Der Weg Gottes in die Tiefe

Lesegottesdienst am Freitag, dem 10. April 2020 – Karfreitag

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Von Martin Filitz

Predigttext:
2.Korinther 5, 19-21
Spruch des Tages:
Johannes 3, 16
Psalm des Tages:
Psalm 22
Heidelberger Katechismus:
Frage 44
Epistel:
2. Korinther 5, 14-18
Evangelium:
Johannes 19, 16-30
Eingangslied:
Holz auf Jesu Schulter EG 97
Wochenlied:
EG 85 O Haupt voll Blut
Credolied:
Wir glauben Gott EG 184
Predigtlied:
Jesu, deine Angst EG 98,1-4
Schlusslied:
Verleih uns Friede EG 421

 

Eingangswort

Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geis-tes.
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde ge-macht hat.

Wochenspruch:   

Also hat Gott die Welt geliebt, dass alle, die an ihn glauben nicht verloren werden sondern das Ewige Leben haben.

Eingangslied: EG 97

1. Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

2. Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt
Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.

3. Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.
Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

4. Wollen wir Gott loben, leben aus dem Licht.
Streng ist seine Güte, gnädig sein Gericht.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

5. Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu.
Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du?
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

6. Hart auf deiner Schulter, lag das Kreuz, o Herr,
ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.
Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

Wochenpsalm Psalm 22

1 Ein Psalm Davids, vorzusingen, nach der Weise »die Hirschkuh der Morgenröte«.

2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

3 Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.

4 Aber du bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.

5 Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.

6 Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.

7 Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volk.

12 Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer

16 Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, / und meine Zunge klebt mir am Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub.

20 Aber du, HERR, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!

Gebet

Unbegreiflicher, gnädiger Gott,
wir haben das Kreuz deines Sohnes vor Augen
und wir hören:
Für uns hast du Jesus dahingegeben.
Aber auch unter uns mehren sich die Stimmen,
die nicht mehr gelten lassen,
dass das wirklich nötig war.
Viele reden nicht mehr gern
von dem Fluch der Sünde,
den Jesus getragen hat
an unserer Statt.
Wir sprechen uns eigenmächtig frei
von aller Schuld an Jesu Sterben
und finden anderswo Sündenböcke,
die herhalten müssen
für das Elend der Welt,
damals und heute.
Gott, wir haben das Kreuz deines Sohnes vor Augen
und würden es am liebsten nicht sehen,
weil es uns zeigt,
wie viel es dich kostet,
uns zu erlösen
aus der Gewalt des Bösen.
Wir bitten dich,
vertiefe unser Verständnis
für unsere Bedürftigkeit
und erschließe uns neues Leben
durch Jesus,
gestorben und auferstanden für uns.
Epistel: 2. Korinther 5, 15-21

Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben, dass einer für alle gestorben ist und so alle gestorben sind. 15 Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde. 16 Darum kennen wir von nun an niemanden mehr nach dem Fleisch; und auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr. 17 Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. 18 Aber das alles ist von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. 19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. 20 So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! 21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

Wochenlied EG 85, 1.5.6.9

1. O Haupt voll Blut und Wunden, / voll Schmerz und voller Hohn, / o Haupt, zum Spott gebunden / mit einer Dornenkron, / o Haupt, sonst schön gezieret / mit höchster Ehr und Zier, / jetzt aber hoch schimpfieret: / gegrüßet seist du mir!

5. Erkenne mich, mein Hüter, / mein Hirte, nimm mich an. / Von dir, Quell aller Güter, / ist mir viel Guts getan; / dein Mund hat mich gelabet / mit Milch und süßer Kost, / dein Geist hat mich begabet / mit mancher Himmelslust.

6. Ich will hier bei dir stehen, / verachte mich doch nicht; / von dir will ich nicht gehen, / wenn dir dein Herze bricht; / wenn mein Mund wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen in meinem Arm und Schoß.

Heidelberger Katechismus - Frage 44

Warum folgt »abgestiegen zu der Hölle«?
(abgestiegen in das Reich des Todes)
Im apostolischen Glaubensbekenntnis)

Damit wird mir zugesagt,
dass ich selbst
in meinen schwersten Anfechtungen
gewiss sein darf,
dass mein Herr Christus
mich von der höllischen Angst und Pein
erlöst hat, (Jes 53, 10 / Mt 27, 46)
weil er auch an seiner Seele
unaussprechliche Angst,
Schmerzen und Schrecken
am Kreuz und schon zuvor erlitten hat.

