Leben unterm Bogen des Bundes

Bibelarbeit zu 1. Mose 9,8-17

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Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München, 12. bis 16. Mai 2010

Musik zur Eröffnung:

Händel, Festmarsch

Lied: An jedem neuen Morgen (Liederheft 125)

I.

Liebe Schwestern und Brüder,

der Bibelarbeit heute Morgen (13. Mai 2010) liegt das Ende der Sintflutgeschichte zu Grunde. Und sollte ich ihr eine Überschrift geben, fiel mir keine bessere ein, als das Motto unseres Kirchentages: „Damit Ihr Hoffnung habt.“ Denn der Verfasser unseres Abschnitts wendet sich an erschrockene, orientierungslos gewordene Zeitgenossen, die er aufrichten, denen er neuen Halt und Perspektive geben will.

Er erzählt seine Geschichte dem ins babylonische Exil geführten Rest des Volkes Israel. Opfer der damaligen Weltmacht Babylon. Tatsächlich wie eine nicht enden wollende Flut war dieses global sich ausbreitende Imperium über sie weggerauscht. Die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen – alles ist platt gemacht. Die Überlebenden finden sich in der Fremde wieder. „An den Wassern von Babylon saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten“ – hat einer gedichtet. Und so können sie sich in der Sintflutgeschichte wiederfinden; können sich identifizieren mit denen, die der Katastrophe jener urzeitlichen Flut noch einmal entronnen sind. Mit Noah und seinen Leuten. Mit dem Leben davon gekommen sind sie. Aber auch sie wurden irgendwo angeschwemmt und müssen noch einmal ganz von vorn beginnen.

Menschen, die durch Katastrophen hindurch mussten, Überlebende, bleiben gezeichnete Wesen. Insofern müssen wir eine biblische Notiz ganz ernst nehmen, die gleichsam als Nachtrag unmittelbar auf unseren Abschnitt folgt. Da wird uns nämlich mitgeteilt, dass Noah, nachdem er sich erfolgreich eine neue Existenz aufgebaut hat, also scheinbar alles wieder im Lot ist, dass dieser Noah sich sinnlos besäuft und damit Verwicklungen und Unheil über seine Familie bringt, die noch über Generationen nachwirken werden. Die Bibel weiß: Eine Katastrophe zu überleben ist nie nur „happy end“ sondern ebenso „heavy burden“.

Es mag sein, dass sich ein paar unter uns von diesen wenigen Andeutungen zu den Überlebenden unmittelbar angesprochen, gleichsam mit gemeint fühlen. Aber es wird wohl niemanden geben, bei dem das in der Sintflutgeschichte erzählte nicht eigene Assoziationen freisetzt und damit die Frage wachruft, was uns Hoffnung gibt. Erzählt wird ja von einer ökologischen Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Da steht uns Heutigen die Bedrohtheit unserer Erde als bewohnbarer Lebensraum viel drängender vor Augen als noch den Generationen vor uns.

Ich nenne zweitens die biblischen Hinweise auf den inneren Zustand der Welt namentlich ihrer menschlichen Bewohner der im unlösbaren Zusammenhang mit der ökologischen Katastrophe gesehen wird. Wir erfahren nämlich (vor der Flutgeschichte), dass schon bevor die Natur aus den Fugen gerät die Welt stöhnt unter der zunehmenden Bosheit der Menschen. Von Frevel und Gewalttat ist die Rede – sehr allgemeine Formulierungen, die aber sofort anschaulich werden, wenn wir uns an die Geschichte vom Brudermord erinnern. Offensichtlich ist die grundsätzliche Einsicht vom Wert und der Würde der Geschöpfe abhanden gekommen, ich könnte auch sagen: die Gottesfurcht und damit einhergehend die Ehrfurcht vor dem Leben.

