Der Spiritualität des Wachstums widerstehen

Klara Butting über das Bekenntnis von Accra

Sabine Dreßler und Dr. Klara Butting in Hannover © Paul Oppenheim

Durch und durch politisch sei die Spiritualität des Psalmenbuchs, betont Klara Butting in ihrem Vortrag

Psalm 2 

To what end do the nations rage
    and the peoples meditate in vain?
The kings of the earth set themselves,
    and the rulers take counsel together,
    against the Lord and against his Anointed, saying,
“Let us burst their bonds apart
    and cast away their cords from us.”

He who sits in the heavens laughs;
    the Lord holds them in derision.
Then he will speak to them in his wrath,
    and terrify them in his fury, saying,
“As for me, I have set my King
    on Zion, my holy hill.”

I will tell of the decree:
The Lord said to me, “You are my Son;
    today I have begotten you.
Ask of me, and I will make the nations your heritage,
    and the ends of the earth your possession.
You shall break] them with a rod of iron
    and dash them in pieces like a potter's vessel.”

10 Now therefore, O kings, be wise;
    be warned, O rulers of the earth.
11 Serve the Lord with fear,
    and rejoice with trembling.
12 Kiss the Son,
    lest he be angry, and you perish in the way,
    for his wrath is quickly kindled.

Blessed are all who take refuge in him.

Liebe Schwestern und Brüder, 

jedermann und jede Frau die mit wachen Augen durch die Welt geht, sieht, dass unsere westliche Zivilisation an eine Grenze gestoßen ist. Eine Wirtschaftsordnung, die auf Konsumüberangeboten und Habsucht beruht, zerstört unser Leben. Eine grundlegende Umkehr unserer Lebenskultur ist nötig. Dazu gehört die Befreiung von dem Individualismus des Geldsubjekts, der die Gemeinschaft der Menschen und der Kreaturen glaubt ignorieren zu können.

Doch trotz Finanzkrise und Klimawandel sind massenhafte Protestbewegungen nicht das Merkmal unserer Zeit - zumindest nicht hier in Deutschland. Statt einer Protestbewegung, erleben wir eine Spiritualitätsbewegung. Wir gehen eher pilgern als demonstrieren, machen spirituelle Erfahrungen eher in der Stille als bei der Blockade von Banken. Menschen, betroffen von den gesellschaftlichen Zentrifugalkräften, suchen die Verbundenheit aller Kreatur in Stille und Natur.

Ich möchte diese individualisierten Antworten nicht verurteilen, sondern als unseren politischen Kontext ernst nehmen will. Wo die Träume vom geeinten Europa und einer Einen Welt den Angstvisionen der eigenen Verarmung weichen, ist die Suche nach Verwurzelung und spirituellen Haftpunkten eine notwendige Gegenbewegung. Genauso notwendig ist allerdings eine neue Verständigung über die politischen Dimensionen, die die Gottesbeziehung in unserer Glaubensüberlieferung hat.

Ich arbeite an einem Ort, der Woltersburger Mühle, die sich diese Frage zur Aufgabe gestellt hat: wie können Vereinzelte auf ihrer Suche nach Stille, Natur und Gotterfahrungen den Rückweg zur Gemeinschaft finden.

Die Woltersburger Mühle

Die Woltersburger Mühle ist ein großes Gelände in der Nähe von Uelzen. Sie gehört einem Arbeitslosenprojekt. Das Arbeitslosenprojekt organisiert auf dem Gelände eine Jugendwerkstatt. Junge Frauen und Männer zwischen 16 und 25 werden begleitet und versuchen, einen Weg zu einem einigermaßen geordneten Leben zu finden.

