Sorge um zwei Lager für besonders gefährdete Geflüchtete auf Lesbos

Vier evangelische Landeskirchen wenden sich an griechische Minister

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Angesichts des nahenden Winters steigt die Sorge um das Schicksal der Geflüchteten in zwei Lagern auf der griechischen Insel Lesbos, die nach dem Willen der griechischen Regierung geschlossen werden sollen.

In einem Brief an die zuständigen Minister in Athen weisen leitende Geistliche von vier evangelischen Kirchen im westdeutschen Raum auf den dringenden humanitären Bedarf dieser beiden Lager hin. Die Camps Kara Tepe und Pikpa sind die einzigen Orte auf der Insel, in denen besonders gefährdete Menschen Unterkunft finden. Deshalb schreiben die vier leitenden Geistlichen: „Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass Zentren, die als Anlaufstellen für schutzbedürftige Menschen dienten, womöglich geschlossen werden.“ Ausdrücklich würdigen sie: „Die Leistungen, die dort erbracht werden, sind von enormer Bedeutung für schutzbedürftige Menschen.“

Weiter heißt es in dem Brief: „Heute appellieren wir als führende Kirchenvertreter an Sie, Ihre Entscheidung zu überdenken und die Flüchtlingszentren Pikpa und Kara Tepe offen zu halten. Solche Anlaufstellen für schutzbedürftige Menschen braucht es in jedem Asyl- und Migrationssystem. Sie stehen für praktizierte Nächstenliebe und Menschenwürde und in unseren Augen für den fundamentalen christlichen Auftrag, die Schwachen und Bedürftigen zu schützen.“ Der Brief trägt die Unterschrift von Prof. Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. h. c. Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Dr. Dr. h. c. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, und Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der Brief wurde Anfang der Woche an Notis Mytarakis, Minister für Zuwanderung und Asyl, sowie Yiannis Vroutsis, Minister für Arbeit und Soziales, sowie in Kopie an den deutschen Innenminister Horst Seehofer geschickt.

Die beiden Lager Kara Tepe und Pikpa sind eher klein. Kara Tepe wird von der Insel-Kommune Mytilini betrieben. Es soll Ende des Jahres geschlossen werden. Pikpa wurde 2012 von engagierten Inselbewohnerinnen und -bewohnern aufgebaut. Heute wird es von dem daraus entstandenen Netzwerk Lesvos Solidarity getragen und international unterstützt, auch von evangelischen Kirchen in Deutschland. Es ist für bis zu 120 Personen ausgelegt, nahm in besonderen Notzeiten aber deutlich mehr Menschen auf. Dort finden die am meisten gefährdeten Flüchtlinge Zuflucht: Menschen, die unter schweren Krankheiten leiden, Opfer von Folter und Gewalt, kinderreiche Familien, schwangere Frauen, Neugeborene, LGBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intersexuelle), alleinstehende Frauen und Männer und Menschen, die selbst einen Schiffbruch erlebt und geliebte Menschen auf See verloren haben. Bis heute wurden circa 30.000 Betroffene von den meist ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in Pikpa betreut. Für ihre herausragende Arbeit wurde Lesvos Solidarity im Jahr 2016 mit dem renommierten Nansen-Refugee-Award des Flüchtlingskommissariats UNHCR der Vereinten Nationen ausgezeichnet. Die vier Geistlichen bezeichnen die beiden Camps als Orte, an denen „Menschen Würde, Liebe, Sicherheit und Respekt finden können. Dies sind Werte, die wir als christliche Kirchen mit dem Auftrag der Nächstenliebe verbinden.“

Lesvos Solidarity hat gegen die Schließung Einspruch eingelegt und verhandelt mit den Behörden. International gibt es Proteste, Petitionen und Solidaritätsbekundungen. Dem schließen sich die vier leitenden Geistlichen mit ihrem Brief an. Nach ihrer Einschätzung sollten die meisten Flüchtlinge und Migranten auf das griechische Festland gebracht werden. Von dort müssten sie in größerer Zahl in andere EU-Mitgliedstaaten weiterverteilt werden. Eine solche Evakuierung sei dringend, denn der Winter stehe bevor. In ihrem Brief zeigen die leitenden Geistlichen Verständnis für die schwierige Lage Griechenlands: „Wir versichern Ihnen, dass wir uns auch weiterhin für eine europäische Lösung zum Schutz von Flüchtlingen einsetzen werden.“


Quelle: EKiR