Manna - Mazzen - Brot des Lebens - ''ein Genüge, kein Überfluss''

Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel - heute zum Manna

Das Manna „heißt Brot, es heißt Öl und es heißt Honig? Rabbi Jose ben Rabbi Hanina erklärte: Den Jungen Brot, den Alten Öl und den Kindern Honig.“ - Talmud

Das Manna in der Wüste (Exodus / 2. Mose 16)

Exodus 16,31
"Das Haus Israel aber nannte es Manna. Und es war weiss wie Koriandersamen und hatte einen Geschmack wie Honigkuchen."

a) Manna – eine Änderung im Schöpfungswerk aus Liebe zu Israel

Brot, das vom Himmel herabregnet, und Tau, der sich von der Erde emporhebt, stellen die Schöpfungsordnung auf den Kopf:
„Rabban Simeon ben Gamliel sagt: Komm und siehe, wie sehr beliebt die Israeliten vor Gott sind! Und weil sie vor ihm beliebt sind, änderte er für sie das Schöpfungswerk, er machte ihnen die Unteren zu Oberen und die Oberen zu Unteren. In der Vergangenheit pflegte das Brot von der Erde emporzusteigen und der Tau stieg von den Himmeln herab, wie es heißt (Dtn 33,28): 'Eine Erde von Korn und Most, auch ihre Himmel träufeln Tau', und jetzt wurden die Dinge umgewandelt; das Brot fing an, von den Himmeln herabzusteigen und der Tau stieg von der Erde empor, denn so heißt es: 'Denn siehe, ich lasse euch Brot von den Himmeln regnen', und es heißt (Ex 16,14): 'Und es stieg hinauf die Lagerung des Taues'“

aus der Mechiltha zu Exodus 16,4, zit. nach Winter/Wünsche, Mechiltha, 153

b) Manna – von Gott mit leuchtendem Antlitz gegeben

„Und am Morgen, und ihr werdet sehen [Ex 16,7]. Von hier lernst du, dass mit leuchtendem Antlitz das Manna den Israeliten gegeben wurde. Die Wachteln, welche sie aus Fülle der Eingeweide (aus Übermut) verlangten, wurden ihnen mit finsterem Antlitz gegeben; aber das Manna, welches sie gebührendermaßen verlangten, wurde ihnen mit leuchtendem Antlitz gegeben.“

Mechiltha zu Ex 16,7, zit. nach Winter/Wünsche, Mechiltha, 155

c) Manna – jedem nach seinem Geschmack und Bedarf

„Es heißt Brot, es heißt Öl und es heißt Honig? Rabbi Jose ben Rabbi Hanina erklärte: Den Jungen Brot, den Alten Öl und den Kindern Honig.“

Babylonischer Talmud, Traktat Joma VIII, 75b, zit. nach Goldschmidt, 979

„Exodus 18,9: Und Jithro freute sich über all das Gute, das der Ewige an Israel getan. R. Josua sagt: Vom Guten des Manna redet die Schrift. Sie sprachen zu ihm (Jithro): Dieses Manna, das uns Gott gab, - an ihm (schmecken) wir Geschmack von Brot, Geschmack von Fleisch, Geschmack von Fischen, Geschmack von Heuschrecken, Geschmack aller Geschmäcke in der Welt, denn es heißt: 'Gutes, das Gute, all das Gute, über all das Gute'.“

Mechiltha zu Ex 18,9, zit. nach Winter/Wünsche, Mechiltha, 184

d) Manna - macht die Sünden weiß

„Das Manna aber war wie Korianderkörner [Ex 16,31]. R. Asi sagte: Rund wie ein Korianderkorn und weiß wie eine Perle. [...] weiß, es machte die Sünden Israels weiss [Jes 1,18].“

Babylonischer Talmud, Traktat Joma VIII, 75a, zit. nach Goldschmidt, 976f.

e) Das ewige Leben – das Leben in der kommenden Welt, der olam ha ba

„(Hillel sagte): Hat ein Mann einen guten Namen erworben, so hat er (etwas) für sich selbst erworben; hat er für sich selbst Worte des Gesetzes erworben, so hat er für sich selbst Leben in der kommenden Welt gewonnen.“

Pirke Abot 2,7, zit. nach Barrett, 282

f) Die Worte vom Himmelsbrot in Exodus 16,4 legt der Midrasch Schemot Rabba auf vielfältige Weise aus, u.a. in Verbindung mit Sprüche 9,5:
„(Die Weisheit spricht:): 'Kommt, esset von meinem Brote und trinket vom Wein, den ich gemischt habe.' Gott sprach: Wem habt ihr es zu verdanken (eig. wer verursachte es euch), vom Manna zu essen und aus dem Brunnen zu trinken? Weil ihr die Satzungen und die Rechtsvorschriften angenommen habt, wie es heißt Ex. 15,25: 'Dort gab er ihm (dem Volke) Satzung und Recht,' also im Verdienste meines Brotes habt ihr das Brot des Manna empfangen, und im Verdienste des Weins, den ich gemischt habe, habt ihr das Wasser des Brunnens getrunken, wie es heißt: 'Und trinket von dem Wein, den ich gemischt habe.'“

Midrasch Schemot Rabba (Midrasch zu Exodus), zit. nach Wünsche/Krupp, 192

f) Das Manna in Joh 6

Joh 6,31
"Unsere Väter haben das Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen."

