Zum Glauben gehört auch Wissen

Für reformierte Christen gibt es keine Instanz, die festlegt, was zu glauben ist. Was gelehrt und gepredigt wird, soll im Einklang mit der Bibel stehen. Darauf zu achten ist die Aufgabe jedes Gemeindemitglieds. Ein hoher Anspruch!

"Wahrer Glaube ist nicht allein eine zuverlässige Erkenntnis durch welche ich alles für wahr halte, was uns Gott in seinem Wort offenbart hat, ..." Der Heidelberger Katechismus (Frage 21) betont die Wichtigkeit des Wissens für den Glauben. Jedes Gemeindemitglied sollte so viel wie möglich wissen, damit es seinen Glauben begründen und weitergeben kann. In der aktuellen Situation wird das aus verschiedenen Gründen wieder wichtig: Der christliche Glaube steht zunehmend in einem Wettbewerb mit anderen Religionen und Glaubensrichtungen. Und auch innerhalb des Christentums spielen Glaubensinhalte angeblich eine immer weniger wichtige Rolle. (gr)

Das Alte Testament war die Bibel Jesu

Bischof Dröge: „In der EKBO wird weder das Alte Testament noch das Institut für Kirche und Judentum abgeschafft!“

Bischof Dröge, Evangelische Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz (EKBO); Foto: EKBO

In seinem Bericht auf der Synode der Evangelischen Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische Oberlausitz (EKBO) hat Bischof Markus Dröge klare Worte gefunden pro Altes Testament: Es sei notwendig, sich klar von einer These zu distanzieren, die die Kanonizität des Alten Testaments in Frage stelle.

Stellungnahme Bischof Markus Dröge, EKBO

Die derzeitige von Notger Slenczka ausgelöste Debatte nahm Dröge zum Anlass ausdrücklich zu erläutern, wie kirchliches Leben von den „Glaubenserfahrungen Israel“ geprägt sei. 70 jahre nach Kriegsende müssten „noch deutlicher als bisher die Erfahrungen und Erkenntnisse des christlich-jüdischen Dialogs“ vermittelt werden.

Quelle und vollständiger Text (PDF)

Auszug aus dem Wort des Bischofs für die Tagung der 4. Landessynode der EKBO vom 24. – 25. April 2015

(Hervorhebungen von reformiert-info)

[...]

Die Kirche hat durch die grausamen Erfahrungen der Nazizeit und den Irrweg, den sie dort vielfach gegangen ist, gelernt, dass ein völkisches Christentum, das christlich begründet Fremdes ausschließen will, dem Evangelium widerspricht. Die Kirche hat aber auch gelernt, im Gespräch mit dem Judentum neu zu sich selbst zu finden. Der christlich‐jüdische Dialog ist seither Teil unserer Identität geworden. Wir haben im Judentum neu die Wurzel unseres christlichen Glaubens verstehen gelernt und die Hebräische Bibel als den wesentlichen Deutehorizont des Evangeliums wiederentdeckt. Was immer schon zum christlichen Glauben gehört hat, die Verwurzelung im jüdischen Glauben, was aber durch eine fehlgeleitete Geschichte des Antijudaismus und Antisemitismus verdunkelt war, das ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder zum Leuchten gekommen, wenn auch beschämender Weise erst motiviert durch die Schuldgeschichte des Versagens in der Nazizeit. 

Um die enge Verwurzelung unseres Glaubens in der Hebräischen Bibel, unserem Alten Testament, auch im gottesdienstlichen Leben zum Ausdruck zu bringen, wird derzeit in unserer Kirche EKD‐weit  die Ordnung der gottesdienstlichen Lesungen und Predigttexte überarbeitet. Im aktuellen Kirchenjahr 2014/2015 wird ein Entwurf zur Neuordnung erprobt. In dieser neuen Ordnung soll der Anteil der alttestamentlichen Texte erweitert werden. Warum? Weil die breit angelegte empirische Studie der Theologischen Fakultät Leipzig aus dem Jahr 2010, bei der Haupt‐ und Ehrenamtliche zu den gottesdienstlichen biblischen Texten befragt wurden, gezeigt hat, dass 25 Prozent der Befragten das Alte Testament in unserem gottesdienstlichen Leben für unterrepräsentiert hält, und nur ein Prozent für überrepräsentiert. Dies zeigt, wie sehr unser kirchliches Leben von den tiefen Glaubenserfahrungen Israels geprägt ist, die sich in den Geschichten, Geboten und Verheißungen des Alten Testamentes, vor allem aber in den Psalmen zeigen. Das Alte Testament war die Bibel Jesu, die Bibel der Emmausjünger, die den auferstanden Christus erkannten, die Bibel der Urgemeinde, die das erste christliche Leben gestaltete. 