Und so werden die Bewohner der Erde, die Menschen untereinander aber auch Mensch und Tier zu unerbittlichen Feinden: Nicht nach ihrer Würde sondern nach ihrem Nutzwert taxieren Menschen ihre Mitgeschöpfe, Gier gebiert zügellose Gewalt – eine nicht enden wollende Spirale. Und das besonders Deprimierende: Die große Flut hat nicht wie ein reinigendes Gewitter gewirkt, an dessen Ende die übrig Gebliebenen geläutert, gleichsam zu Besserem erzogen neu anfangen könnten. Bedrückend realistisch ist die göttliche Diagnose, die nach der Flut mit den gleichen Worten wie zuvor feststellen muss: „Das Dichten und Trachten des Menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“

Diese biblische Nüchternheit ist in ihrem Realitätssinn allerdings schon in sich hilfreich. Denn sie schützt gerade solche, die durch Katastrophen hindurch mussten, vor überspannten Erwartungen. Ich denke etwa an Stimmen, die Israels Härte gegenüber den Palästinensern mit dem Vorwurf kommentieren: „Gerade von denen, die selbst den Holocaust hinter sich haben, wäre doch anderes zu erwarten!“ Das mag plausibel klingen, ist aber im Grunde infam: Denn damit werden Exzesse von Unrecht und Gewalt unter der Hand in Schulen der Menschlichkeit umgedeutet und die Opfer durch überhöhte Ansprüche einmal mehr demontiert.

Schließlich: Wenn die Verhältnisse so sind, wie sie die Bibel realistisch beschreibt, was nutzt da der Glaube. Wo ist Gott in all den Katastrophen der Geschichte? Lässt er einfach alles laufen – hat sich also letztlich abgemeldet? Wenn von ihm nichts mehr zu erwarten wäre, blieben im Grunde nur zwei Auswege, die aber beide in neue Sackgassen führten: Die Flucht vor der Realität; in der Notiz über Noahs Trunkenheit wurde davon etwas anschaulich. Und eine scharfsichtige Gesellschaftsanalyse spricht von unserer Gegenwart als vom Zeitalter der Sucht. Oder, statt Flucht, das Arrangement mit der Realität: Wenn sich am Ende doch alles um Fressen und Gefressen-Werden dreht, dann mache ich mit solange es gut geht, versuche mir meinen Teil vom Kuchen zu sichern: Nach mir die Sintflut…

Gegen solch trübe Aussichten setzt unser Abschnitt die Botschaft von einer großen Hoffnung, die nicht wieder aus der Welt zu schaffen ist. Die vielmehr neuen Halt und neue Perspektive zu geben vermag.

MUSIK:  Mendelssohn, Andante

Musik zwischen den Lesungsteilen: Wer nur den lieben Gott… (Liederheft17)

Ich lese 1. Mose 9, 8-17 nach der Einheitsübersetzung

8 Dann sprach Gott zu Noach und seinen Söhnen, die bei ihm waren:
9 Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen
10 und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind.
11 Ich habe meinen Bund mit euch geschlossen: Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben.
12 Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen:
13 Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.
14 Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken,
15 dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewesen, allen Wesen aus Fleisch, und das Wasser wird nie wieder zur Flut werden, die alle Wesen aus Fleisch vernichtet.
16 Steht der Bogen in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, allen Wesen aus Fleisch auf der Erde.
17 Und Gott sprach zu Noach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich zwischen mir und allen Wesen aus Fleisch auf der Erde geschlossen habe.

II.

Haben Sie es gemerkt? Es ist mit diesen Worten so, wie wenn der zuvor in sich gekehrte Blick eines Niedergeschlagenen sich hebt und etwas gewahr wird, was ihn gleichsam mit sich nach vorn zieht, weg von den eigenen trüben Aussichten. Denn wenn Menschen verzagt sind, an den Verhältnissen zu zerbrechen drohen, und erst Recht, wenn sie an den Punkt gekommen sind, sich selbst nicht mehr über den Weg zu trauen, dann brauchen sie einen Außenimpuls. Etwas, besser jemanden, der sie von sich und dem worum die Gedanken kreisen wegholt, die Situation in ein neues Licht rückt. Darum ist es ganz wichtig, dass Noah und mit ihm all die anderen, denen ihr Leben und ihre Welt fraglich geworden ist jetzt erst einmal gar nichts weiter tun müssen, als nur zuhören und zulassen, dass sie etwas neues erfahren.

Und Gott sprach zu Noah. Im Grunde liegt in dieser Einleitung schon die ganze Botschaft beschlossen: Noah, Ich hab dich nicht vergessen. Ich weiß, was hinter dir liegt und was du vor dir hast. Und darum komme ich neu auf dich zu, um Dir Halt und Hoffnung zu geben.

