Braunkohle: Umwelt – Heimat – Arbeitsplätze

Regionalsynode Energie tagt in Erkelenz

Neben den drei Referenten hatten auch MdB Norbert Spinrath (SPD) und MdL Dr. Gerd Hachen (CDU) als Gäste der Synode den Weg nach Erkelenz gefunden.

Delegierte aus den fünf Kirchenkreisen Aachen, Gladbach-Neuss, Jülich, Köln-Nord und Krefeld-Viersen trafen sich zur Tagung der Regionalsynode Energie in Erkelenz. Alle fünf Kirchenkreise, aber auch die Stadt Erkelenz, sind unmittelbar vom Braunkohletagebau betroffen und damit auch von der Leitentscheidung der Landesregierung NRW zur Zukunft der Braunkohle im rheinischen Revier.

Die Fülle des Lebens für alle Menschen auf einem zukunftsfähigen Erdball

Der Jülicher Superintendent Jens Sannig eröffnete die Synodaltagung mit einer theologischen Einleitung und einem Fakten-Check. Fazit beider Ausführungen: Es darf keine immer größere Ausbeutung von Ressourcen geben. Die Erde und ihre Schätze sind endlich. Allein ein schonender und nachhaltiger Umgang mit den Schätzen der Natur ermöglicht langfristig Leben. Allein eine gerechte Verteilung des Reichtums an Gütern und Erträgen ermöglicht ein Leben in Fülle für alle Menschen.

Jens Sannig untermauerte sein Fazit und seine Forderungen mit harten Fakten aus Wissenschaft und Forschung. Und er nahm dabei auch das höchst aktuelle Problem der Flüchtlinge dieser Erde in den Blick. „Die Flüchtlinge, die wegen des Klimawandels und der Klimakatastrophen ihre Länder verlassen, machen sich jetzt erst auf den Weg. Sie werden in den nächsten Jahren auf die EU Außengrenzen treffen. Um eine noch gefährlichere Klimaerwärmung zu verhindern, wird deshalb ein Großteil der fossilen Energiereserven in der Erde bleiben müssen.“

Und zum Stichwort „Große Transformation“ führte er aus: „Das Konzept der „Großen Transformation“ verfolgt vor allem das Ziel, die globalen Treibhausemissionen zu senken. Es geht davon aus, dass für die Entstehung klimaverträglicher Gesellschaften technische und gesellschaftliche Veränderungen in Verbindung miteinander nötig sind. Die langjährige kirchliche Erfahrung mit dem konziliaren Prozess „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ lässt noch einen Schritt weiter gehen: die gesellschaftlichen Veränderungen brauchen eine klare Akzentuierung durch den Einsatz für soziale Gerechtigkeit.“

Was kommt nach der Braunkohle? Die Zukunft der Region beginnt Heute

Professor Dr. Markus Baumann, Rektor der Fachhochschule (FH) Jülich-Aachen, schilderte den Anwesenden die Zukunft der Region nach dem Ende des Braunkohletagebaus aus Sicht der Wissenschaft. Schon längst machen sich Mitarbeitende der FH, der RWTH Aachen und viele andere Wissenschaftler Gedanken in dieser Richtung. „Wenn die Rohstoffförderung ausbleibt, ist das Wissen unsere wichtigste Ressource!“, so der Professor. Und da die Region um Aachen schon jetzt eine herausragende Hochschul- und Forschungslandschaft sei, biete sie beste Voraussetzungen für die Zeit nach der Braunkohle, nicht zuletzt im Blick auf die Schaffung von hochqualifizierten, aber auch von einfachen Arbeitsplätzen.

Es gebe bereits eine Reihe innovativer und wissensintensiver Wirtschaftsbereiche in der Region in den Bereichen konventionelle und regenerative Energiesysteme (Solarenergie, Biomasse), energieeffizientes Bauen oder Mobilität, aber auch im IT-Wesen, im Maschinenbau, in der Elektrotechnik oder im Bereich der Gesundheitswissenschaften.