Die Jugendlichen, die sich in der Jugendwerkstatt sammeln sind nicht einfach nur arbeitslos. Jeder und jede hat ein Bündel von Problemen zu bewältigen. Depressionen, Übergewicht, eine starke Lernbehinderung… und bei alle dem in der Geschichte halb so viel Liebe und Geborgenheit, wie ein junger Mensch zum Heranwachsenden nötig hat. Manche Geschichten erzeugen die beklemmende Frage, wie es so einem Menschenkind je gelingen kann in verlässlichen Bezügen zu leben und zu arbeiten.

Mitten in diesem Arbeitslosenprojekt hat das Zentrum für biblische Spiritualität und gesellschaftliche Verantwortung, in dem ich arbeite, seinen Ort.

Dieser Ort ist für uns natürlich kein Zufall. Die Einsicht, dass die Suche nach Gott uns zu den Armen führt, hat Gestalt gewonnen. Und der Wunsch, diese Erfahrung weiterzugeben, prägt die Bildungsarbeit, die wir an diesem Orte machen.

Die Frage, wie Vereinzelte auf ihrer Suche nach Stille und Natur den Rückweg zur Gemeinschaft finden können, hat hier ihren Ort.

Und diese Frage brachte mich zum Psalter. 

Ich bin davon überzeugt, dass das Psalmenbuch genau mit dem Problem umgeht, auf das wir um unser Überleben willen eine Antwort finden müssen: Vereinzelte, isolierte Menschen, ohnmächtig angesichts einer internationalen Elite und ihrer Politik, finden den Rückweg zu Solidarität und Gemeinschaft.

Der gesellschaftliche Kontext des Psalmenbuches

Wir lesen die Psalmen normalerweise versweise, oder haben einige Lieblings Psalmen. Aber auch für die Psalmen gilt, was für jeden biblischen Text gilt: Sie gehören in einen literarischen Kontext, der in einen bestimmten gesellschaftlichen Kontext interveniert. Im Fall des Psalmenbuches geht es darum, Menschen die durch eine globale Wirtschaftsordnung individualisiert und beschädigt sind, aus Verbitterung und Abschottung herauszuholen. Vereinzelte werden zu politischen Akteuren, die ob sie wollen oder nicht, ob ihr Aktionsradius groß ist oder klein, verantwortlich sind für die Gemeinschaft, in der sie leben.

Die Ouvertüre des Psalmenbuches gibt uns Einblicke in den gesellschaftlichen Kontext, der den Herausgeber/innen des Buches vor Augen steht. Die Ouvertüre – das sind die Psalmen 1 und 2. Beides sind keine Gebete. Psalm 1 ist ein kleines Lehrgedicht, es geht über Gottes Weisung, Psalm 2 ist typische prophetische Rede. Beide Psalmen rekapitulieren am Anfang des Psalters die beiden großen Schriftensammlungen der Bibel, die Weisung, das sind die fünf Bücher Mose, und die Propheten Bücher.

Das ist für die Datierung des Psalmenbuches ein erster Eckstein. Die Herausgeber/innen des Psalmenbuches setzen die Schriftsammlungen Tora und Prophetenbücher voraus. Im fünften oder vierten Jahrhundert, in der Epoche der persischen Fremdherrschaft über die Provinz Juda haben Tora und Propheten Bücher ihre kanonische Form bekommen. Sie waren eine Art Grundgesetz für den Neuanfang nach dem Exil, sie sollten Leben und Glauben in Juda ordnen.

Der Psalter setzt diesen Neuanfang voraus.

Aber es gibt noch einen weiteren Echstein für die Datierung: Der Psalter sieht die Bedeutung des Grundgesetzes und die Solidarität im Land scheitern.

Das Zusammenleben wird bestimmt von den „wicked“ – ich nenne sie Gloablisierungsgewinner. Sie tauchen gleich im ersten Vers des Buches auf:

Blessed is the man and the woman,
    who walks not in the counsel of the wicked,

rascha ist das hebräische Wort. „Krimineller“ ist die Bedeutung dieses Wortes rascha in Neuhebräisch. 84 Mal kommen „die wicked“ im Psalmenbuch vor. Den Psalter ist die Geschichte einer dramatischen Auseinandersetzung zwischen denen die nach solidarischen Gemeinwesen suchen und diesen Kriminellen. Es sind Wirtschaftskriminelle, sie bewegen sich im Zentrum der Gesellschaft.