Gott sprach zu Noah - so entscheidend ist dieser Neueinsatz, dass er gleichsam eingehämmert wird, indem jeder Abschnitt auf die gleiche Weise eingeleitet wird: Dann sprach Gott zu Noah… - Und Gott sprach… - Und Gott sprach zu Noah. Was hier den Text gliedert zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze heilige Schrift. Der Apostel Paulus bringts auf den Punkt: Gottvertrauen erwächst aus neuem Hören (Röm. 10,4). Darum musst Du im Grunde gar nichts Großes tun. Nur eben hinhören. Denn im Hinhören wirst du dessen gewahr, dass du keinem stummen Götzen ausgeliefert bist. Im Hören kommst Du in Kontakt mit dem lebendigen Gott, der Dir zu Herzen redet und Dir die Augen öffnet für ungeahnte Perspektiven.

Der Inhalt der Gottesrede ist das Geschenk des Bundes und das Zeichen des Bogens.

III.

Siehe ich richte mit Euch einen Bund auf. Bund bedeutet: Ich, Gott stelle unser Verhältnis noch einmal auf einen neue unverbrüchliche Basis. Unverbrüchlich? Hier könnte uns die Vorstellung vom Bund auf Abwege führen, verstehen wir darunter normaler Weise doch eine Verpflichtung auf Gegenseitigkeit, deren Sinn gerade darin besteht, dass jede Seite für ihren Teil die Verantwortung übernimmt und nur die Verlässlichkeit aller gewährleistet den Bestand des Bundes. Aber könnten wir für unseren Part garantieren?

Ganz anders hier: Der dem Noah zusagte Bund ist eine ganz und gar einseitige Selbstverpflichtung Gottes. Er ist an keine Bedingung geknüpft. Nichts aber auch gar nichts muss die andere Seite tun, um den Bestand des Bundes ihrerseits zu sichern. Noah wird nicht einmal gefragt, ob er denn auch bereit sei, die göttliche Zusage anzunehmen. Dieser Bund gilt. Viel sicherer als das Amen in der Kirche. Er hat bestand, so gewiss den Menschen je und je der Bogen leuchten wird, von dem nachher zu reden ist.

Die völlige Bedingungslosigkeit des göttlichen Bundes wird nicht zuletzt an seiner atemberaubenden Reichweite deutlich. Denn er gilt ja nicht nur der jetzt konkret angesprochenen Noahsippe, sondern all deren Nachkommen also der gesamten Menschheit, die noch werden soll. Er ist, wie in V. 16 ausdrücklich betont wird: ein ewiger Bund. Und ein denkbar universaler dazu, umschließt er doch auch all die anderen Lebewesen: die Vögel, das Vieh und alle Tieren des Feldes, alle Tieren der Erde, die mit euch in der Arche gewesen sind.

Ihnen allen gilt das unverbrüchliche Friedensversprechen Gottes. Gott sagt: „Nie wieder!“ Nie wieder soll alles Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben. „Nie wieder“! Positiv ausgedrückt: Gott steht für den Bestand seiner Schöpfung ein. Seine Gnade wird immer größer sein als sein Gericht. Unverbrüchlich wird Gott die Treue halten.

Liebe Schwestern und Brüder, es ist wichtig, dass wir genau im Ohr behalten, was Gott zugesagt hat und was nicht: Nicht versprochen ist, dass ab jetzt auf der Erde ungetrübter Friede anbricht. Gott selbst hatte ja festgestellt, dass auch nach der Flut das menschliche Herz böse und das menschliche Streben maßlos ist. Und so werden Menschen weiterhin Unheil über sich und ihre Mitwelt bringen, wird das Seufzen der Kreatur, das Paulus so eindringlich beschreibt, nicht aufhören. Und auch dies wird es weiter geben, dass je und dann die Natur sich gegen uns richtet. Oft, weil wir selbst es verschulden, dann auch wieder aus Gründen, die für uns im Dunkel liegen. Wir bleiben weiterhin gefährdete Wesen und unsere Welt ist bis zum jüngsten Tag dem Schmerz der Vergänglichkeit ausgesetzt. Und noch einmal: Gottes Bund besagt nicht, damit wäre jetzt Schluss. Aber gerade weil wir dem vielen Furchtbaren ausgesetzt bleiben und selbst viel Fürchterliches anrichten ist die Botschaft des Bundes so wichtig. Gott hält uns die Treue. Er bleibt verlässlich an unserer Seite, gerade dann, wenn wir nicht ein noch aus wissen, wenn die Hoffnung zu zerbrechen droht: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir (Psalm 23).

