Wir haben nichts Besseres ... oder: singen vor Glück und als Trost

Eine Andacht von Kerstin Bonk, Reigoldswil/Titterten

© Pixabay

Auf der Suche nach Liedern für den Gottesdienst fand Johannes Calvin keine besseren als die Psalmen. Im Psalmengesang treten „Männer, Frauen und Kinder in der Engel Gemeinschaft“, es sei „als ob Gott selbst in uns singend wirkt“.

Unbändige Freude und ungeheueres Glück, empfindet der Verliebte. Endlich hat er den Mut gefunden sie anzusprechen. Ein kurzes Gespräch ist es. Kaum mehr als ein paar Worte wechseln die beiden im Vorübergehen an der Bushaltestelle. Und doch schreibt er:

„Ich fühlte mich ganz leicht im Kopf. Der Gegenwind wühlte mir durchs Haar, und doch kam es mir so vor, als würde ich fliegen. Ich stellte mich in die Pedalen und stemmte den Körper gegen den Wind; ich wusste, dass mich niemand würde einholen können, dass niemand mich durch sein Gerede um diese unbändige Freude würde bringen können. Ich war so ungeheuer glücklich, dass ich einfach singen musste, und weil ich nichts anderes konnte, brüllte ich einen Psalm durch die Dunkelheit.“ (aus dem autobiographischen Roman des Niederländers Maarten ’t Hart: Ein Schwarm Regenbrachvögel)

Vor ungeheurem Glück und unbändiger Freude kann er nichts anderes als singen. Er singt, um die Freude aus seinem Herzen fließen zu lassen. Er singt, um seinem Glück Luft zu machen, ja um es „herauszubrüllen“. Offensichtlich kann Singen den Gefühlen eine Stimme geben und sie zum Klingen bringen. Viele werden das kennen.

Aber bemerkenswert finde ich, was der Ich-Erzähler singt. Es ist kein Liebeslied. Es ist auch keine Melodie aus dem Konzert, das er gerade besucht hatte. Nein, er singt einen Psalm. Einen Psalm, der seinen Weg von der Bibel ins Gesangbuch gefunden hat. Einen der Psalmen, die den Ich-Erzähler seit Kindesbeinen begleitet haben und die die „tägliche Musik“ seiner Mutter sind. Das kommt ihm über die Lippen und bringt sein Glück zum Klingen.

Dass die Psalmen eine „reiche Bedeutung und einen tiefen Inhalt zu haben scheinen“, erlebt er, als seine Mutter stirbt. Sie liegt auf dem Bett, geschwächt vom Kehlkopfkrebs. Und doch stimmt sie wenige Augenblicke vor dem Sterben noch einen Psalm an: „Könnt ich zum Altar Gottes wallen, ich jauchzt in meinem Gott vor Freud. Ach, wann werd ich dort niederfallen? Wann wird mein Gott, vor dir erschallen, von meiner Harfe, Dir geweiht, Dein Lob der Herrlichkeit“? (Psalm 43 nach M. Jorissen) singt sie und stirbt.

Einst war Calvin auf der Suche nach Liedern für die Gottesdienste in Genf, die er als zu kalt und nüchtern empfand. Dort waren nach dem Bildersturm der Reformation auch die Musik und der Gesang abgeschafft worden. Schließlich war er auf die Psalmen gestoßen und fand, dass sich „keine besseren und geeigneteren Lieder finden als die Psalmen Davids“. Denn durch das Singen der Psalmen treten „Männer, Frauen und Kinder in der Engel Gemeinschaft“, es sei „als ob Gott selbst in uns singend wirkt“.

Der autobiographische Roman zeigt, dass auch Menschen unserer Zeit in den Psalmen zu Hause sind, mit ihnen leben, lieben und sterben. Diese wunderbaren Texte und Melodien sind ein Stück Heimat. Sie geben unserer Freude und unserem Glück Ausdruck. Sie geben unserer Seele Raum und Trost. Wie gut, dass wir sie auch heute noch singen und uns in ihnen bergen können. 


Kerstin Bonk, Pfarrerin Reigoldswil/Titterten
 

Nach oben   -   E-Mail  -   Impressum   -   Datenschutz