Der 1 Vers spricht davon:

Blessed is the man and the woman,
    who walks not in the counsel of the wicked,
nor stands in the way of sinners,
    nor sits in the seat of scoffers;
but his delight is in the law of the Lord,
    and on his law he meditates day and night.

Die wicked bestimmen das Zusammenleben. Im gehen, stehen und sitzen – bei allen Lebensvollzügen, ist ihre Macht präsent. Und ihre Macht ist so groß, dass daneben nur wenig Raum ist für Alternativen. Der Weg der Solidarität lässt sich nur noch mit Worten der Abgrenzung beschreiben. Psalm 1 ist ein Boykottaufruf. Dreimal nein – damit fängt das Psalmenbuch an. Bei allen Lebensvollzügen ist Achtsamkeit geboten, sich nicht anzupassen an Politikverständnis, Lebensstil und Geschäftsgebaren einer gewissenlosen Elite.

Globalisierungsgewinner habe ich sie genannt – denn sie sind – wo wird in Psalm 2 deutlich - Teil einer globalen Bewegung. Psalm 2 spricht von einem internationalen Aufstand, der alle Nationen erfasst hat:

To what end do the nations rage
    and the peoples meditate in vain?
The kings of the earth set themselves,
    and the rulers take counsel together,
    against the Lord and against his Anointed, saying,
“Let us burst their bonds apart
    and cast away their cords from us.”

Völker sind in Aufruhr. Es gibt eine internationale Elite, die sie angeführt. Diese internationle Führungsschicht wird charakterisiert durch ihre Freiheitpropaganda. Die Fesseln der Ewigen und seines Messias wollen sie abschütteln.

“Let us burst their bonds apart
    and cast away their cords from us.”

 alle Bindungen wollen sie loswerden. Es handelt sich um die Bindung der Solidarität, für die Israels Gottheit steht. Sie propagieren die Freiheit der Leistungsträger.

Dieser Freiheitsruf spiegelt die gesellschaftlichen Entwicklungen im nachexilischen Juda. Überregionale Handelsbeziehungen setzen Maßstäbe, gegenüber denen die lokale Gesetzgebung rückständig erscheint.  Es wird auf Großplantagen produziert um im Exportgeschäft Geld zu verdienen,  die Tora, die Akkumulation bremsen und Solidarität judäischer Familien organisieren will, wird zur Fessel. Sabbatgesetze, die die wirtschaftliche Entwicklung zur Förderung des lokalen Zusammenlebens regulieren, sind anachronistisch.

Der Freiheitsruf ist der Kern der so genannten Hellenisierung des Mittelmeerraums und Orient. Der Hellenismus ist eine Zeit der Globalisierung. Die Geldwirtschaft wird mit Gewalt durchgesetzt. Die Ausbreitung der Geldwirtschaft hat tiefgreifende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und führt zu einer neuen Wirtschaftsordnung. Riesiger Großgrundbesitzt wächst neben Bettelarmut. Mächtig Familien bereiten sich aus, und die frei Bäuerinnen und Bauern verlieren ihr Land. Gott ist im Himmel, aber die Erde gehört dem Geschäftsleben, dass von internationalem Handel, Produktion für den Export, von der Ausbreitung der Geldwirtschaft geprägt ist.

Spiritualität

Glück hatte der 1. Psalm denen zugesagt, die Gottes Lebensweisung meditieren. Und dann wird deutlich: Der Zeitgeist ist bestimmt von einer anderen Spiritualität. Das Wort „meditieren“ taucht gleich am Anfang des zweiten Psalms wieder auf. Auch die Eliten meditieren. Die Freiheit der Leistungsträger ist ihr Mantra.