Die Förderung der Gründung weiterer hochtechnisierter, wissenschaftsbasierter Unternehmen werde Arbeitsplätze im hochtechnisierten Bereich, aber auch in der Fertigung schaffen.

Wenn es RWTH Aachen und FH Jülich-Aachen gelinge, junge Menschen aus der Region und der ganzen Welt mit attraktiven Studienbedingungen anzulocken und des weiteren hochqualifizierte Wissenschaftler/innen und Ingenieure/-innen in der Region anzusiedeln, werde davon nicht nur die Wissenschaft profitieren, sondern die gesamte Wirtschaft (z. B. Gastronomie, Landwirtschaft etc.).

Sein Fazit: „Das rheinische Revier hat die besten Voraussetzungen, um zu einer Wissensregion zu werden. Hierfür müssen die besten Voraussetzungen geschaffen (und weithin wahrnehmbar gemacht) werden.“

Und den Kirchen komme dabei u.a. die Aufgabe zu, durch Unterstützung solcher Pläne und Überlegungen zur Sichtbarkeit und Kommunikation in der Bevölkerung beitragen.

Ein klares Bekenntnis zum Strukturwandel und zur Strukturförderung sei gefordert.

Wer trifft die Entscheidungen für ein wirtschaftliches Neu-Konzept in der Region?

Reiner Priggen, MdL, wirtschaftspolitischer Sprecher von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag, eröffnete sein Referat mit der klaren Aussage: „Die Region ist in der Lage, den Strukturwandel zu schaffen und dafür zu sorgen, dass keiner der Mitarbeitenden bei RWE ins Bergfreie fällt! Es gilt, an alten Standorten neue Arbeitsplätze zu schaffen.“

Er forderte von RWE, einen eigenen konstruktiven Beitrag zu leisten für die Zukunft von Arbeitsplätzen. Hier sehe er einen großen Nachholbedarf, und bisher habe dieser Arbeitgeber eher keine innovativen Projekte hervorgebracht.

Neben Arbeitsplätzen im Wissenschaftsbereich in dieser hochinnovativen Region gelte es aber auch, einfache Arbeitsplätze zu schaffen. RWE und Politik seien hier gemeinsam in der Pflicht, damit Tausende von Beschäftigten jetzt und in Zukunft nicht arbeitslos würden. Dass dies gelinge, dafür sehe er gute Chancen.

Eingehend auf die Situation der Menschen, die von Umsiedlung wegen des Braunkohletagebaus betroffen sind, sprach der das Problem an: „Welchen Sinn macht die Umsiedlung, wenn nicht einmal feststeht, ob mein Dorf wirklich abgebaggert wird?“

Priggen ging damit auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von RWE ein: Man habe riesige Strukturprobleme, trage schwer an Altlasten und Ewigkeitslasten (z. B. werde man die nächsten 100 Jahre  um die Tagebaue herum beständig Wasser abpumpen müssen), und im Grunde genommen werde der komplette Tagebau Garzweiler II gar nicht mehr gebraucht. „Die Kohle in Inden und Hambach reicht voll aus für die bestehenden Kraftwerke!“ Garzweiler II könne also eigentlich an der A 61 enden. Das sei sowohl im Blick auf die Umwelt als auch im Blick auf die von Umsiedlung bedrohten Menschen sinnvoll.

Brauchen 1.600 Menschen noch eine neue Heimat?

