Der Inbegriff des Sommerlochs

Mittwochs-Kolumne - Paul Oppenheim

Die Sommergäste? Verschwunden... Foto: Chritian Ferrari / freeimages.com

„Sommerloch“ ist die Bezeichnung für jene nachrichtenarme Zeit, in der sich die Regierenden eine Pause gönnen, und auch sonst nicht viel los ist. Für nachrichtenhungrige Menschen ist das eine Durststrecke. Es stellt sich ein Verlustgefühl ein, eine Leere.

Und tatsächlich ist das diesjährige Sommerloch durch einen Schwund gekennzeichnet. Das gilt insbesondere für Frankreich, wo ich zurzeit als Urlauber dem Sommerloch unmittelbar ausgesetzt bin. Zuerst meldeten die Medien das Verschwinden des saudischen Königs. Jawohl, seine Majestät Salman ibn Abd al-Aziz hat sein Feriendomizil an der Côte d’Azur schon nach wenigen Tagen Anfang August verlassen. Und das obwohl man extra für ihn den Strand unter seiner Villa für die Öffentlichkeit gesperrt hatte. Haben ihn die Proteste der Anwohner vertrieben? Nein, an den Protesten habe er sich nicht gestört, ließ er erklären. Schließlich ist er auch nicht dafür bekannt, dem Protest seiner Untertanen viel Beachtung zu schenken.

Ärgerlich ist natürlich, dass sein kleiner Hofstaat von über tausend Personen mit ihm abgereist ist. Sie hatten zusätzlich zum Anwesen am Meer auch die teuersten Hotelzimmer in Cannes und Umgebung für drei Wochen gebucht. Man wüsste gerne, wer jetzt für die stornierten Hotelzimmer aufkommt? Doch darüber schweigen die Medien.
Der größte Schwund ist gewissermaßen der Inbegriff des Sommerlochs, nämlich das Verschwinden des Präsidenten! „Wo ist Franҫois Hollande?“ titelten auf einmal einige Zeitungen. Ein empörter Aufschrei auch in den abendlichen Nachrichtensendungen. Nicht, dass er von den meisten Franzosen wirklich vermisst würde, aber verwundert rieb man sich die Augen, als er plötzlich weg war. So etwas hatte man noch nie erlebt. Darf ein Präsident einfach in den Urlaub verschwinden, ohne sein Ferienziel publik zu machen? Hat das Volk nicht das Recht zu wissen, wo sein Staatsoberhaupt die „schönsten Tage des Jahres“ verbringt, und vor allem mit wem?
Sein letzter öffentlicher Auftritt war bei der Begrüßung einer französischen Geisel, die nach fünf Monaten Geiselhaft von ihren Entführern im Yemen freigelassen worden war.

Kein Wunder, dass man sich Sorgen macht. Stell dir vor, dein Präsident wird entführt, und keiner merkt es?

Paul Oppenheim, 12. August 2015