Geld vermittelt Verfügungsmacht und gewährt Lebensqualität, unabhängig von einer Solidargemeinschaft. Autonomiegläubigkeit ist die geistige Sphäre, die mit der Bedeutung des Geldes Raum greift.  Eine Ego-Spiritualität begleitet die Globalisierung der Handelswege und Märkte.

Der gesellschaftliche Konflikt ist auch ein Konflikt der Spiritualitäten.

Und eines ist klar: In der Lebensrealität sind diese Spiritualitäten selten klar geschieden. Die Eliten prägen mit ihrem Einfluss auf die Sprache und mit ihrem Erfolg die geistige Orientierung aller – davon geht der 1. Psalm mit seiner Warnung vor Anpassung aus.

Gerade die Verliererinnen und Verlierer, denen das Psalmenbuch mit seinen Klagen Sprache gibt, die die drohen unter den Räder zu kommen, sind gefährdet, der Ego-Spiritualität isolierter Marktteilnehmer/innen zu verfallen. Denn Enttäuschung und Verlust nähren die Angst, von anderen abhängig zu sein. So wecken gerade Niederlagen den Traum vom autonomen Individuum, das sich in der Welt alleine durchsetzen kann.

Das Psalmenbuch ist eine Intervention in Zeiten äußerer und innerer Gefährdung.

Der Kampf findet nicht nur draußen statt. Auch unser Körper ist Kampfplatz verschiedener Zeitgeister. Jeder und jede steht vor der Frage: welchen Geist gebe ich in mir Raum? Welcher Lebensdeutung schließe ich mich an? Und weiter: wie befreie ich mich von Denkmustern, die ich als gewalttätig erkannt habe? Wie bekommen wir Anteil an dem geistigen Lebenszusammenhang der Mütter und Väter, die in der Hoffnung auf Gerechtigkeit vorangegangen sind?

Um diese Fragen geht es dem Psalter?

Das Politikverständnis

Spiritualität ist im Psalmenbuch durch und durch politisch. Auch das wird in der Ouvertüre sofort greifbar. Einzelne werden im ersten Psalm angesprochen. Eine Meditationspraxis wird Ihnen empfohlen, das Murmeln der alten Texte. Und im zweiten Psalm wird deutlich: Ihre Suche ist Teil einer globalen Auseinandersetzung Gottes, in der es um die Veränderung der gesamten Erde geht.

Von Anfang an macht der Psalter klar: Auch wenn wir denken, dass wir nichts machen  können, und nicht an den Hebeln der großen Politik zu sitzen, wir haben dennoch Teil n dieser globalen Auseinandersetzung um Solidarität und Gerechtigkeit.

Am Anfang dieses Weges steht Gott Lachen

 He who sits in the heavens laughs;

Dieses Lachen sagt: 1) diese internationale Elite - das sind für Gott keine ernstzunehmend Gegner. Ihr ganzes Tun ist vergeblich.

2) Nicht Mord und Totschlag, sondern ein Lachen Gottes steht der Gewalt der Gewinner gegenüber. Also ein ganz anderer, unvorstellbarer vielleicht auch lächerlicher Weg wird es sein, der sie besiegt.

Praxis wird dieses Lachen in einem König: Gottes Gegenmaßnahme heißt konkret:

“As for me, I have set my King
    on Zion, my holy hill.”

Gott stellt den Königen seinen König, den Anointed, entgegen, hebräisch Maschiach = Messias; griechisch: christos = Christus.

Deshalb ist die Gegenmaßnahme Gottes zunächst überraschend:

Denn die „Könige der Welt“ benennt Psalm 2 als die Protagonisten der Globalisierung des Unrechts. Könige repräsentieren das globale Recht des Stärkeren. Könige sind Repräsentanten einer politischen Unrechtstruktur, einen König zu wollen heißt Gott zu verwerfen. Und Gott reagiert mit der Erwählung eines Königs. Diese göttliche Gegenmaßnahme typisch für die biblische Gottheit, und charakteristisch für das messianische Projekt. Israels Gottheit geht in die kaputte Welt hinein. Sie überlässt die Welt nicht der entfesselten Gewalt imperialer Großmächte.  Im „Christus, Messias, the Anointed“, nimmt dieses Wesensmerkmals Gottes Gestalt.

