Stümpern in der Gotteslehre

Notat to go. Von Barbara Schenck


Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljov (Detail)

Dreifaltigkeit – Was soll das?

1+1+1=1; 3=1 und 1=3. Nein, das ist keine abstruse Formel aus dem Matheleistungskurs. Das ist der niedlich-hilflos anmutende Versuch, im Gleichnis die christliche Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes zu erklären, also das Zusammensein von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist als ein einziger Gott. Drei von einander unterschiedene Personen sind in Wesenseinheit ein Gott. Was soll das? Sind die Kirchenväter nicht etwas zu weit gegangen mit ihren Spekulationen über Gott? Zuverlässige Erkenntnis schön und gut, aber doch nicht in Vorrangstellung über dem herzlichen Vertrauen!

In unseren Tagen scheint die Trinitätslehre wenig von Interesse. In seinem Buch „Warum Gott?“ schildert Wilfried Härle eine Begegnung von angehenden Pfarrerinnen und Pfarrern mit Muslimen. Auf die Frage, ob Christen etwa an drei Götter glaubten, und wie die Trinität zu verstehen sei, hätten die Theologiestudierenden keine rechte Antwort gewusst.
Ins gedankliche Abseits geraten sind auch die Konsequenzen des Nachdenkens über das Verhältnis der drei Seinsweisen Gottes. Geht der Geist nur vom Vater aus oder vom Vater und vom Sohn? Diese Frage gehört seit dem 11. Jahrhundert zu dem Trennenden zwischen der westlich abendländischen und der östlich orthodoxen Kirche. Dass der Geist „vom Vater und vom Sohn“ (filioque) ausgeht, bekennt die Westkirche und betont damit das erlösende, von Sünde befreiende Handeln des Sohnes, während die Ostkirche das Anliegen einer Vergöttlichung des Menschen und der Welt hervorhebt.
Wer unter dieser Vorgabe die Pfingstbotschaften des Ökumenischen Rats der Kirchen und der Evangelische Kirche in Deutschland hört, spürt den Unterschied: Das Pfingstwunder sei ein Kommunikationswunder, das politisch verantwortliche Menschen stärke, dem Frieden zu dienen, sagt EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider. „Gott wird das Antlitz der Erde erneuern“ verheißt hingegen der Friedensgruß des ÖRK.

Aber da ist noch etwas, was das schnöde Gleichnis 1+1+1=1* in sich birgt. In der Sprache der Theologie ist ein Gleichnis nur dann verstanden, wenn da „etwas bleibt, das nicht verstanden ist“. Wie in der Liebe: lückenloses Verstehen ist nicht ersprießlich.**
Anschaulich zeigt das die Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljov. Die drei Männer, sprich: die drei Engel bei Abraham (Gen 18) sind Gleichnis für die Trinität Gottes. Ihre anmutig zeitlosen Gesichter zeigen mehr als die gegenseitige Zuneigung. Sie lassen sich nicht festlegen auf männlich oder weiblich. Die Ikone verweist auf das Bilderverbot: Auch für Vater, Sohn und Geist gilt: weder Mann noch Frau.

Der Sonntag Trinitatis gibt viel zu denken. Feiern wir’s.

Texte und Predigten zur Trinität und zum Sonntag Trinitatis auf reformiert-info:
www.reformiert-info.de/13188-0-56-7.html

*Zitation einer Kunstaktion zur Trinität. Die ursprüngliche mathematisch-theologische Formel zur Trinität lautet 1x1x1=1.

**Inspiriert von und zitiert nach Jürgen Ebach und Robert Walser, in: Ebach, SchriftStücke. Biblische Miniaturen, Gütersloh 2011, 160f.

Barbara Schenck, 11. Juni 2014