Ein Kollege flog unmittelbar nach dem Tsunami im Dezember 2004 nach Sri Lanka, um in einer besonders schlimm betroffenen Region die Partnerkirche zu besuchen und die ökumenischen Hilfsleistungen zu koordinieren. Was ihn am meisten verwunderte war, wie die Christen, gerade auch solche, die in der eigenen Familie Opfer zu beklagen hatten, davon erzählten, wie sie in ihrem Glauben Trost finden. Sie stellten gerade nicht die Frage, die mein Kollege erwartet hatte: Wie kann Gott das zulassen? Oder: Warum hat er uns das angetan? Sondern im Gegenteil: Angesichts des Nicht-Erträglichen suchten sie bei dem Zuflucht, der der Welt und seinen Menschenkindern Halt versprochen hat. Ihn baten sie um Kraft zum Weiterleben und zum Neuanfang. Und ihm, der einen ewigen Bund geschlossen hat, vertrauten sie ihre Toten an.

Siehe ich richte mit euch einen Bund auf – an diese Worte klammern sich Menschen gerade in Zeiten der Gefahr. Und damit wir Halt da suchen, wo er zu finden ist, wird die Bibel nicht müde, uns die Zusage Gottes immer neu in Erinnerung zu rufen. Es ist sicher kein Zufall, dass allein in unserem kurzen Abschnitt der von Gott versprochene Bund sieben Mal ausdrücklich genannt  wird. Sieben Mal, das könnte einen auf die gute Idee kommen lassen, sich einmal pro Tag an dieses Versprechen Gottes zu erinnern. Zumindest jeder Sonntagsgottesdienst dient der Erinnerung an Gottes tröstlichen Beistand. Im Reformierten Gottesdienst lautet das Eingangswort: Unser Anfang und unsere Hilfe stehen im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Der Bund und Treue hält ewiglich und der nicht preisgibt das Werk seiner Hände.

Lied: Du bist da… (Liederheft 65)

IV.

Aber so verlässlich Gottes Wort ist, weil es sagt, was es tut und weil es tut, was es sagt, so tröstlich ist es doch, dass Gott es nicht beim Reden belässt. Er bekräftigt sein Wort in einem sichtbaren Zeichen:

Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen: Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde…

Wir denken natürlich sofort an den Regenbogen. Nur ist der leider inzwischen zu einem Allerweltssymbol geworden ist – und hat viel von seiner Aussagekraft eingebüßt. Darum mag zunächst die Beobachtung hilfreich sein, dass der Regenbogen im Text ausdrücklich gar nicht genannt wird. „Meinen Bogen“ setze ich in die Wolken – hieß es. Das dies nicht zwangsläufig an den Regenbogen denken lässt, wird im Hebräischen deutlicher, denn dort heißt es qäschät, was ursprünglich den Kriegsbogen bezeichnet. Und so ist in der Forschung viel darüber gerätselt worden, worauf die Formulierung „mein Bogen“ eigentlich anspielt.

Eine Deutung lautet so: Hier wird ein sehr altertümliches Bild benutzt. Der Himmelsbogen ist ursprünglich Werkzeug des pfeilschießenden Gottes, also Symbol seines auf die Menschen gerichteten Zornes. Wenn Gott nun verspricht, diesen Bogen in die Wolken zu hängen, also abzulegen, dann will er damit bekräftigen, dass sein Zorn ein Ende hat und er die Welt nicht noch einmal mit einer alles vernichtenden Katastrophe heimsuchen wird.

Eine zweite Deutung setzt auch beim Kriegsbogen an, aber anders. Im geistigen Umfeld des alten Israel kann Gott mit einem mächtigen Krigsbogen in der Hand dargestellt werden als Zeichen göttlicher Königsmacht. Uns sind Bilder überliefert, die darstellen, wie die Gottheit ihren Bogen gegen die die Menschen bedrohenden Chaos- und Flutmächte richtet um sie vor ihnen zu schützen. Diese Vorstellung sieht man in unserem Text aufgegriffen. Es würde dann nicht Gottes Ablassen von seinem Zorn symbolisiert, sondern das sehr aktive Wahrnehmen seiner Königsherrschaft: Machtvoll (dafür steht sein Bogen) stellt Gott sich den Kräften und Mächten in den Weg, die seine Schöpfung bedrohen.

