Palliativmedizin und Organspende

Bericht von der Diakonischen Tagung der Evangelisch-altreformierten Kirche


Dr. Reinold Petermann

Palliativmedizin und Organspende, diesem medizinisch-ethischen Thema widmete sich die diakonische Tagung der Evangelisch-altreformierten Kirche in Niedersachsen. Dr. Reinold Petermann, Nordhorn hielt das Impulsreferat.

Petermann ging zunächst auf die Palliativmedizin ein, die aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken sei. Wurden früher Sterben und Tod als unabwendbarer Teil unseres Daseins begriffen, sei durch die Entwicklung in der Medizin und durch die Änderung im sozialen Umfeld, u.a. mit der steigenden Lebenserwartung, ein Wandel eingetreten. Aufgrund der Technisierung der Medizin wurde zunächst die Lebensverlängerung als Erfolg gefeiert. Erst danach habe man erkannt, dass ein längeres Leben auch Probleme in der Lebensqualität mit sich bringe, so Petermann.

1967 - Erstes Hospiz in London

Er erwähnte die großen Leistungen der englischen Ärztin und Krankenschwester Frau Dr. Cicely Saunders auf dem Gebiet der heutigen Palliativmedizin. Cicely gründete bereits im Jahre 1967 in London ein Hospiz, weil sie der Meinung war, dass Menschen, die nicht mehr auf eine Heilung hoffen können, eine besonders gute Betreuung brauchen. In ihrem Hospiz wurden Patienten, die nach dem medizinischen Sprachgebrauch „austherapiert“ waren, fürsorglich bis zum letzten Atemzug begleitet.

In der Medizin wuchs nach den Ausführungen von Dr. Petermann die Erkenntnis, dass die erreichten Fortschritte in der Behandlung nicht nur Gutes bewirkten, sondern am Lebensende durch eine mögliche Übertherapie auch zu einer Verlängerung des Sterbeprozesses und damit zur ungewollten Verlängerung des Leidens führen können. Hier stellte Dr. Petermann die Vorzüge einer Patientenverfügung vor, um in einer entscheidenden Phase dem festgelegten Willen des Patienten zu folgen.

Palliativmedizin – der schützende Mantel

Der Begriff „Palliativmedizin“ kommt aus dem Lateinischen. Pallium bedeutet dort etwa so viel wie der „Mantel“ – ein schützender Mantel, mit dem der Patient umhüllt wird.
Wenn eine Krankheit trotz intensiver Behandlung unaufhaltsam fortschreitet und sich sehr unangenehme Begleiterscheinungen einstellen, erfolgt die weitere Behandlung palliativ. Dabei ist das Ziel nicht mehr die Heilung oder die Lebensverlängerung, sondern Linderung der Symptome, z.B. der Schmerzen. Voraussetzung für das Umschwenken auf eine palliativ-medizinische Behandlung ist eine sorgfältig geprüfte Feststellung, ob es sich tatsächlich um eine fortschreitende Krankheit handelt, deren Ablauf nicht mehr aufzuhalten ist, so Dr. Petermann.

Die Ziele der Palliativmedizin sind umfassender und weiter gefasst. Angestrebt wird eine „ganzheitliche Begleitung“. Ausführliche und umfassende Gespräche und Aufklärung des Patienten, möglichst unter Einbeziehung der Angehörigen, sind erforderlich. Eine wesentliche Rolle in der Palliativmedizin spielt die Schmerztherapie, wobei es auch von großem Belang ist, dass der Patient nicht an Durst- und Hungergefühl leidet. Hier kommt die moderne Medizin dem leidenden Patienten zugute, da es viele Möglichkeiten einer Therapie gibt.

Dr. Petermann wies darauf hin, dass auf der Palliativstation in der Euregio Klinik in Nordhorn und in der Palliativ-Pflegeeinrichtung „Am Huskamp“ in Emlichheim stationäre Betten für die Palliativmedizin zur Verfügung stehen. Auch für den oft gehegten Wunsch, möglichst zu Hause gepflegt zu werden, gibt es Möglichkeiten. Hausärzte, die eine gezielte Weiterbildung erfahren haben, dürfen die Zusatzbezeichnung „Palliativmediziner“ führen. Ferner gibt es ambulante Pflegedienste, „Palliativ-Home-Care-Dienste“, die über speziell ausgebildete Schwestern bzw. Pfleger verfügen, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen und die Angehörigen einbeziehen.