1. Der Messias ist ein Versprechen, dass Gott die Welt nicht verfehlter Politik überlässt. Dafür steht der Messias.

Mit dem Titel Messias unlöslich verbunden ist eine Auseinandersetzung, die tatsächlich den heutigen Konflikte um die Globalisierung ähnelt. Das Königtum ist eine globale Unrechtsstruktur.

Israels Gottheit steht dagegen auf und steht für eine Alternative, die noch nicht sichtbar ist. Politik, die von globalen Unrechtsstrukturen dominiert wird, soll Schauplatz für Gottesrecht und Menschenrechte werden. Das ist messianische Vorhaben – eine Suche nach Auswegen in einer Sachgasse. Etwas was nicht geht, soll gehen. Mächtig, wie die globalen Eliten, aber ganz anders. Die Praxis eines Lachens.

Wie sieht dieser Messias aus?

Bei der Rede vom Messias steht den Herausgeberinnen und Herausgebern der Psalterouvertüre keine historische Königsfigur vor Augen. Selbst wenn dem 2. Psalm ein altes Königslied zugrunde liegen sollte, war für die Frauen und Männer, die die Psalmen 1 und 2 als Einleitung des Psalters gesetzt haben, das Königtum ein Phänomen der Vergangenheit. Die Lebensrealität ihrer Gegenwart wird in Psalm 1 skizziert: Sie ist geprägt von Fremdbestimmung, die das ganze Leben erfasst. In der Fremdbestimmung ist der Messias eine Figur der Hoffnung, Garant der Grenze, die Gott der entfesselten Gewalt im internationalen Kräftespiel entgegen setzt.

Allerdings ist die Übernahme des Königtitels in der Sprache der Hoffnung nicht ungefährlich. Es besteht die Gefahr, dass Herrenträume und Gewaltphantasien in die eigenen Zukunftsvisionen eingehen. Dafür lassen sich viele Beispiel finden – auch in Psalm 2 (2,7-9). Doch trotz der Gefahr, dass diese gewalttätigen Bilder die Hoffnungsvision verfremden, können und wollen die Dichterinnen und Dichter auf die die Rede von einem König nicht verzichten, wenn sie versuchen Hoffnung weiterzugeben.

Weil – so verstehe ich es – die Rede von einem König  eine unaufgebbare Botschaft transportiert: es geht um Handlungsmacht im Feld der Politik.

Die Rede von Gottes König Messias auf dem Zion erklärt die Politik zu Gottes Kerngeschäft. Gott beansprucht das Zentrum politischer Macht als sein Gebiet. Die Messiasfigur steht für diesen Anspruch. Der Messias wird eingesetzt als das Zeichen Gottes, dass das Heil, das wir von Gott erwarten, eine irdisch konkrete Gestalt hat.

Damit sind wir auch bei einem Grundproblem des Christentums.

Jesus Christus wurde zu einer religiösen Figur. Wir benutzen den Christustitel, als wäre er ein Nachname. Wenn Jesus bei der Taufe zum Christus berufen wird mit den Worten des 2. Psalms: „You are my beloved Son“; hören wir nicht das Versprechen dieses Titels, dass Gott die Welt nicht der entfesselten Gewalt des römischen Imperiums überlässt. Darum aber geht es den Evangelien, die im Psalmenbuch Worte gefunden haben, von Jesu Messianität angesichts seines Leidens zu erzählen. Von der Taufe bis zur Kreuzigung haben Psalmen den Leuten Jesus Worte gegeben, um von Jesu Messianität zu erzählen

Mit dem Titel Messias ist unlöslich die Erwartung verbunden, dass Gott die Welt nicht verfehlter Politik und ihren Gesetzen überlässt.