Einer dritten Deutung scheinen die beiden Erstgenannten trotz der hebräischen Vokabel für Kriegsbogen zu weit hergeholt. Sie erinnern an den Zusammenhang und meinen, dass, obwohl nicht ausdrücklich gesagt, Gott auf den Regenbogen anspielt als Symbol dafür, dass durch das bedrohliche Dunkel der sich auftürmenden Wolken hindurch das Licht seiner Gnade aufleuchtet.

Bevor ich zu diesen Deutungsmöglichkeiten Stellung nehme, hören wir jetzt Musik und ich bitte Euch, die unterschiedlichen Bilder wirken zu lassen. Was lösen sie in Euch aus? Was bringt welches Bild zur Geltung?

MUSIK zu den drei Deutungen

Der beiseite gelegte Bogen des Zorns – Amazing Grace

Der Bogen der Königsherrschaft Gottes - Fanfaren

Der Regenbogen – Somewhere over the rainbow

Ihr habt wahrscheinlich gemerkt: Jede Deutung hat etwas Wichtiges zu sagen. Ich möchte meine Überlegungen dazu legen.

Die erste Deutung, der an die Seite gelegte Kriegsbogen: Sie lässt offenkundig werden, dass unser Bundesgott ein Gott der Liebe ist, nicht des Zorns. Jedenfalls hat er den Zorn hinter sich gelassen. Fortan ist er verlässliche Zuflucht vor allem, was Menschen Furcht und Schrecken einjagen will. Ein wichtiger Aspekt unseres Glaubens – so wichtig, dass ihn die Bibel wieder und wieder in Erinnerung ruft. Einhundert mal findet sich der Satz, mit dem auch die Engelsbotschaft zur Weihnacht beginnt: Fürchtet euch nicht; bzw.: Fürchte dich nicht. Allerdings, wenn man diese Deutung verabsolutiert , könnte sie auch auf Abwege führen. So ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass diese Deutung im Zeitalter der ökologischen Lebensgefahr zu falscher Sicherheit verführen kann. Wir hören aus dem fundamentalistischen Lager bisweilen folgende Töne: Von wegen ökologische Krise! Was sollen wir uns von den ewig Kritisierenden nervös machen lassen?! Der liebe Gott selbst wird für den Bestand seiner Schöpfung sorgen. Hat er doch versprochen – und da sollen wir uns verunsichern lassen?

Da bietet die zweite Deutung ein heilsames Gegengewicht. Das Zeichen des Bundes ist der Bogen, der Gottes Herrschaft und damit seinen Kampf gegen die Mächte des Bösen symbolisiert. Hier findet sich nichts mehr von einer gefährlichen Verharmlosung Gottes, der im schlimmsten Fall dazu missbraucht werden kann, gutmütiger Garant dessen zu sein, was der Fall ist. Hier bleibt festgehalten, dass der liebende Gott zugleich der gerechte ist. Der sich dem Bösen und allem Unrecht entgegenstellt. Der machtvoll eingreift und die Welt auch durch gerechte Gerichte rettet. Der Gott also, der sich einmischt in unsere Kämpfe.

Und der Partei ergreift. Unter dem Zeichen dieses Bogens ist seine Bundestreue immer wieder eine höchst aktive Angelegenheit. Die ausbeuterischen Ägypter hätten gut daran getan, sein Eingreifen zu fürchten und die in die Freiheit fliehenden Sklaven taten gut daran, auf ihn zu vertrauen. Dieser zum Schutz seiner Schöpfung aktive Gott ist der Trost aller Bedrückten und Unrecht leidenden. In aktueller Zuspitzung: Nur ein parteilicher Gott, nur eine Kirche die in seiner Nachfolge steht, kann den Opfern von Missbrauch eine Zuflucht sein. Viel zu lange wurden die an ihnen begangenen Verbrechen mit dem „Mantel der Liebe“ zugedeckt, der den Tätern Schutz bot und nicht den Opfern. Vergebung wurde gepredigt wo zuallererst für Recht gesorgt werden musste. Nebel wurde verbreitet statt Klarheit geschaffen. Deshalb flehen in den Psalmen die Geschundenen: Du Gott des Rechts, erscheine!