Evangelium: Johannes 16, 16-30

16 Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber, 17 und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. 18 Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. 19 Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König. 20 Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. 21 Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König. 22 Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. 23 Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. 24 Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten. 25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena. 26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. 28 Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. 29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. 30 Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.

Credolied: Wir glauben Gott im höchsten Thron EG 184

1 Wir glauben Gott im höchsten Thron, wir glauben Christum, Gottes Sohn, aus Gott geboren vor der Zeit, allmächtig, allgebenedeit.

2 Wir glauben Gott, den Heilgen Geist, den Tröster, der uns unterweist, der fährt, wohin er will und mag, und stark macht, was daniederlag.

3 Den Vater, dessen Wink und Ruf das Licht aus Finsternissen schuf, den Sohn, der annimmt unsre Not, litt unser Kreuz, starb unsern Tod.

4 Der niederfuhr und auferstand, erhöht zu Gottes rechter Hand, und kommt am Tag, vorherbestimmt, da alle Welt ihr Urteil nimmt.

5 Den Geist, der heilig insgemein lässt Christen Christi Kirche sein, bis wir, von Sünd und Fehl befreit, ihn selber schaun in Ewigkeit. Amen.

Predigttext: 2. Korinther 5, 19-21

19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. 20 So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! 21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

Liebe Gemeinde

Karfreitag, das bedeutet traditionell Gottesdienst auf sparsamstem Nivea: Es ist der einzige Tag im Kirchenjahr, in dem die heilige Messe in der römisch-katholischen Kirche ausfällt. Keine Jubelgesänge, kein Halleluja, in manchen Kirchengemeinden schweigen sogar Orgel und Glocken. Ob das der Versuch ist, den Weg Jesu zum Kreuz wenn schon nicht real, so doch auf der gottesdienstlichen Ebene nachzuvollziehen?

In diesem Jahr 2020 werden wir noch nicht einmal die Gelegenheit zu solchen gottesdienstlichen Nachvollzügen haben. Nicht nur die alltäglichen Lebensvollzüge hat das Virus lahmgelegt, auch die gottesdienstlichen. Wir folgen dieser staatlichen Anordnung. Denn auch gottesdienstliche Begegnungen können auf vielfältige Weise ansteckend, vielleicht sogar tödlich wirken. Und wenn der brasilianische Präsident Bolsonaro behauptet, einem Gläubigen Menschen könne das nicht geschehen, der vergisst, dass auch die glaubenden Menschen auf der Erde leben wie alle anderen auch. Der Glaube ist keine Schutzimpfung. Und was die Christen unter diesen Bedingungen tun können, ist, das Leben so lebenswert wie möglich zu gestalten: Briefe schreiben, e-mails schicken, telefonieren und Kontakt mit dem Bildtelefon aufnehmen. Sicher: das Abendmahl kann man kaum in der Distanz feiern. Aber dieses Manko haben medial vermittelte Gottesdienste zu jeder Zeit und an jedem Ort. Und was die Taufe angeht, ist es genau so. Sonst aber, für die Wort-Anteile und auch die Musik des Gottesdienstes, lassen sich Wege der Vermittlung und der Kommunikation finden. Gewiss, hier geht es nicht um eine Form von Normalität, es geht darum, die Ausnahme zu gestalten. Das verlangt Erfindungsreichtum: Nähe herstellen ohne dass man körperliche Nähe fordert oder zuläßt.

Es kann jedoch nicht die Aufgabe von Christen sein, die an der Seuche vermeintlich Schuldigen dingfest zu machen: China, Homosexualität und Umweltschutz sind Schuld an der Corona-Seuche., das war aus evangelikalen Kreisen in den USA zu hören. Als könnte die Frage, wer schuld ist, das Leid der Menschen an der Infektion aufheben. Krisen wie die Corona-Infektion verleiten dazu, sich Gedanken darüber zu machen, wer denn nun schuld ist. Schuld kann man nicht gegen Leid aufrechnen. Es muss einen Schuldigen an den bösen Widerfahrnissen des Lebens geben: sonst ist das Leben aus den Fugen geraten und sinnlos.