Der Evangelist Johannes erzählt seinen Midrasch zum Speisungswunder noch viel tiefer verwurzelt im innerjüdischen Glaubensgespräch, als die meisten Christinnen und Christen heute beim Hören erkennen.
Als Israel von der ersten Ernte im Land Kanaan aß und zum ersten Mal mit ungesäuertem Brot und gerösteten Körnern im Land, darin Milch und Honig fließt, das Passa-Fest feierte, „hörte das Manna auf“ (Josua 5,12). Bibelfeste Christen mögen das noch wissen, aber wer von ihnen erahnt, dass im Judentum die Mazzen des Pessach-Festes als „Brot der Freiheit“ mit dem Manna verbunden werden, wie z.B. die Illustration zur Copenhagen-Haggada (18. Jh.) zeigt: Die Brote werden vom Baum gepflückt (siehe Foto unten).
Der Evangelist wusste um die Verbindung von Manna und Passa. Die Speisung der Fünftausend datiert er auf die Zeit “kurz vor dem Passa“ (Joh 6,4), das den Auszug aus Ägypten feiert.
Ausgerechnet das – zeitlich begrenzte – Manna mit dem ewigem Leben zu verbinden, ist ein origineller Midrasch, allerdings nicht einzigartig. Auch die (jüdische) Apokalyptik im Syrischen Baruch kennt Manna mit „eschatologischem Überschuss“: „es werden wieder die Mannavorräte von oben herabfallen; und sie werden davon in jenen Jahren essen, weil sie an das Ende der Zeit gelangt sind.“ (Syrischer Baruch 29,8)

g) Das Manna lässt Gott regnen, aber es kommt in aller Frühe mit dem Tau:

Benno Jacob schreibt:
„Das ist ein ungemein zartes und reiches Bild des milden himmlischen Segens. Anders als der zwar auch wohltätige, aber launische, bald geizige, bald unbequem verschwenderische Regen ist der Tau, seine sanftere Schwester, getreu und zuverlässig, nie versagend, sich immer gleichbleibend, nur Erquickung und Labung bringend. Er geht auf leichten Sohlen, man hört ihn nicht fallen und sieht ihn nicht kommen, verstohlen ist er in der Nacht herabgestiegen und hat sich gleichmäßig auf die Erde niedergelassen, wäscht alles rein und läßt die Flur im Morgendämmer glänzen, ein Vorbote des Morgenrotes. Er ist ein Gleichnis für Jugendfrische, Wohlgefallen und Wohltun, sanft mahnende Rede, für priesterlichen Segen, für Erweckung zu neuem Leben, ja für Gott selbst, der 'Israel wie ein Tau' sein will. Manna ist Brot der nur Gott zugewandten und dienenden Himmlischen (Ps 78,25), die nicht säen und nicht ernten und doch die wahrhaft Lebenden und 'Starken' sind. [...]
Der Tau ist ein Genüge, kein Überfluß. Ebenso hat es sich mit dem Manna verhalten. Man mochte noch so viel sammeln, schließlich hatte niemand mehr als er brauchte. Das ist ein Wunder im Wunder und doch nichts anderes als die Einkleidung der simplen Erfahrung und Wahrheit, daß man mit allem Raffen nicht mehr kann als sich satt essen.“ (Benno Jacob, Das Buch Exodus, 485f.)

zur Vertiefung der Auslegung des Mannas in Joh 6,47-51, Predigttext am Sonntag Lätare

Predigt von Kathrin Oxen zu Joh 6,47-51

A man is holding a massá. Illustration from The Copenhagen haggadá, illustrert handskrift calligraphy and illustration by Philip Isac Levy, Hamburg/Altona, 1739

 

Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Am Rockzipfel des Judentums - Freitags ein Denkanstoß aus dem Hause Israel"
in Anlehnung an Sacharja 8,23, wo der HERR der Heerscharen spricht:
"In jenen Tagen, da ergreifen, ja ergreifen zehn Menschen aus allen Sprachen der Nationen den Zipfel einer einzigen jüdischen Person und sagen: 'Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Mit euch ist Gott.'" (BigS)


Barbara Schenck, 8. März 2013