Was in diesem sehr kraftvollen Bild allerdings nicht recht deutlich wird, ist die Tatsache, dass Gotte (siehe erste Deutung) mit der Macht seiner Liebe eingreift. Also so richtet und rettet, dass er sich dabei selbst verletzlich macht. Deshalb ist seine vornehmliche „Waffe“ sein mahnendes, werbendes und zurechtweisendes Wort. Und deshalb wird Jesus den Sieg über Sünde und Tod nicht mit dem Schwert sondern am Kreuz erringen.

Beide sich einander ergänzenden und gegenseitig korrigierenden Deutungen haben noch eine Dimension, auf die ausdrücklich hingewiesen werden muss: Gott setzt seinen Bogen. – wozu eigentlich? Wem dient diese Handlung: Die überraschende Antwort des Textes: Sie dient Gott selbst. Zur eigenen Erinnerung richtet er dieses Zeichen auf: Erscheint der Bogen, so gedenke ich des Bundes, sagt Gott. Steht er in den Wolken, so werde ich auf ihn sehen und des ewigen Bundes gedenken. Es sind also Zeiten zu erwarten, da muss Gott sich selbst an seinen Bund erinnern.

Wird hier nicht allzu menschlich von Gott geredet. Wie passt es mit der Vorstellung vom „Allmächtigen, dem Schöpfer Himmels und der Erden“ zusammen, dass dieser sich gleichsam einen Knoten ins Taschentuch machen muss, um sich an das zu erinnern, was er einmal zugesagt hat. Aber Vorsicht! Erinnert werden muss man nicht nur auf Grund von Vergesslichkeit. Erinnert werden muss man auch, wenn die augenblickliche Situation dem einmal gegebenen Versprechen allzu sehr widerspricht. Es geht dann nicht darum, dass man etwas vergisst, sondern dass man sich vergisst. So führt uns diese Aussage in das Geheimnis der Lebendigkeit Gottes. Der Bundesgott ist nicht immer einfach nur „da“ – unbewegt von dem, was auf Erden geschieht. Er nimmt es wahr. Er nimmt Anteil. Und gerade weil er als Liebender Anteil nimmt, wird er nie frei sein von Gefühlen und Regungen ohne die lebendige Liebe gar nicht zu denken ist.

Und so erzählt uns die Bibel, von Gottes Zorn über die Torheit seiner Menschenkinder, von seiner Enttäuschung über ihre Untreue, von inneren Anwandlungen, in seiner Leidenschaft für das Recht die Liebe zurückzustellen. Dieser lebendige und nur deshalb verlässliche Gott ist mit uns im Bunde. Darum wird es ihn immer wieder viel kosten uns die Treue zu halten. Und darum schafft er sich mit seinem Bogen selbst ein Erinnerungszeichen, mit welchem er sich gleichsam zwingt, gegen allen Widerstand an seiner Liebe festzuhalten. Ungeheuerlich und tröstlich zugleich: Gott schafft sich eine Hilfe immer neu zu uns zurückzufinden. Eine andere Hilfe sind ihm unsere Gebete: Gott wartet darauf, von uns an seine Treue erinnert zu werden. Bittet, so wird euch gegeben. So sehr ist er uns zugetan, dass er sich tatsächlich von uns bewegen lässt.

Der Bogen als Erinnerungszeichen Gottes. Nur wenn wir dies in seinem ganzen Gewicht gelten lassen, gilt auch das Zweite: Der Bogen ist für uns Menschen ein Bundeszeichen. Er malt uns auf sinnfällige Weise die Zusage Gottes vor Augen: So wahr der Bogen in den Wolken erscheint, so gewiss ist auf das Versprechen unseres Gottes verlass. Es muss also nicht beim Hinhören bleiben. Angeleitet durch das Wort bekommen wir auch etwas zu sehen. Dies ist die besondere Stärke der dritten Deutung. Denn was uns Menschen anschaulich wird ist eben der Regenbogen, der sich je und dann am Himmel zeigt. Er besticht zunächst einfach durch seine wundersame Schönheit: Welches Zeichen könnte besser geeignet sein, uns als Hinweis auf die Bundestreue Gottes zu dienen. Mit einer Formulierung von B. Jakob: „Der Regenbogen ist Zeichen der Liebe und Treue Gottes… Als Widerschein der Sonne in den Regenwolken spiegelt er die Gnade nach dem Gericht, er ist der durch Wolken und Himmelstränen hindurchschimmernde Abglanz aus dem Hintergrund des göttlichen Wesens,… unter dunklen Brauen sein Gnadenblick… Der Regenbogen ist die Vollendung der Schöpfung und ihr abschließendes Sigel, der letzte zarte farbige Pinselstrich.“ (Jacob 257).