Nähe kann in diesen Tagen gefährlich werden. So geht das auch mit unseren Gottesdiensten: Nähe ohne direkte Begegnung, Singen ohne Gemeinde, Predigt lesen ohne die Predigt zu hören. Und dabei ist es vielleicht ist es auch eine Chance, selber in der Bibel zu lesen, die alten Texte in die eigene Situation hinein reden zu lassen. Und es mag überhaupt so sein, dass wir die Verheißung, die das Bibelwort hat, gering schätzen und lieber diejenigen reden lassen, die es gelernt haben und die letztlich dafür bezahlt werden, dass sie reden. Natürlich kann man in der medialen Wolke weder Taufe und Abendmahl feiern. Das ist so, das haben wir uns nicht ausgesucht. Wir werden es um so lieber wieder feiern, wenn die Ansteckungsgefahr vorüber ist.

Also nehmen wir die Corona-Krise als das, was sie für uns ist: eine geistliche Herausforderung für die Christen und für die Gemeinden. Menschlich handeln in einer gefährlichen Umgebung, in der es keinen Schutz vor dem Virus als den, der uns mit Nachdruck empfohlen wird: häufiges Händewaschen, zu anderen Menschen in der Kasse im Supermarkt genügend Abstand halten. Es wird auch Christliches Handeln in der Krise sein, die Regeln einzuhalten und auch bei anderen Menschen darauf dringen, dass diese Regeln vor allem Lebensregeln sind. Immerhin lassen die Regeln einen Handlungsspielraum, der ausgeschöpft sein will.

So ist es Karfreitag geworden unter den Bedingungen von covid 19. Im Johannes Jaenicke Haus in der Burgstrasse sind viele Pflegerinnen und Pfleger infiziert. Von den Bewohnerinnen und Bewohnern sind ebenso viele infiziert (Stand 30.3.2020) und zwei gestorben. Dabei ist es noch unklar, ob sie am Corona-Virus gestorben sind.

Karfreitag bedeutet den Weg Gottes in die Tiefe bis zur Hölle. Er geht dorthin, wo eigentlich der Platz aller Menschen sein sollten ohne Gott leben wollten und ohne ihn gelebt haben. Es sollte der Ort sein für die Menschenmörder aller Zeiten, der Hitler und Stalin, der Mao und der Pol Pot, die Menschenleben für nichts achteten. Und man muss schon die Opfer selber fragen, ob der Nationalsozialismus wirklich nur ein „Vogelschiss“ (Alexander Gauland 2.Juni 2018) war, ober ob sich in dieser Rede nicht genau die Menschenverachtung fortsetzt, die Jesus ans Kreuz brachte und die Juden nach Auschwitz.

Alle Fürchterlichkeiten von dieser Art; von der Grausamkeit der Kreuzritter über den 30jährigen Krieg, die Massaker in der Kolonialzeit, bis zu dem Menschenschlachten im Inneren Afrikas, den Bombardements in Hiroshima und Nagasaki, und Vietnam, und jeder mag aus seinen Erinnerungen die Akte von Menschenverachtungen der Geschichte hinzufügen.

Gott geht zur Hölle, ja zum Teufel, um die Macht der Grausamkeiten zu brechen. Tiefer kann niemand sinken, als Gott selber gesunken ist. Niemand kann tiefer fallen als in Gottes Hand und wenn es in der Hölle ist.

Kein Ort, wo Gott nicht vorher gewesen ist, und wo er mich erwartet: Hölle, Tod und Teufel sind nicht ohne Gott. In der Corona-Krise ist das tröstlich. Im Leben und im Sterben bleibe ist Jesu Christi Eigentum (Heidelberger Katechismus Frage 1)

Das ist wirklich unglaublich. Man hat uns – auch in der Kirche – beigebracht, dass wir in einer dreistöckigen Welt leben: Oben der Himmel, in der Mitte die Erde, und unten Die Hölle. In der Toskana gibt es grausige Bilder von der Hölle und denen, die sie bevölkern. Im Dom von Florenz ist ein solches Bild zu sehen, ein anderes in der Basilika von San Gimignano.

Und die Vorstellungen, die hinter diesen Bildern steht, hat sich in unseren Köpfen eingenistet. Das schlimme an diesen Bildern ist, dass sie statisch sind, unbeweglich, von der Erde kann man aufsteigen oder absteigen, aber wer einmal von der Erde abgestürzt ist – vor allem aus eigener Schuld, der bleibt für immer in der Hölle und wird vom Teufel gefressen und wieder ausgeschieden und wieder gefressen und so fort.

Dass Gott in der Hölle war, als Christus hinabgestiegen ist zu den Toten, das hat man uns mehrheitlich verschwiegen. So wurde der Teufel zum Kinderschreck und zur Erziehungshilfe für unbotmäßige Sprösslinge.

