur noch ‚eine kurze Zeit‘. Dann wird er von Außenstehenden nicht mehr wahrgenommen, gilt er für sie als erledigt. Mit seiner Hinrichtung werden für die Welt die Akten über Jesus geschlossen. Für sie wird Jesus, der so ‚weggeht‘, auch wirklich weg sein. Nicht aber für seine Schüler: ‚Ihr aber seht mich, weil ich lebe.‘ ‚Ich lebe‘ – das sagt hier derjenige, der in den Tod geht. So erklingt an dieser Stelle die Osterbotschaft; und so wird die das Evangelium nicht zum ersten Mal lesende und hörende Gemeinde bei der Ankündigung des Sehens zunächst an die an seinem Schluss erzählten österlichen Erscheinungen Jesu denken. Daraufhin bezeugen ja Mirjam aus Magdala und die zehn Schüler ausdrücklich, dass sie ‚den Herrn gesehen‘ haben (20,18.25). Aber das ist nur ein Aspekt. Dieses nur begrenzte Sehen ist ja für die lesende und hörende Gemeinde schon wieder Vergangenheit, und doch weiß auch sie sich mit den Schülern von Jesus angeredet, vor allem, wenn er fortfährt: ‚Und ihr sollt auch leben.‘ Sie erfährt Leben, indem sie sich auf die Osterbotschaft einlässt und dich an das Vermächtnis Jesu hält. Darin nimmt sie ihn als lebendig Gegenwärtigen wahr. In ihrer Lebendigkeit spiegelt sich wider, dass er lebt.“ (Wengst, 128; ohne Anmerkungen).

Aus: Klaus Wengst, Das Johannesevangelium. 2. Teilband: Kapitel 11-21 (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 4,2), Stuttgart, Berlin, Köln 2001