Gerade weil der Zustand unserer Welt die Güte Gottes immer wieder fraglich erscheinen lässt, brauchen wir solche sichtbaren Zeichen, die uns im Glauben bestärken. Dass Gott mit uns im Bunde bleibt – sieben Mal wird uns das im Textabschnitt zugesagt und es ist sicher nicht von ungefähr, dass sich im Regenbogen sieben Farben ausmachen lassen.

Es gehört zur Menschenfreundlichkeit unseres Gottes, dass er uns seine Güte anschaulich werden lässt. Deshalb dankt ein gläubiger Jude Gott wenn er einen Regenbogen sieht: „Gepriesen seist Du, Ewiger, unser Gott; Du regierst die Welt. Du erinnerst dich an den Bund und bleibst ihm treu. Du stehst zu deinem Wort.“ Auch im Weiteren erzählt die Bibel dass Gott Zeichen schenkt, die helfen seinem Wort zu glauben: Der brennende Busch, Wolkensäule und Feuersäule – am Ende erscheint die ganze Welt als Bilderbuch Gottes, wenn wir sie nur richtig „lesen“! Jesu Predigt ist eine solche Leseanleitung. Sehet die Lilien auf dem Felde; sehet die Vögel unter dem Himmel und lernt von ihnen: Euer Himmlischer Vater weiß was ihr braucht und: er sorgt für euch. Und dann im Blick auf den eigenen Weg nimmt Jesus das Brot und sagt: Das ist mein Leib für Euch. Und er gibt den Kelch: Dies ist der neue Bund in meinem Blut. Darum heißt es bei der Einladung zum Abendmahl nicht: „glaubt!“, sondern: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.“

Lied: Vertraut den neuen Wegen… (Liederbuch 157)

V.

Noch einmal zurück zum Regenbogen, dem Zeichen des ewigen Bundes. Er hilft uns, unser Leben an der Hoffnung auf Gott auszurichten. Ich will dem, was wir dazu heute und in den nächsten Tagen in den Foren erarbeiten nicht vorgreifen. Aber zwei Hinweise sollten wir mitnehmen.

1. Leben unter dem Bogen des Bundes ist ökologisch verantwortetes Leben.

Erinnern wir uns noch einmal: Gott hat seinen Bund nicht nur mit den Menschen sondern mit allem Lebendigen geschlossen. In der Sprache der Bibel mit „allem Fleisch“. Wie wichtig diese weite Perspektive ist wird wiederum an einer Zahl deutlich: 12 Mal kommt diese Formulierung in der Noahgeschichte vor – 12, die heilige Zahl der Stämme Israels, und die Zahl der Monate eines Jahres. Und in unserem Abschnitt 5 Mal, wie die Finger einer Hand, mit denen das Kind zählen lernt. Also lasst euch erinnern, buchstabiert es durch, dass Ihr nur in Gemeinschaft mit allem Lebendigen unter dem Bogen des Bundes Zukunft habt. In dem Textabschnitt vorher (9,1-7) werden Noah und seinen Nachkommen einige elementare Regeln für solches Zusammenleben gegeben. Sie halten in Erinnerung, dass vor Gott alles Leben heilig ist. Deshalb steht jedes menschliche Leben unter seinem unbedingten Schutz und deshalb hat der Mensch auf die Lebewesen, von denen er sich ernährt nur einen eng begrenzten von Ehrfurcht geprägten Zugriff.

Deshalb sage ich im Blick auf die heutige Gefährdung unserer Lebenswelt: Zweifelt nicht an Gott, sondern zweifelt an denen, die euch einreden wollen, das müsste alles so sein. Glaubt denen nicht, die die Welt zu Markte tragen und dabei in Kauf nehmen, dass Arten sterben, Grünflächen veröden und Inseln im Meer versinken. Glaubt daran, dass mit Gottes Hilfe die Welt verbesserbar ist. Und dass auch die kleinen Schritte, die uns zu tun möglich sind, wichtig und verheißungsvoll sind. Es ist also durchaus kein Missverständnis der Noahgeschichte, wenn die Umweltorganisation Greenpeace eines ihrer Schiffe „Rainbow Worrier“ (Regenbogenkämpfer) genannt hat. Auf dem Schutz des Lebens ruht Gottes Segen. Ökologisch verantwortlichem Leben ist Bestand und Nachhaltigkeit verheißen.