Die Gemeinde

Aber wie? wie Gott mit seinen „Königlein“ auf dem „Zionshügel“ eine globale Machtelite stoppen will?

Was ist der Messias für eine Figur? Was ist diese Figur für ein Körper?

Zunächst: Es ist kein nationaler Kriegsheld, der gegen die Völker zu Feld zieht. Trotz der gewaltigen Sprache wird das im zweiten Psalm sofort deutlich. Der König auf dem Zion redet mit den Königen der Erde. Die letzte Strophe ist eine Umkehrpredigt an die Könige der Welt. Der Messias verkörpert eine universale Perspektive. Die Verheißung von Glück und erfüllten Lebens, die der 1. Psalm einer bedrängten Minderheit zuspricht, trägt er unter die Völker. Seine Verheißung „Blessed are all who take refuge in him“ steht am Ende der Ouvertüre (Psalm 2,12).

Es bleibt allerdings vage, wer diese messianische Umkehrpredigt an die Regenten und Regentinnen der Völker spricht. Die Auslegenden streiten über diesen Punkt.

Wer ist dass „ich“ in der vierten Strophe? Ist es der König, der in der 3. Strophe von sich spricht? Geht seine Rede weiter?

Oder redet das prophetische Ich, das bereits in der 1 Strophe die Völker anspricht?

Mit dieser Unklarheit scheint der Weg des Psalters auf. Dass „ich“ der Psalm hat eine vieldeutig Identität. Es ist eine kooperative Identität. Denn werden wir, wenn wir den Psalm lesen, zu diesem Ich – und das ist in gewisser Weise die Antwort auf die Frage nach dem Wie? des Sieges Gottes.

Die Messiasfigur nimmt Gestalt an in den Frauen und Männer, die sich mit den Psalmen auf den Weg machen.

Frauen und Männer, die nicht mehr weiter können, lernen sich als Menschen wahrzunehmen, die den Mächten der Zerstörung Widerstand entgegensetzen können. Wir lernen die provokante Frage:

Wozu tosen die Völker? Was soll das ganze? Es führt zu nichts. Ins Leere führt ihr Treiben. Wir schlüpfen in das messianische Ich. 

Wir lernen die Herausforderung.

Wir verlernen die Resignation

Und lernen uns als Menschen kennen, die ihr Leben, ihr eigenes und das der Gemeinschaft gestalten können. Auch wenn wir denken, dass wir nichts tun können, auch wenn unserer Handlungsspielraum auf die Bewältigung unserer eigenen Not oder Krankheit beschränkt ist oder durch die politischen Kräfteverhältnisse minimiert ist, wir werden Psalmen lesend zu Menschen, die die Welt nicht hinnehmen, wie sie ist. Wir lernen uns in diesen Psalmen als Menschen kennen, auf die es bei Gottes Veränderung der Welt ankommt.

(Wenn wir weiterlesen, wird das ganz deutlich durch die Davidfigur. Wer Psalmen lies verkleiden sich in David. Nahezu die Hälfte aller Psalmen werden durch die Überschrift „ledawid“ (von/für David) mit David in Verbindung gebracht. Dabei wird nicht die Zeit Davids in ihrem ursprünglichen Verlauf erschlossen. David ist keine Figur der Vergangenheit. Sein Gedenken ist Gestaltung der Zukunft. Davids Name ist eine Chiffre für gestaltbare Gemeinschaft. Er löst den Blick von den Gesetzen der vorherrschenden Globalisierung und führt zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, ihren Fehlern und ihrem Hoffnungspotential zurück.) 

Literatur:
Klara Butting, Erbärmliche Zeiten – Zeit des Erbarmens. Theologie und Spiritualität der Psalmen, Uelzen 2013.

November 2014