Organspende

Ein ganz anderes Thema war für die Zuhörer die Frage nach der Organspende. Hier wartete Dr. Petermann zunächst mit ein paar Zahlen auf. Am 31. Dezember 2014 standen 10 582 Patienten in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Davon warteten etwa 8.000 Patienten auf eine Spenderniere. Das sind etwa dreimal so viel, wie 2014 an Nierentransplantaten vermittelt werden konnten. Ebenso sind Wartelisten bekannt für z.B. Herz-, Leber- und Lungentransplantate.

Woher weiß man die Zahlen so exakt? Eurotransplant ist eine gemeinnützige Stiftung, eine hochrangig besetzte Behörde, die ihren Sitz in Leiden in den Niederlanden hat. Sie fungiert als zentrale Koordinierungsstelle für Transplantationen in den Ländern Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien. Durch die länderübergreifende Zusammenarbeit sind die Chancen für den einzelnen Wartenden deutlich verbessert.

Jedes Krankenhaus ist gesetzlich verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten zu benennen, der für diese Tätigkeit eine zusätzliche Ausbildung erhält. Sofern bei einem Patienten, z.B. mit einem Schädel-Hirn-Trauma, eine weitere Therapie für sinnlos erachtet wird, muss unmittelbar der Transplantationsbeauftragte informiert werden. Dieser entscheidet dann über das weitere Vorgehen. So muss zunächst einmal festgestellt werden, ob der Patient überhaupt als Organspender in Betracht kommt. Es kann z.B. eine Erkrankung oder Infektion von vornherein zum Ausschluss führen. Dann ist zu prüfen, ob eine Einwilligung, ein Organspende-Ausweis oder eine mündlich abgegebene Erklärung bei den Angehörigen vorhanden ist. Sofern bis hierher positive Zeichen vorliegen, erfolgt ein erster Kontakt mit Eurotransplant. Gleichzeitig wird unter Anlegung strenger Bestimmungen der definitive Hirntod festgestellt. Die neueren Bestimmungen legen nach Mitteilung von Dr. Petermann fest, dass zwei unabhängige Fachärzte im Abstand von acht Stunden den Hirntod überprüfen und schriftlich dokumentieren müssen. In dieser Zeit muss der Patient beatmet und der Kreislauf zur Durchblutung und zur Sauerstoffversorgung der Organe aufrechterhalten werden. Erst wenn alle Untersuchungen den eindeutigen Hirntod ergeben haben, erfolgt die Meldung an Eurotransplant, die dann darüber entscheidet, welcher Patient unter Berücksichtigung der Laborbefunde und sonstiger Gegebenheiten primär für das Transplantat in Betracht kommt.

Wer kann Organspender sein? – Jeder! Die früher einmal angegebene Altersgrenze gilt nach den Ausführungen von Dr. Petermann nicht mehr. Entscheidend ist der biologische Zustand der Organe.

Dr. Petermann zeigte schließlich das Spannungsfeld zwischen den wartenden Patienten auf, denen mit einem Organ geholfen werden könnte und das Wissen darum, dass erst ein anderer Mensch sterben und dieser noch bereit sein muss, seine noch funktionsfähigen Organe nach seinem Tod entnehmen zu lassen.

Er warb zudem für eine eindeutige Entscheidung, die durch den Organspenderausweis am sichersten dokumentiert wird. In Deutschland hat man sich hierzu auf die „Entscheidungslösung“ festgelegt. Den Gegensatz kennt man beispielsweise in Österreich, wo es die „Widerspruchslösung“ gibt. Man sollte sich nach den Ausführungen von Dr. Petermann rechtzeitig mit der Frage der Organspende befassen und auch andere für die Organspende gewinnen: „Spenden ist ein bewusster Dienst der Nächstenliebe.“

Friedrich Baarlink, Pfr., Emlichheim