2. Leben unter dem Bogen des Bundes ist ökumenisches Leben.

Die Gnade Gottes ist bunt. Das wird im Regenbogen augenfällig. Er ist Widerschein der Güte Gottes. Sie bricht sich in unterschiedlichen Farben und Schattierungen. Gerade diese Vielfalt zeugt vom Reichtum seiner Güte. Ökumenisches Leben lässt sich von der Verschiedenheit und Vielfalt nicht in die Defensive treiben. Es freut sich vielmehr an der Andersartigkeit und sucht zugleich nach dem Verbindenden.

Dass den Kirchen in ihrer Vielfalt die Einheit immer schon vorgegeben ist, weil sie in Gott gründet – diese Einsicht steht am Anfang der ökumenischen Bewegung und wir wären nicht zum Ökumenischen Kirchentag versammelt, wenn wir nicht von dieser Erkenntnis geleitet wären. Aber der Bogen des Bundes, der Himmel und Erde verbindet, weitet diese Perspektive auf atemberaubende Weise. Denn die Zusage Gottes umgreift eben nicht nur sein Volk aus Juden und Christen sondern alle Menschen und Völker und damit auch deren Lebensweisen und ihre unterschiedlichen Wege, Gott zu suchen. Dies lehrt uns das Zeichen des Bundes – unbeschadet wie andere das sehen.

Damit ist nicht gesagt, dass wir im Grunde alle an den selben Herrgott glauben. Ganz im Gegenteil. Unsere Glaubensweisen sind sehr unterschiedlich und viele Glaubensinhalte und Glaubenspraktiken schließen sich gegenseitig aus. Und wir würden unsere besondere „Farbe“ geradezu verraten, wenn wir nicht immer neu nach dem Gott fragten, der sich uns in der Heiligen Schrift zeigt und den wir im Glauben bekennen. Und doch gehört zu unserem Glauben das Vertrauen darauf, dass der Gott des Bundes der Gott aller ist. Dass er also größer ist und dass seine Gnade weiter reicht als wir es wissen und verstehen.

Das bedeutet für unseren Umgang mit anderen Religionen:

  • Wir halten nichts von Abschottung und ebenso wenig von Vereinnahmung. Und überhaupt gar nichts von Verboten. Wir sind an Begegnung interessiert und suchen den ehrlichen Dialog.
  • Wir meinen nicht immer schon zu wissen, was die anderen denken sondern bleiben neugierig.
  • Und anstatt die eigenen Ressentiments zu pflegen, lassen wir den anderen die Chance, uns zu überraschen. 

Unter dem Bogen des Bundes halten wir zusammen, was zusammen gehört: die Freude an der Vielfalt, zu der die Pflege des Eigenen gehört und die Leidenschaft für eine Gemeinschaft, die der Bundestreue Gottes nicht im Wege steht. So lasst uns in diese Tage gehen: voller Achtsamkeit für die bunte Gnade Gottes, die auch in den „Anderen“ aufleuchtet!

Nun steht heute Morgen kein Regenbogen am Himmel. Darum mag am Ende ein anderes Symbol aus der Noahgeschichte uns auf solche Achtsamkeit einstimmen: Die Zahl acht.

Acht Menschen sind es, die in der Arche gerettet wurden, mit acht Menschen beginnt Gott seinen Neuanfang. Diese Zahl wird am anderen Ende der Bibel der 1. Petrusbrief aufgreifen. Er vergleicht die Sintflut mit der Taufe: So wie die acht Geretteten für Auferstehung und neues Leben stehen, so macht uns die Taufe zu erneuerten Menschen. Später hat man deshalb Taufbecken gerne achteckig gebaut, ebenso Taufkapellen. Und sollte es ein Zufall sein, dass der gekreuzigte Christus am achten (= dem ersten) Tage zu neuem Leben ersteht? Und was für das Auge der Regenbogen ist für das Ohr die: Oktave, die den selben Ton zu neuem Leben aufstehen lässt. Und so stimmen wir uns in die Achtsamkeit ein, indem wir die Oktave singen: Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn.

Musik: Vom Aufgang der Sonne…; mit 8 (!) Einsätzen


Dr. Peter Bukowski, Moderator des Reformierten Bundes, Direktor des Seminars für pastorale Aus- und Fortbildung in Wuppertal
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