Endlich!

Ungleichbehandlung von Partnerschaften zweier Menschen gleichen Geschlechts überwinden

Foto: Cheryl Empey / freeimages.com

Noch diese Woche wird im Deutschen Bundestag voraussichtlich die bisherige Ungleichbehandlung von Partnerschaften zweier Menschen gleichen Geschlechts überwunden. Endlich! – findet Fabian Brüder.

Noch diese Woche soll im Bundestag über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare entschieden werden. Immer wieder wird in der Debatte darauf hingewiesen, dass sich kirchlich gebundene Menschen mit dieser Entscheidung schwertun – schließlich heiße es in der Bibel, dass Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen habe.

Viel wurde in den letzten Jahren in den evangelischen Landeskirchen über diese und andere Textstellen diskutiert und gestritten. Argumente wurden ausgetauscht, Beschlüsse gefasst und verschoben. Die ins Feld geführten Positionen erneut gegeneinander abzuwägen scheint mühsam wie redundant: Doch es lohnt sich, das Lesetempo an zumindest einer Stelle nochmals zu verlangsamen. Nämlich bei der zweiten Schöpfungserzählung (Genesis 2,4-3,24).

Gerne wird auf Grundlage dieses Textes hervorgehoben, dass Gott „Adam and Eve“ (Adam und Eva) statt „Adam and Steve“ (Adam und Stephan) geschaffen habe. Doch läuft man durch eine solche Verkürzung der Erzählung Gefahr, nur in den Blick zu nehmen, dass(!) Gott einen Mann und eine Frau geschaffen hat. Doch was(!) Gott nach der Schöpfungserzählung da eigentlich tut, wird erst deutlich, wenn man das Warum seines Handelns mit in den Blick nimmt: Am Anfang der ersten biblischen Geschichte von Zweisamkeit steht nämlich ein Satz, der geradezu zum Vorzeichen der darauf folgenden Erzählung wird: „Und der Herr, Gott, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist: Ich will ihm eine Hilfe machen, ihm gemäß.“ (Genesis 2,18)

Am Anfang der ersten biblischen Geschichte von Zweisamkeit steht ein Gott, der sich einem Menschen zuwendet und ihn aufmerksam wie achtsam wahrnimmt. Gott blickt auf den Menschen und sieht: Adam braucht einen Mit-Menschen. Gott nimmt Adam mit seinen Bedürfnissen wahr und ernst. Mehr noch: Gott begibt sich infolge seiner Beobachtung auf die Suche nach dem, wonach Adam bedarf. Doch das erste, was Gott Adam präsentiert, ist nicht etwa eine Frau, sondern: Tiere. Als er diese zu Adam führt, geschieht etwas im wahrsten Sinne des Wortes bemerkenswertes: Er wartet auf Adams Reaktion. Er wartet auf Adams „Ja!“. Gott geht es um den Menschen. Darum, was ihm gut tut. Gottes Suche nach einem Wesen, das Adam Zweisamkeit ermöglicht, zielt auf nichts anderes als sein Wohl – und nicht auf die Schaffung einer Ordnung, der sich Adam beugen muss ohne vorher gefragt zu werden.

Gottes Kreativität bei der Erschaffung einer Lebenshilfe für Adam ist zunächst nur von begrenztem Erfolg. Heißt es doch schon nach wenigen Versen: „Für den Menschen aber fand er keine Hilfe, die ihm gemäß war.“ (Genesis 2,20) Nun folgt, was altbekannt scheint: Gott lässt den Menschen in  einen tiefen Schlaf fallen und schafft aus seinen Rippen heraus die Frau.

