Siegener begegnen in Tansania einer ''Gesellschaft im Umbruch''

Besuchsgruppe des Evangelischen Kirchenkreises Siegen aus Tansania zurück

Wohlbehalten und mit vielen Erlebnissen und Eindrücken im Gepäck kam die Besuchsgruppe des Kirchenkreises Siegen jetzt aus Tansania zurück ins kühlere Siegerland. Superintendent Peter-Thomas Stuberg, der nur 14 Tage dabei sein konnte, ist sehr beeindruckt von dem lebendigen Gemeindeleben auf dem afrikanischen Kontinent. Stuberg: „Es steckt eine große spirituelle Kraft in den Kirchengemeinden. Beeindruckt hat es mich, wie selbstverständlich dort der Glaube im Alltag gelebt wird. Der Gottesdienst ist die Mitte des Lebens und jede Woche ein Fest, auf das sich die Mitarbeitenden gut vorbereiten.“

In jeder Gemeinde gibt es zwei bis drei Chöre. Der Gesang ist in den Gemeinden ein bedeutender Ausdruck des Glaubens, so nahm es der Superintendent, der selber gerne und gut singt, wahr. Die Jugendchöre singen selbstverständlich mehrstimmig, angeleitet von einem jugendlichen Chorleiter. Stuberg: „Ich habe eine innige Glaubenspraxis erlebt sowie fröhliche und selbstverständliche Christen. Das Leben der Christen in Tansania vermittelt bei aller materiellen Armut einen festlichen Glanz. Die Christen sind aufgehoben in ihrem Glauben und in der Gemeinschaft.“

Vom 8. bis 30. August besuchte eine 16-köpfige Delegation aus dem Ev. Kirchenkreis Siegen den Partnerkirchenkreis Magharibi in Tansania. Acht Kirchengemeinden aus dem Kirchenkreis Siegen pflegen mittlerweile Partnerschaften zu Gemeinden in Magharibi. Die achte Partnerschaft wurde am 18. August in einem vier Stunden dauernden Gottesdienst zwischen den Kirchengemeinden Burbach und Kiluvya feierlich gegründet. Bäume wurden gepflanzt, die wachsen und Früchte tragen sollen und an die wachsende Partnerschaft erinnern sollen. Stuberg: „Die Partnerschaft ist auf Augenhöhe angelegt.“ Thomas Walter, Pfarrer der Kirchengemeinde Burbach, freut sich mit dem Presbyterium über die Partnerschaft. Walter: „Das Herz von Partnerschaft ist Freundschaft.“ Die Gemeinden wollen voneinander wissen, was der Glaube einander bedeutet, wie man in den jeweiligen Gemeinden lebt und wie man dort christliches Miteinander pflegt. Die Kontakte sind durch das Internet einfacher geworden. Ein regelmäßiger Mailaustausch, telefonieren und auch das Skypen erleichtern die Kommunikation. Es ist den Gemeinden wichtig, von den Partnergemeinden zu erfahren und sie im Gebet Gott anzubefehlen. In den Partnerschaften wird deutlich, dass christliche Gemeinden weltweit untereinander verbunden sind.

Zwischen dem Evangelischen Gymnasium in Weidenau und der Mbawa Sec. School Magharibi fanden erste Gespräche statt, die wahrscheinlich zu einer Partnerschaft zwischen den beiden Schulen in kirchlicher Trägerschaft führen werden. Das Lehrerehepaar Erhard und Annette Sedeit-Fries sowie die Schülerinnen Christina Hietsch und Lisa Krämer informierten sich gemeinsam mit Superintendent Stuberg und der Delegation über die Schulsituation. Die Kirche legt Wert auf Bildung. Hochmotivierte und lernbegierige Schüler begegneten den Deutschen in Tansania. Die Schulpartnerschaft hat ihren Ursprung in dem schon seit Jahren gut funktionierenden Education Fond, den der Kirchenkreis Siegen gemeinsam mit dem Evangelischen Gymnasium durch Spenden und Sponsorenlauf finanziert. Es werden aus diesen Geldern Schüler unterstützt, deren Familien das Schulgeld nicht aufbringen können. 