Wenn Christus aus Liebe zur Hölle gefahren ist, dann gibt es dort keine hoffnungslosen Fälle. Wenn Christus aus Liebe zur Hölle gefahren ist, dann bedeutet das, dass die Verhältnisse auf der Welt und im Universum nicht ewig so bleiben wie sie momentan sind. Der Teufel hat nicht gewonnen und wird nicht gewinnen. Die Toten von Auschwitz werden ihren Mördern Aug in Auge gegenüberstehen, und es wird Recht gesprochen über die Lebenden und die Toten, und die Opfer werden zu ihrem Recht kommen. Und all die vergessenen Toten, die verhungerten Menschen Afrikas, die Toten der Meere und die Kriegsopfer und die Kriegstäter, deren Namen nicht in die Denkmäler eingeschlagen sind.

Paulus sagt es unmissverständlich: Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber!

Hoffnung für die hoffnungslose Fälle, Hoffnung auch für die Corona-Kranken, selbst wenn viele sterben werden. Und ihnen Hoffnung machen, so gut es geht, selbst wenn nichts die menschliche Nähe ersetzen. Aber vielleicht gibt es kleine Zeichen, um den Kranken zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Pflegende werden wissen, wie diese kleinen Zeichen sind und wie sie die Corona-Kranken erreichen.

Die Welt ist mit einem Mal kein Ponyhof geworden. Auch wenn die Nachrichten aus der nicht infizierten Welt selten geworden sind, die restlichen Katastrophen haben nicht einfach Pause gemacht: In Syrien sterben weiter Menschen, im Jemen auch. Auch wenn die guten Nachrichten im Corona Fieber untergehen, sie werden durch Verschweigen nicht ausgelöst hat, und es wäre verlogen, die guten Dinge, die Liebe und die Freundlichkeiten zwischen den Menschen einfach zu unterschlagen.

Dass Gott in Christus die Welt mit sich selber versöhnt hat, ist wahr, aber nicht immer sichtbar. Noch beten wir: dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.

Manches Mal leuchtet es auf wie ein Seezeichen, vielleicht wie ein Leuchtturm, und es deutet uns, dass wir auf dem rechten Weg sind, auf dem Weg, der zur Vollendung führt, auch wenn wir jetzt unterwegs sind und noch nicht am Ziel angekommen: Wir haben hier keine bleibende Statt, aber die künftige suchen wir.

Es gibt eine gute Idee aus Berlin, dass einzelne Menschen auf ihren Balkonen Musik gemacht haben, alle dasselbe Stück oder jeder allein Wenn es gelingt, die Musizierenden im Internet miteinander zu verbinden, dann wird aus diesem anfänglichen Spiel ein musikalischer Event, an den man lange denken wird. Und vielleicht kann es darüber hinaus auch solche musikalische Darbietungen vor Pflegeheimen geben. Immer nur 2 Musikerinnen oder Musiker, mehr ist leider aufgrund der Ansteckungsgefahr noch nicht möglich.

Leben will gestaltet sein, auch und gerade das Leben unter den Bedingungen von Covid-19. Auf dieser Welt Gottes gibt es keinen Ort, der nicht im Lichte des Glaubens zu gestalten wäre.

Die Erde ist nicht beim Teufel, und: sie geht auch nicht zum Teufel. Die Erde gehört Gott, auch wenn sie Angst macht, wenn sie verseucht ist. Im Glauben werden wir sagen: das bleibt nicht immer so. Und der, der selber in der Hölle war, und der sich an dem Leid der Verseuchten zu Tode geliebt hat. In ihm sind sie aufgehoben: die Infizierten, die Leidenden und Sterbenden und schlussendlich auch die Toten. „Ich kann niemals tiefer fallen als in die Hand Gottes“ sagte die ehemalige Bischöfin Margot Käßmann. Das ist keine Antwort, auf die vielen Fragen, die sich im Zusammenhang mit Leid, Tod und Krankheit stellen. Aber es ist eine Antwort, mit der ich leben kann und leben will. Es erinnert mich sehr und noch einmal an die Frage 1 aus dem Heidelberger Katechismus: Es ist mein einziger Trost im Leben und im Sterben, dass ich im Leben und im Sterben meinem treuen Herrn Jesus Christus gehöre.

