Energiewende von unten

19 Projektentwickler für lokale und regionale Energiegenossenschaften erfolgreich ausgebildet, um nachhaltige Energieerzeugung in Bürgerhand zu fördern.

Darmstadt/Mainz/Bad Münster am Stein. Während die Bundesregierung noch über den Atomausstieg berät, nehmen Bürger die Energiewende selbst in die Hand und gründen lokale und regionale Energiegenossenschaften.

„Wir wollen nicht mehr warten“, sagt Karin Holthausen. Und Iris Degenhardt-Meister ergänzt: „Energiegenossenschaften dienen der Dezentralisierung und Demokratisierung der Energieversorgung, denn sie bieten die Möglichkeit, Bürger zu beteiligen.“ Außerdem stärkten sie die regionale Wirtschaft. Die beiden Frauen aus Hessen zählen zu den 19 Absolventen des dritten bundesweiten Weiterbildungskurses „Projektentwickler/in für Energiegenossenschaften“, den die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit durchgeführt hat und der am 8. Juni 2011 mit der Zertifikatsübergabe auf der Ebernburg in Bad Münster am Stein endete.

Die Architektin und Solarberaterin Karin Holthausen gehört dem Umweltausschuss der evangelischen Kirchengemeinde in Messel an. Um kirchliche Dächer für Photovoltaikanlagen zu nutzen, will sie anregen, im Dekanat Reinheim eine gemeinsame Energiegenossenschaft zu gründen. „Photovoltaikanlagen sind wegen der sinkenden Einspeisungsvergütungen nicht mehr so gewinnträchtig wie früher“, hat sie in der Weiterbildung gelernt. Ein, zwei Dächer genügten heute nicht mehr, um wirtschaftlich zu sein, die Kirchengemeinden sollten sich lieber zusammenschließen: „Die einen Gemeinden haben schon etwas in Eigenregie gemacht, die anderen wollen auch gern, besitzen aber keine geeigneten Dächer, und die dritten haben die Dächer, aber kein Geld.“

Iris Degenhardt-Meister ist es ebenfalls wichtig, dass Energie dort erzeugt wird, wo sie verbraucht wird. Mit der Weiterbildung hat sich die Rechtspflegerin und SPD-Stadtverordnete aus dem nordhessischen Wolfhagen gezielt auf die Gründung der „BürgerEnergie-Genossenschaft Wolfhagen“ vorbereitet, die 25 Prozent der Stadtwerke übernehmen soll. „Im Kurs habe ich viel über die technischen und betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge gelernt.“ Sie spielt nun mit dem Gedanken, in der Energiegenossenschaft ein Amt zu übernehmen.

„Mein Wunsch an Sie ist, dass sie Missionare werden in dem Sinne, dass Sie Menschen aktivieren, sich dort zu engagieren, wo normalerweise nur Konzerne agieren“, gibt Günter Böhmer vom Zentrum Bildung der EKHN mit Sitz in Darmstadt den Absolventen mit auf den Weg. Das Zentrum Bildung und das Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN in Mainz sind Bildungsträger des dritten Kurses. Zum Trägerverbund gehören auch die Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung e. V. (DEAE) und die innova eG, die sich seit Jahren für genossenschaftliche Neugründungen engagiert.

Das Projekt „Energiewende jetzt“ hat sich eine nachhaltige Energiewirtschaft in Bürgerhand zum Ziel gemacht und bildet dafür seit März 2010 Projektentwickler für Energiegenossenschaften aus. Die bundesweit einmalige Weiterbildung dauert vier Monate und kombiniert mehrtägige Seminare mit internetgestütztem Lernen, die Teilnehmer arbeiten an konkreten Projekten. Das Pilotprojekt erhielt im September 2010 den Weiterbildungspreis des Landes Rheinland-Pfalz. Deutschlandweit haben sich nunmehr rund 70 Projektentwickler qualifiziert, die sich untereinander vernetzen. Die Absolventen der ersten beiden Kurse gründeten bislang acht Energiegenossenschaften.

Die nächsten Kurse beginnen am 26. September 2011 in Thüringen und am 12. März 2012 in Bayern. Mehr Informationen unter: www.energiegenossenschaften-gruenden.de

Foto: gammelstaad, „Holz vor der Hütten“, CC-Lizenz (BY 2.0); www.piqs.de


Pressemeldung der EKHN, 8. Juni 2011