Reformierte Versammlungsräume

in Lübeck, Stapelage und Zürich

von Jörg Schmidt und Achim Detmers

Reformierte Kirchräume sind Versammlungs- und Gemeinschaftsräume. ›Versammlung‹ ist für die Reformierten ein wichtiges, ein theologisches Stichwort. In einem ihrer Bekenntnistexte, im Heidelberger Katechismus, heißt es, dass Jesus Christus seine weltweite Gemeinde von Anbeginn der Welt bis heute »versammelt, schützt und erhält« (Frage 54). Reformierte Kirchräume müssen also immer auch Räume sein, die diesen Gemeinschaftsaspekt ausdrücken, die ihn lebbar, erlebbar machen. Sie sind so gestaltet, dass sie Menschen Raum bieten, um zusammenzukommen.

Hier feiern sie Gottesdienst. Hier treffen sie sich zu Gemeindeversammlungen. Aber hier finden auch andere Veranstaltungen statt: Gemeindegruppen, Konzerte, Lesungen.

Die ›versammelte Gemeinde‹ kommt in reformierten Kirchräumen zusammen, um im Gottesdienst die Predigt zu hören und miteinander das Abendmahl zu feiern. Die Bänke und Stühle sind deshalb in der Regel um Kanzel und Abendmahlstisch herumgestellt und auf sie ausgerichtet.

Gemeinschaft, Versammlung wird dadurch erlebbar, dass sich die Gemeinde wahrnimmt und – zentriert um Kanzel und Tisch – wiederfindet. Die Gemeinde macht sich so geradezu räumlich bewusst: Sie lebt vom Hören auf das in der Predigt verkündigte Wort Gottes und von der erinnerten und spirituell erlebten Gemeinschaft mit Jesus Christus in der Feier des Abendmahls. Weil die Gemeinde im Abendmahl kein Opfer vollzieht, ist der Abendmahlstisch kein Altar, sondern ein Tisch für das Brot und den Wein, um den sich die Gemeinde versammelt.

Mit der versammelten Gemeinde kommen die Ebenbilder Gottes zusammen. Anderer gemalter Bilder oder gestalteter Skulpturen bedarf es nicht. In der Regel fehlt auch ein Kreuz. Dieser Ausschluss der gemalten, festliegenden Bilder entspricht der Vielfalt der biblischen Sprachbilder. Und er ermöglicht eine mindestens ebenso große Vielfalt der Bilder in Auslegung und Hören der biblischen Texte. Ein besonderer Akzent reformierter Theologie wird so deutlich: In der Vielfalt der versammelten Gemeinde, der Ebenbilder Gottes, spiegelt sich die Vielfalt Gottes. Der Ausschluss aller festliegenden und festlegenden Bilder gibt der Lebendigkeit und Vielfalt sowohl der Menschen als auch Gottes Raum.

- Jörg Schmidt

 Zürich

Die Ev.-ref. Pauluskirche in Zürich wurde in den dreißiger Jahren des vorherigen Jahrhunderts gebaut. Abendmahlstisch und Kanzel stehen direkt hintereinander. Über der Kanzelwand befinden sich Sängerempore und offener Orgelprospekt. Auffallend sind die raumhohen Arkadenfenster.

Lübeck

Die Ev.-ref. Kirche im Zentrum der Innenstadt Lübecks wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet. Die halbrund angeordneten Kirchenbänke sind auf Kanzel und Abendmahlstisch ausgerichtet, ebenso die durch Säulen getragene Empore. Der Kirchsaal erinnert an ein antikes Theater. Er wurde zum 350-jährigen Gemeindejubiläum generalsaniert. Der Abendmahlstisch war ursprünglich auch als profaner Esstisch in Gebrauch.

Stapelage

Die heutige Ev.-ref. Kirche in Stapelage geht auf einen Umbau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Die Kirchenbänke sind auf Kanzel, Taufstein und Abendmahlstisch ausgerichtet. Der Taufstein stammt aus einem der Vorgängerbauten und ist über 900 Jahre alt.

 

©Foto Zürich: Matthias Krieg
©übrige Fotos: Achim Detmers


Jörg Schmidt und Achim Detmers
 

Nach oben   -   E-Mail  -   Impressum   -   Datenschutz