Ich erläutere dies heute so ausführlich, weil gerade jetzt eine öffentliche Auseinandersetzung aufgebrochen ist, bewirkt durch den wissenschaftlichen Artikel eines Mitgliedes unserer Kirche, eines Theologieprofessors der Humboldt‐Universität. Professor Notger Slenczka hat bereits im Jahr 2013 mit seinem wissenschaftlichen Beitrag versucht, die Diskussion anzuregen, ob denn nicht die Position des Theologen Adolph von Harnack neu verstanden werden müsse. Harnack hatte vor dem ersten Weltkrieg die These vertreten, das Alte Testament solle nicht mehr kanonischer Teil der christlichen Bibel sein, da es dem Wesen des Christentums zu fremd sei. Professor Slenczka, selbst im christlichjüdischen Dialog engagiert, ging es darum, in Aufnahme von Erkenntnissen des jüdisch‐christlichen Dialogs die Frage zu stellen, ob nicht anerkannt werden müsse, dass die Lektüre der Hebräischen Bibel vor allem im jüdischen Verstehenskontext sachgemäß sei und ob es deshalb nicht konsequenter wäre,  sich der Einschätzung von Harnacks anzuschließen. Für mich nicht nachvollziehbar hat er daher die Kanonizität des Alten Testaments in Frage gestellt. Diese These hat 2013 in der wissenschaftlichen Welt keinerlei Resonanz erfahren, zu Recht, da sie dem Bekenntnis der Evangelischen Kirche widersprechen und aus der anerkannten Lehrtradition der christlichen Kirche ausscheren würde. Es ist notwendig, sich klar von dieser These zu distanzieren. Ich tue dies heute für die EKBO und sage deutlich, dass ich eine Infragestellung der Kanonizität der Hebräischen Bibel, unseres Alten Testaments, entschieden zurückweise. Die tiefe Verwurzelung im jüdischen Glauben hat immer schon konstitutiv zum christlichen Glauben gehört, wurde dann aber durch die Aufarbeitung der Schuldgeschichte eines theologischen Antijudaismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im christlich‐jüdischen Dialog noch einmal klar herausgearbeitet. Das hat inzwischen doppelt Früchte getragen: Einerseits in der Wertschätzung des Alten Testamentes in der Frömmigkeit unserer Kirche, sowohl im gottesdienstlichen Leben als auch in der  persönlichen Frömmigkeit – ich nenne nur die Praxis des Psalmgebetes und das Lesen der Herrnhuter Losungen. Zum anderen durch die  Neubestimmung des Verhältnisses zu unseren jüdischen Glaubensgeschwistern in der Grundordnung unserer Kirche. Dort nämlich wird nicht nur die lehrmäßige Selbstverständlichkeit festgehalten, dass unsere EKBO „gegründet (ist) auf das prophetische und apostolische Zeugnis der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments“ (Grundartikel I, 3), sondern dort wird auch betont, „dass Gottes Verheißung für sein Volk Israel gültig bleibt“, dass wir uns „zur Anteilnahme am Weg des jüdischen Volkes verpflichtet“ wissen, „in Leben und Lehre dem Verhältnis zum jüdischen Volk besondere Bedeutung“ zumessen und „im Hören auf Gottes Weisung  (und ich ergänze: des Alten wie des NeuenTestamentes!, M.D) … mit dem jüdischen Volk verbunden“ sind (Grundartikel I, 12). 

Wir müssen als evangelische Christinnen und Christen heute, 70 Jahre nach Kriegsende, die öffentliche Auseinandersetzung um die Bedeutung des Alten Testamentes zum Anlass nehmen, noch deutlicher als bisher die Erfahrungen und Erkenntnisse des christlich‐jüdischen Dialoges zu vermitteln. Dies gilt besonders gegenüber einer nachwachsenden Generation, die angesichts der Herausforderungen des christlich‐muslimischen Dialoges in der Gefahr steht, die Errungenschaften des christlichjüdischen Dialoges für selbstverständlich zu halten, die aber so selbstverständlich nicht sind, sondern immer wieder neu stark gemacht werden müssen. Hier liegt noch eine große Aufgabe vor uns. 

Ich bin dankbar, dass wir hier in Berlin das Institut für Kirche und Judentum mit einer langen und ehrenwerten Tradition unser eigen nennen. In Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät der Humboldt‐Universität sind wir gerade dabei, dieses Institut neu zu konzipieren und für die Zukunft neu aufzustellen. Auch hier gab es einige Irritationen. Deshalb ist es notwendig, klarzustellen: Unsere Kirchenleitung hat in der Dezembersitzung des letzten Jahres ihr Engagement für das Institut bekräftig und beschlossen, sich für eine breitere Unterstützung für dieses Institut zu einzusetzen. Wir sind dabei auf einem guten Wege. Ich kann deshalb heute sagen: In der EKBO wird weder das Alte Testament noch das Institut für Kirche und Judentum abgeschafft!

[...]

Quelle und vollständiger Text (PDF)

Die ganze Bibel erzählt von Gott

 

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