Peter Jansen, Bürgermeister der Stadt Erkelenz und engagierter Kämpfer für die Menschen in den von Umsiedlung betroffenen oder bedrohten Ortsteilen, schilderte den Synodalen die Situation in seinem Stadtgebiet. Er begrüße grundsätzlich die Leitentscheidung der Landesregierung NRW, gebe sie doch bei allen zu kritisierenden Einzelheiten den Menschen vor Ort ein wichtiges Stück Sicherheit und Klarheit. Die Menschen in Keyenberg, Kuckum, Berverath und Lützerath hätten sich auf die Umsiedlung eingestellt, lebten also gewissermaßen „auf gepackten Koffern“. Sie hätten den erklärten Willen, ihre neue Heimat anzunehmen und zu gestalten. Ein guter Start ohne wirtschaftliche Probleme sei dabei überaus wichtig. 

Auch die Menschen in Holzweiler hätten ja bis dato mit ihrer Umsiedlung gerechnet. Für sie ergebe sich jetzt das Problem, die voraussichtlich bestehende Ortschaft lebenswert zu erhalten bzw. zu gestalten. Dazu gehöre eine angemessene Infrastruktur, aber auch eine gute Verkehrsanbindung. Daher müsse unbedingt die L19 erhalten bleiben. Weiter gehe es um energetische Sanierung der Häuser, die alte Heimat müsse „in die Zukunft geholt“ werden. „Holzweiler bleibt für die dort lebenden Menschen Heimat, wenn der Aufenthalt dort lebenswert ist.“ An den Kosten für die genannten Maßnahmen müsse sich RWE entsprechend beteiligen.

In jedem Fall, ob Umsiedlung oder Verbleib, gelte: „Die Menschen müssen spüren, dass man sich um sie kümmert. Dann fällt es ihnen leichter, sich mit der alten oder neuen Heimat zu identifizieren.“

Als Kriterien für eine lebenswerte Heimat nannte Jansen unter anderem einen ausreichenden Abstand zum Abbaugebiet, wozu auch eine deutlich akustische und optische Barriere zähle.

Um die wirtschaftliche Zukunft von Erkelenz zu planen und zu gestalten, habe man sich mit Mönchengladbach, Titz und Jüchen zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Er sei zuversichtlich, dass man sich mit den Stärken der Stadt und der Region für die Zukunft gut aufstellen könne.

Umwelt, Heimat, Arbeitsplätze – umfassender Beschluss der Regionalsynode Energie

Am Ende einer arbeitsreichen Tagung und einer intensiven Diskussion verabschiedeten die Synodalen einstimmig einen Beschluss, der alle in den Vorträgen und Gesprächen benannten Aspekte in den Blick nimmt. Sie begrüßen die Sicherheit für die betroffenen Menschen durch die ins Auge gefasste Leitentscheidung der Landesregierung. Sie mahnen weitergehende Schritte gegen den Klimawandel an („Die Zukunft der Region ohne Braunkohleförderung muss heute beginnen“). Und im Beschlussteil zur Zukunft der Region kommen ausdrücklich auch die bei RWE Beschäftigten in den Blick: „Aus Sicht der Regionalsynode Energie ist ein weitreichender gemeinsamer Beitrag der Landesregierung, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Kommunen für einen Strukturwandel hin zu einer Wissenschaftsregion nötig. Dabei ist der Nutzen der wissenschaftlichen Kompetenz in der Region zu berücksichtigen, die in dieser Weise nicht noch einmal in NRW anzutreffen ist. Die Arbeitskräfte in der Braunkohle sind ein wichtiger Teil der Entwicklungsprojekte von Morgen.“

Den vollständigen Beschlusstext und den Text der Leitentscheidung der Landesregierung finden Sie hier

Regionalsynode Energie

Vertreterinnen und Vertreter der fünf evangelischen Kirchenkreise Aachen, Gladbach-Neuss, Jülich, Köln-Nord und Krefeld-Viersen bilden die in den 1980er Jahren ins Leben gerufene „Regionalsynode Energie“, die sich mit Fragen der Umwelt, insbesondere mit dem Abbau der Braunkohle und deren Folgen beschäftigt. Die Tagungen finden in unregelmäßigen Abständen statt.


© Johannes de Kleine, 3. Oktober 2015

Beschluss.pdf

 

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