Die Siegerländer Delegation reiste unter der Leitung von Kerstin Nagel, Presbyterin in der Christus-Kirchengemeinde Siegen. Nagel war bereits 2009 in Tansania und hat die Partnerschaft zwischen der Christus-Kirchengmeinde und Kibamba begründet. Mama Jana wird sie hier genannt und man freute sich sehr, als sie nach vier Jahren wieder in Kibamba ankam. Kerstin Nagel: „Das einander Wiedererkennen war überwältigend. Die Menschen hatten das Gefühl, nicht vergessen zu sein. Es war für mich eine große Ehre, erneut die Gemeinde Kibamba besuchen zu dürfen, die Gesichter und Geschichten mancher Menschen zu kennen und sie mit Namen ansprechen zu können. So etwas ist in Tansania extrem wichtig und zeugt von Respekt und Anerkennung.“

Engagierte Kirche wächst

Die Evangelisch-Lutherische Kirche Tansanias (ELCT) wächst. Waren es nach eigenen Angaben der ELCT 2007 noch 4,7 Mio. Mitglieder, sind es heute schon über 6 Mio. Menschen. Die ELCT ist die zweitgrößte Kirche im Lutherischen Weltbund. Kirchen werden in Tansania zu klein. Es müssen neue, größere Gotteshäuser gebaut werden. In Sinza, einem Ort nahe Dar es Salaam, war Superintendent Stuberg zur Einweihung einer neuen großen Kirche mit etwa 1.800 Plätzen eingeladen. Sein Grußwort, in dem er sich auf den Heidelberger Katechismus bezog, wurde im tansanischen Fernsehen übertragen.

Bei einem Besuch der Kirchenleitung in Dar es Salaam erfuhren die Siegener von einem anspruchsvollen Strategiepapier der Kirche, die Bildungsangebote verbessern wollen, Diakonische Programme planen und Zielgottesdienste für bestimmte Bevölkerungsgruppen vorbereiten. Finanziert wird die kirchliche Arbeit ausschließlich über einkommensabhängige Kirchenabgaben und Spenden der Gemeindeglieder.

Im Alltag aus dem Glauben leben

Die Delegation aus dem Kirchenkreis erlebte auch den Alltag in dem afrikanischen Land, waren sie doch in Familien untergebracht. Stuberg: „Die Reise hatte nichts Touristisches. Wir waren keine Gäste, sondern wurden als Mitglieder der Familien angesehen.“ Auch im Alltag der Familien wurde dem Siegener Superintendenten die Frömmigkeit der Menschen deutlich vor Augen geführt. Selbstverständlich wurde der Tag in den Häusern mit einer Abendandacht abgeschlossen und der Morgen mit einem Gebet begonnen. Man sang gemeinsam die Glaubenslieder, mehrstimmig. Das hat den Siegener Superintendenten berührt. Viele Melodien sind den Siegerländern bekannt, stehen die Choräle doch auch im Evangelischen Gesangbuch und stammen aus der Zeit der Reformation. Durch dieses Erleben lernen die Kinder wie selbstverständlich von kleinauf die Kirchenlieder zu singen und mit klatschen und tanzen zu begleiten. Stuberg: „Ich habe den Eindruck, bei den Christen in Tansania fließt der Glaube und das Leben ineinander. Man lebt im Glauben.“

Die Widernisse des Alltags, mit denen die Menschen in Tansania umzugehen gelernt haben, sind für Deutsche kaum vorstellbar. Nur teilweise funktioniert die Infrastruktur, Strom ist nicht immer vorhanden und, Müll wird einfach verbrannt. Die afrikanische Gesellschaft ist im Umbruch. Es wird überall gebaut. Städtisches Gepräge nimmt zu. Die Menschen werden zunehmend konsumorientierter. Kerstin Nagel: „Die Menschen in Tansania orientieren sich am Westen. Sie wollen mit ihrer eigenen Identität so westlich sein wie möglich, elektronischer Luxus ist begehrt.“ Aber, und das ist ihr aufgefallen, man neidet einander nicht. Die Menschen machen einen zufriedenen Eindruck. Obwohl die Menschen überwiegend als arm bezeichnet werden müssen, fällt doch niemand durch das soziale Netz, so die Beobachtung des Superintendenten. Wie so etwas durch kirchliche und private Initiative funktionieren kann, zeigt eindrücklich das KILWAG-Projekt.