Die Schöpfungserzählung will bekanntermaßen kein Schöpfungsbericht sein. Darum verfehlen naturwissenschaftliche Fragen die Intention derjenigen Personen, die diesen Text einst tradierten und niederschrieben. Und dennoch stellt sich die Frage, warum der Erzählung nach Gott nun den zweiten Menschen aus dem Stoff des ersten Menschen formt. Vielleicht um eins deutlich zu machen: Die Biographien beider Menschen sind von Beginn an miteinander verwoben. Die Geschichte des einen Menschen ist nicht ohne die Geschichte des anderen zu verstehen. Adams Geschichte ist unvollständig – ohne die Geschichte Evas. Und Evas Geschichte wäre verkürzt dargestellt – ohne die Geschichte Adams. Es sind zwei Geschichten, die untrennbar zusammen gehören.

Diese Zusammengehörigkeit wird nun zum Wendepunkt der Erzählung: Adam sieht Eva und bekennt ihrer beider Zusammengehörigkeit, die in Gottes schöpferischem Wirken begründet liegt: „Diese endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch. Diese soll Frau heißen, denn vom Mann ist sie genommen.“ (Genesis 2,23) Eva kommt nicht zu Wort. Es ist und bleibt eben ein Text, dessen Kontext durch und durch von männlicher Dominanz durchzogen ist. Bei all den Schwierigkeiten, die damit einhergehen, sticht hervor, wie Adam seiner Begeisterung Ausdruck verleiht: Gebein von meinem Gebein. Fleisch von meinem Fleisch. Adam erkennt: Du und ich – wir haben etwas gemeinsam. Deine Identität und meine Identität – die kann man nicht gänzlich voneinander scheiden. Aus dem Ich und Du geht ein Wir hervor. Und so spricht der Text über Adam und Eva die Verheißung aus, dass aus ihnen beiden ein Fleisch wird. Adam und Eva – sie werden ihre Lebensgeschichte fortan nicht mehr ohne die Hand des anderen weiterschreiben. Eines Tages werden sie ihre Kinder sogar dabei begleiten, selbst schreiben zu lernen – bis diese dann ihre eigene Lebensgeschichte weiterschreiben können, auch ohne Begleitung Adams und Evas. Denn: „Darum verlässt ein Mann seinen Vater und seine Mutter und hängt an seiner Frau, und sie werden ein Fleisch.“ (Genesis 2,24)

„Halt!“, werden manche rufen. Macht denn nicht gerade dieser Satz deutlich, dass Zweisamkeit der zweiten Schöpfungserzählung zufolge nur das Miteinander von Frau und Mann meint? Diejenigen, die jenen Text einst tradierten und niederschrieben, hatten damals wohl tatsächlich nur an das Miteinander von Frau und Mann gedacht. Und dennoch hatten sie mehr im Blick als diejenigen, deren Sichtweise auf die zweite Schöpfungserzählung Gefahr läuft, sich zu verengen. Denn es heißt nicht ohne Grund: „Darum(!) verlässt ein Mann seinen Vater und seine Mutter […].“ Die zweite Schöpfungserzählung will erzählen wie(!) und warum(!) es zur Zweisamkeit kommt. Der Grund steht am Anfang der Geschichte: Gott nimmt Adam mit seinem Bedürfnis nach Zweisamkeit wahr. Für ihn ist Gott stundenlang am Grübeln und Basteln – und hört nicht eher auf, bis er Adam sagen hört: „Ja, das ist sie! Das ist der Mensch, der mir und meinem Leben gut tut.“ Gott geht es bei der Zweisamkeit um das Wohl des Menschen und unseres Miteinanders – Gott sei Dank!

Es ist endlich an der Zeit, dass auch die deutsche Rechtsprechung die Zweisamkeit zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts rechtlich ebenso anerkennt wie die zwischen zwei Menschen verschiedenen Geschlechts. Es ist an der Zeit, dass die Ungleichbehandlung überwunden wird.

Anlass für den Einwurf:
http://www.evangelisch.de/inhalte/144614/27-06-2017/ehe-fuer-alle-ekd-findet-zeitdruck-bedauerlich


Fabian Brüder, Vikar in München, 28. Juni 2017