'Dieses Engagement brauchen wir mehr denn je'

Baden gedenkt der vor 80 Jahren durch die Nazis verschleppten Jüdinnen und Juden

© Wikipedia/Jean Michel Etchecolonea

Am 22. Oktober 2020 jährt sich zum 80. Mal die Deportation nahezu der gesamten badischen jüdischen Bevölkerung ins französische Internierungslager Gurs. Über 6.500 Männer, Frauen und Kinder wurden vom 22. auf den 23. Oktober 1940 von den Nationalsozialisten verschleppt; die meisten von ihnen kamen in Gurs und seinen Nebenlagern und später im Vernichtungslager Auschwitz ums Leben.

Anlässlich des Jahrestags findet am Sonntag, 18. Oktober ab 14 Uhr am Gurs-Mahnmal in der Jugendbildungsstätte Neckarzimmern, Steige 59, die zentrale offizielle Gedenkfeier statt –verantwortet durch die badische Landeskirche in Kooperation mit der Erzdiözese Freiburg und dem Förderverein Mahnmal Neckarzimmern. An der Gedenkfeier werden u.a. Landtagspräsidentin Muhterem Aras, der Landesrabbiner von Baden Moshe Flomenmann, Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh und Weihbischof Peter Birkhofer teilnehmen.

„Vor 80 Jahren geschah das Unvorstellbare, Millionen Menschen wurden in der Schoa ermordet. Die allgemein anerkannte Reaktion war: Das darf nie wieder geschehen. Heute müssen wir feststellen, die damalige Gewissheit trägt nicht mehr“, so Moshe Flomenmann. Für eine wachsende Minderheit in unserer Gesellschaft seien antisemitische Äußerungen und Taten wieder denkbar, und immer mehr Menschen handelten auch danach. „Dem müssen wir entschlossen entgegentreten. Die freiheitliche, demokratische Gesellschaft kann Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit nicht dulden und akzeptieren. Im Gegenteil: Sie muss sie aktiv bekämpfen und zurückdrängen“, bekräftigt der Landesrabbiner.

Wie in jedem Jahr werden im Rahmen der Feier auch neu zum Mahnmal hinzugekommene Gedenksteine eingeweiht. „Es ist ein sehr ermutigendes Zeichen, dass es Jugendliche sind, die das Mahnmal in Neckarzimmern und an den Orten der Deportationen durch Steinskulpturen gestalten“, so Muhterem Aras. Junge Menschen nutzten die Erinnerung an die Deportation badischer Juden, um ein sichtbares Zeichen gegen Ausgrenzung und Hass zu setzen. Diese Form von Gedenkkultur setze die Geschichte in Bezug zum Hier und Jetzt: „Und dieses Engagement brauchen wir mehr denn je.“
 
Weihbischof Dr. Peter Birkhofer lobt die Aktion: „Wenn Jugendliche sehen: Jede und jeder Deportierte war ein Mensch, der Hoffnungen, Träume, Wünsche hatte, dann können wir die Bestialität dieser Vorgänge so verständlich machen, dass die Vergegenwärtigung zur Verinnerlichung und zu einer proaktiven Haltung führt.“ Ziel sei es, gemeinsam zu erklären: „Wir stehen ein für ein Miteinander der Anerkennung, die jede Einzelne und jeden Einzelnen als das sieht, was uns alle verbindet: Person, Subjekt, Handelnde zu sein, mit dem Wunsch und Willen zu träumen, zu leben, zu gestalten, zu lieben, geliebt zu werden.“ Neben Weihbischof Birkhofer sind vom Erzbistum Freiburg auch Michael Miltenberger, Leiter des Jugendpastoralen Teams Odenwald-Tauber und Vertretung des Arbeitsbereichs christlich-jüdische Gedenkarbeit in der Jugendpastoral, und Dr. Fabian Freiseis, der für den jüdisch-christlichen Dialog und den Einsatz gegen Antisemitismus in der Erzdiözese verantwortlich ist, bei der Gedenkfeier dabei.

Am eigentlichen Jahrestag der Deportation, Donnerstag, 22. Oktober, sind landesweit Gedenkfeiern und Läuten der Totenglocken in den Deportationsorten geplant. „Wir sind damals als Kirche schuldig geworden, denn nur sehr wenige von uns wie etwa der Heidelberger Pfarrer Hermann Maas haben widerstanden“, mahnt Landesbischof Jochen-Cornelius Bundschuh. Nur durch das Gedenken werde Umkehr möglich. Deshalb seien auch die Mahnmale in Neckarzimmern und ihre Kopien in den vielen badischen Orten so wichtig, aus denen jüdische Mitmenschen deportiert wurden: „Sie mahnen uns: Widersteht dem Bösen! Wehrt euch, wenn Menschen sortiert werden, wenn Antisemitismus und Rassismus wieder um sich greifen! Die Würde des Menschen ist eine Gabe Gottes; niemand hat das Recht, sie anderen streitig zu machen. Wir gehören zusammen und wir stehen zusammen gegen alle menschenverachtenden Kräfte!“


Quelle: EKiBa