So gesehen ist der Karfreitag auch ein Datum meiner persönlichen Lebens- und Glaubensgeschichte. Pauls legt wert darauf, dass er sagt: Die Botschaft vom Sieg Gottes über Hölle Tod und Teufel kann nicht für sich bleiben. Die Botschaft muss laut werden, und die Menschen müssen es hören. Das ist keine Privatsache der Christen, die sie in ihre Bekenntnisse und dogmatischen Lehrbüchern. Es betrifft alle: Keiner soll zum Teufel gehen oder zur Hölle fahren. Gott macht Hoffnung – auch durch die Infektion hindurch. Das gilt für alle und alle sollen es hören. Viele werden das nicht glauben. Sie werden es für irrelevant halten, für nichts, was mit ihnen und dem Glauben zu tun hätte. Die Unkenntnis und der Unwillen kann uns nicht dazu bringen, dass wir dem Glauben den Abschied geben und uns gedankenlos und hoffnungslos unserer Umgebung angleichen, mit den Wölfen heulen. Wir haben die Botschaft von der Liebe und der Freundlichkeit Gottes, die nicht verstummen darf. Es bleibt die Aufgabe an die Christen, im Lichte des Gekreuzigten zu leben und diese Liebe, die keine Grenzen kennt weiterzugeben: mit Worten, wo es geht und mit Taten, die sich selbst einen Raum der Liebe schafft.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. Amen

Predigtlied: EG 89, 1-4

1. Herr Jesu, deine Angst und Pein und dein betrübtes Leiden lass mir vor Augen allzeit sein, die Sünde zu vermeiden. Lass mich an deine große Not und deinen herben, bittern Tod, solang ich lebe, denken.

2. Die Wunden alle, die du hast, hab ich dir helfen schlagen, auch meine große Sündenlast dir aufgelegt zu tragen. Ach liebster Heiland, schone mein, lass diese Schuld vergessen sein, lass Gnad vor Recht ergehen.

3. Du hast verlassen deinen Thron, bist in das Elend gangen, ertrugest Schläge, Spott und Hohn, musstest am Kreuze hangen, auf dass du für uns schafftest Rat und unsre schwere Missetat bei Gott versöhnen möchtest.

4. Drum will ich jetzt in Dankbarkeit von Herzen dir lobsingen, und wenn du zu der Seligkeit mich wirst hinkünftig bringen, so will ich daselbst noch viel mehr zusamt dem ganzen Himmelsheer dich ewig dafür loben.

Fürbitten

Herr, unser Gott,
wir klagen über das Leid in der Welt.
Wir fragen: Warum müssen so viele Menschen sinnlos leiden? Wir suchen nach Antworten, wir fragen dich.
Gott, wir klagen über die Kriege auf der Erde.
Wir denken an die vielen Menschen, die getötet werden.
Wir denken an die Frauen und Mädchen, die vergewaltigt werden. Wir denken an die Kinder, die ihre Eltern verlieren.
Wir bringen unsere Klagen vor dich,
wir wollen, dass du sie hörst.

Gott, wir klagen über Hasskampagnen und Folterungen. Wir verstehen nicht, wie ein Mensch den anderen absichtlich quälen kann.

Wir klagen dir die Willkür, mit der Menschen gefangen genommen werden, und die Selbstgerechtigkeit, aus der Todesurteile gefällt werden.

Wir klagen über die Infektion, die sich über die ganze Welt ausgebreitet hat,

wir klagen dir das Leid derer, die unbegleitet sterben müssen. Für die, die vor Angst erstarren, weil sie nicht wissen, was sie tun können, um die Lage erträglicher zu machen für Infizierte und Nicht- Infizierte

Gott, wir klagen über das, worunter wir selbst leiden. Wir klagen über den Schmerz in uns.
Oft fehlen uns die Worte für unsere Enttäuschungen und unsere Trauer.
Gott, du kannst uns die Kraft schenken,
Schmerzen zu ertragen, Fragen und Zweifel auszuhalten. Du kannst uns Mut schenken,
vor dem Leid nicht zu fliehen.
Du kannst uns Hoffnung schenken,
in der wir – trotz allem – unser Leben gerne leben.
Wir brauchen viel mehr Kraft, Mut und Hoffnung.
Wir fordern sie von dir.
Wir wollen nicht von dir verlassen sein, wir suchen deine Nähe.

Mit Jesu Worten rufen wir dich an:

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.

Schlusslied: EG 85,6

Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt Du dann herfür;
wenn mir, am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
Kraft Deiner Angst und Pein.

Segen

Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. 4.Mose 6, 24-26


Martin Filitz