Konfessionslos glücklich

Notat to go. Von Barbara Schenck


©Foto: Andreas Olbrich

Konfessionslos glücklich - der Titel ist geklaut. Von einem Barth-Buch. Nein, nicht von Karl, von Hans-Martin Barth, Professor em. für systematische Theologie in Marburg. Konfessionslos glücklich, das klingt nach einem guten Aufhänger für eine Polemik pro Konfession. Zu dumm nur: Der Autor bietet wenig Angriffsfläche.

Sein Weg zu einem religionstranszendenten Christsein ist keine Kampfschrift wider das Konfessionschristentum, nur ein Plädoyer für ein Kirche-Sein, das offen ist für Menschen, die sich selbst konfessionsfrei, religionslos, areligiös oder atheistisch nennen und damit keineswegs unglücklich sind.
Wer - trotz Funktionsverlust der Konfessionalität - ganz selbstverständlich einer Konfession angehört und mit seinem Heimathafen zufrieden ist, dem sei's gegönnt. Konfession ist für Barth eine Suchgemeinschaft, die in ihrem Bekenntnis eine hermeneutische Vorgabe sieht für das in der jeweiligen Situation notwendige neue Bekennen. Immer wieder neues Bekennen, das klingt reformiert, allerdings scheint der Autor nicht an die Neuformulierung verbindlicher kirchlicher Bekenntnisse zu denken, eher an private Glaubensbekundungen. Die Attribute für Barths Glaubensideal dürften Reformierten bekannt vorkommen: nüchtern, wachsam, erwartungsvoll. Das Bilderverbot scheint der Lutheraner Barth auch zu schätzen. Ausdrücklich verweist er mit einem Wittgenstein-Zitat auf die Grenzen der Selbstwahrnehmung: Ein Bild hielt uns gefangen. Aus Dietrich Bonhoeffers Entwurf für ein religionsloses Christentum bildet Barth einen Leitsatz moderner Nachfolge: Jesus - der Mensch für andere. Dabei kennt der Theologe den Vorwurf, dass alles nur auf Ethik hinauslaufe, ein Vorwurf, der vermutlich nicht aus reformiertem Mund ertönt.
Vor fast dreißig Jahren veröffentlichte Kurt Marti seinen Text Konfession als Ausgangspunkt. Den neutestamentlichen Satz Gott ist die Liebe fand er damals in keiner Konfession als Bekenntnissatz. Als fürchte man sich, so Marti, dass dieser Satz Autoritäten unterhöhlen, Götzen stürzen, Institutionen gefährden könnte, wenn er einmal theologisch durchdacht, ethisch entwickelt würde auf Orthopraxie hin. In Konfessionslos glücklich scheint die Liebe Gottes als Botschaft für nicht-religiöse Menschen. Desweiteren soll die Sprache des Glaubens kommunikabel sein, die Kirche gastfreundlich, lernbereit, wenig besorgt um ihren Fortbestand, so Hans-Martin Barth. Die reformierte Spielart des Glaubens gebe die reale Freiheit zum Dialog mit anderen Konfessionen, Weltanschauungen, Religionen, so Kurt Marti. Also Schenck: Wende ich meine reformierte Hermeneutik auf einige Charakteristika des religionstranszendenten Christseins an, kann ich leicht urteilen: Wir sind auf dem empfohlenen Weg. Die evangelisch-reformierte Konfession ist die zukunftsfähigste. Vermutlich denken andere anders.
Der Rat, offen für Atheisten zu sein, gefällt mir. Mein Lehrer Karl Barth empfahl bereits mit klaren Worten, Feuerbach zu lesen. Hans-Martin Barth entdeckt auf Postkarten an Berliner Kiosken Selbstbekenntnisse à la Wir versprechen nichts, aber das halten wir auch. Mein Liebling unter diesen Sprüchen ist zur Zeit: Das Sein verstimmt das Bewusstsein. Da A-Religiöses ja fruchtbar sein kann fürs Christsein, formuliere ich: Die glücklichen Konfessionslosen verstimmen das Kirche-Glauben. Zur Postkarten-Marx-Kritik gesellt sich in meinem Bücherregal ein Comic zum philosophischen Enfant terrible unserer Tage: Slavoj Žižek. Der analysiert die herrschende Ideologie im Kapitalismus. Diese sieht, so der atheistische Philosoph, im Streben nach einem sinnvollen Leben den Schlüssel zum Glück. Auf dem Markt werden Waren angepriesen als Gewinn an Status und Erlebnis. Der Versuchung, christlichen Glauben, gar die Wirkung des Heiligen Geistes wie ein Produkt zur Sinngebung zu bewerben, widersteht auch Hans-Martin Barth nicht gänzlich. Sinnfülle des Lebens nennt er Geist und Wahrheit in Jesus.
Theologisches Denken, sei's konfessionell, sei's konfessionsfrei, ist halt Teil der unvollständigen Realität*. Und Gott? Ruft zur Freiheit, ruft, unsere Herzen und Sinne auszurichten nach seiner Weisung, nach Jesus Christus.

*Frei formuliert in Anlehnung an Slavoj Žižek.

Quellen:
Hans-Martin Barth, Konfessionslos glücklich. Auf dem Weg zu einem religionstranszendenten Christsein, Gütersloh 2013. Zitate: 179.233.56.137.230.19.49.235.
Interview mit Hans-Martin Barth auf donradio.de:
http://www.domradio.de/themen/kultur/2013-09-10/konfessionslos-gluecklich-buch-ueber-die-zukunft-der-religion
Internetseite von Prof. Dr. Hans-Martin Barth: http://luthertheologie.de/
Kurt Marti, Konfession als Ausgangspunkt (1986), in: ders., Der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde, Stuttgart 2001, 41-43.
Slavoj Žižek. Ein Sachcomic. Autor: Christopher Kul-Want, Illustrationen: Piero, Reihe: INFOcomics, TibiaPress Verlag, Überlingen 2013 (dt. 2012, engl. 2011).

Barbara Schenck, 8. Januar 2014