KILWAG

Das KILWAG-Projekt hat eine besondere Bedeutung für die Partnerschaft der Kirchenkreise und betrifft die Frauen in den Kirchengemeinden. Deshalb wurde am 24. August in Bagamoya der KILWAG-Tag begangen. KILWAG ist die Abkürzung für Kibaha Lutheran Women Advance Group, einem Hilfsprogramm für Frauen in der Lutherischen Kirche des Kirchenkreises Kibaha, wie vormals der Kirchenkreis Magharibi hieß. Der Name des Projektes wurde nach der Umbenennung des Kirchenkreises beibehalten.
Die Idee zu dem Frauenhilfsprogramm entstand 1994, als Paul Heinrich Groos und die Anfang des Jahres verstorbene Magdalena Kröber aus der Kirchengemeinde Klafeld die Partnergemeinde in Bagamoyo besuchten. Sie erhielten Einblick in die schwierige Einkommenssituation der Familien. Das Monatsgehalt eines Lehrers reichte gerade aus, um Miete, Wasser und Strom zu bezahlen. Für Essen, Kleidung, Schulbildung der Kinder und andere Grundbedürfnisse mussten die Familien weitere Einkommensmöglichkeiten erschließen. Feld- und Gartenwirtschaft, Kleintierhaltung, Handarbeiten und Gelegenheitsarbeiten waren für jede Familie lebensnotwendig. Es entstand die Idee, Handarbeiten wie Matten und Körbe herzustellen und zu vermarkten. Durch diese Einnahmen können gerade Mütter bei der Finanzierung der Schulkosten für die Kinder ihren Beitrag leisten. Viele Jahre sind seitdem vergangen. Heute sind in den acht Partnergemeinden etwa 280 Frauen in das KILWAG-Projekt eingebunden. Sie haben Ideen und lernen, was sie produzieren können. Mittlerweile gehören eine Pilzzucht, das Herstellen von Babynahrung, Schmuck, Batik, Gemüseanbau oder die Herstellung von Sojagetränken zu den Produkten, die im Rahmen von KILWAG hergestellt und vertrieben werden. Die Frauen haben gelernt, wie die Produktion funktioniert und wie sie die Produkte vermarkten können. Selbst die Buchhaltung beherrschen sie. Kleinstkredite helfen ihnen, ihre Ideen umzusetzen, damit diese zu Einkommensquellen werden.
In der Nähe von Thumbi konnten die Reisegruppe aus dem Kirchenkreis Siegen das neueste Projekt im Rahmen von KILWAG bestaunen. Nach sechs Jahren Schulpflicht haben bislang oft nur Jungen die Möglichkeit, eine weiterbildende Schule zu besuchen, Mädchen wird es noch oft verwehrt. Nun wird von den KILWAG Frauen eine Unterkunft in Mlandizi gebaut, in der Mädchen wohnen können, um eine weiterbildende Schule ortsnah zu besuchen. Und das alles aus erwirtschafteten Mitteln des Projektes oder über Spenden finanziert. „Das“, so der Siegener Superintendent, „habe ich mit großer Ehrfurcht wahrgenommen.“

Die gegenseitigen Besuche finden im Wechsel alle zwei Jahre statt. So wird es voraussichtlich in 2015 im Kirchenkreis Siegen auf Kisuaheli heißen: „karibu sana“ - herzlich willkommen.

In Sinza wurde eine neue Kirche eingeweiht. Der Leitende Bischof Rt. Rev. Dr. Alex Gehaz Malasusa, die Bischöfe und Superintendenten auch der Nachbarkirchenkreise sowie die Pfarrer des Districtes waren bei dem Festgottesdienst zugegen. Superintendent Peter-Thomas Stuberg (im Bild links von Bischof Rt. Rev. Dr. Alex Gehaz Malasusa) sprach ein Grußwort, das im tansanischen Fernsehen übertragen wurde.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In einem festlichen Gottesdienst wurde die Partnerschaft
zwischen den Kirchengemeinden Burbach und Kiluvya begründet.

 


Karlfried Petri, Öffentlichkeitsreferent Kirchenkreis Siegen, 6. September 2013