... dass die Welt durch ihn gerettet werde ...

Weihnachtspredigt zu Johannes 3,16-21

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von Martin Braukmann, Oberfischbach

Joh 3,16-21

16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. 17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. 19 Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. 20 Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.

Liebe Gemeinde,

viele von euch werden wahrscheinlich in diesen Tagen entweder eigene Weihnachtspost verschickt haben, oder ihr habt sie erhalten. Welche guten Wünsche hat man euch dabei zugesprochen bzw. welche habt ihr weitergegeben? Alles Gute, Frohe Weihnachten, ein gutes Jahr 2011; Gesundheit für das neue Jahr. Vielleicht habt ihr auch Karten erhalten, wo euch Menschen Gottes Segen wünschen.

Wenn wir uns heute am Heiligen Abend hier versammelt haben, dann hat das für viele von uns wahrscheinlich auch damit zu tun, dass wir eine tiefe Sehnsucht in uns tragen, dass doch wenigstens an Weihnachten oder mit Weihnachten etwas anders wird im Leben;  in unserem kleinen persönlichen Leben, aber auch in unserem Land, unserer Welt. Ich möchte unsere millionenfach verschickten Weihnachtswünsche aufgreifen und sie mit Weihnachten in Beziehung setzen.

Ebenen haben wir die uns allen bekannte Weihnachtsbotschaft aus dem Lukasevangelium gehört. Wohl Vertrautes wurde uns wieder in Erinnerung gerufen. Maria und Josef sind auf dem Weg nach Bethlehem, wo Maria ihr erstes Kind bekommt, es in Windeln wickelt und in eine Krippe legt. Die Hirten auf dem Feld hören den himmlischen Lobgesang der Engel und machen sich auf den Weg zu dem Kind und loben Gott über dem, was sie dort gesehen und erfahren haben.

Was denn nun an Weihnachten durch die Geburt Jesu geschehen ist, hört sich in dem Predigttext des heutigen Abends viel nüchterner an. Johannes, der übrigens keine Geburtsgeschichte kennt, hält sich nicht lange bei dem holden Knaben mit lockigem Haar in der Heiligen Nacht auf, sondern er fragt nach der theologischen Konsequenz von Weihnachten.

Gott liebt die Welt

Liebe Gemeinde, wenn wir gleich nach Hause in die Heilige Nacht gehen und jeder hätte wenigstens das für sich gehört und dann auch mitgenommen, so hätte er oder sie schon viel von Weihnachten begriffen. Weihnachten will uns zu allererst die Augen dafür öffnen, dass Gott seine Welt liebt. Diese biblische Feststellung und der daraus resultierende Zuspruch treffen dich und mich, so wie wir heute Abend hierhergekommen sind.

Gibt es etwas Schöneres auf der Welt als zu wissen und zu erfahren, dass ich geliebt bin? Was etwa könnten wir unseren Kindern besseres mitgeben in ihr Leben hinein als die feste Gewissheit, dass sie geliebt sind? Das ist die Basis, auf der alles andere dann aufbauen kann. Auf diesem Fundament kann das Leben dann seine Stabilität gewinnen, die ein junges Leben doch so sehr braucht. Wenn das geklärt und klar ist, dann lassen sich auch andere Lebenserfahrungen besser tragen und ertragen. Sie bringen diese Grundlage nicht ins Wanken.

Gott liebt dich

Gott liebt dich. Nimm das mit in die Heilige Nacht, damit es deine Heilige Nacht wird! Während ich normalerweise das Kollektive des Glaubens betone, möchte ich heute Abend einmal die individuelle Seite des Glaubens herausstellen. Hinter dem „Wir“ des Glaubens braucht es doch unbedingt ein „Ich“, damit der Glaube zu meiner existenziellen Frage wird. Ja, Gott liebt seine Welt, aber er meint doch auch dich ganz persönlich.

Ich möchte das vergleichen mit der Aktion: Du bist Deutschland! In diesem Videospot machten alle möglichen Leute des öffentlichen Lebens darauf aufmerksam, dass es das ganz neu je für sich zu entdecken gilt. Ich bin Deutschland. Ich bin Bestandteil und Ausformung des Wir. Oftmals wünschte ich mir, dass uns das im Hinblick auf den Glauben auch so deutlich über die Lippen käme. Und dann bin ich beeindruckt und zugleich verwundert, wie selbstverständlich das etwa im Hinblick auf die Identifizierung mit einem Fußballverein ist. „Wir haben gewonnen“, „wir haben verloren“, oder „wir haben gut gespielt“. Oder ich denke etwa an die Schlagzeile: „Wir sind Papst“.

Ich möchte das anwenden auf Weihnachten und dir zusagen: Gott liebt dich! Es ist Weihnachten für dich geworden. Das soll dich da treffen, wo du an dir selbst verzweifelst und mit dir nicht mehr klar kommst. Da, wo die Trauer über eine zerbrochene Beziehung oder der Verlust eines Menschen nichts mehr Liebenswertes entdecken lassen. Gott liebt dich! Das soll dir Kraft schenken, wo eine Krankheit dir alle Lebensgewissheit nimmt und alle Zukunft in Frage stellt. Weil du geliebt bist, bist du mehr wert als das, was du nicht mehr im Berufsleben leisten kannst, weil du keinen Job mehr findest. Es wird Weihnachten und du bist geliebt.

Gott will dir ewiges Leben schenken

Es ist nicht Weihnachten geworden, um ein bisschen Harmonie in der Kälte jener galiläischen Nacht aufblitzen zu lassen. Sondern es ist Weihnachten geworden, damit Menschen nicht verloren gehen. Damit sie in ihrem Glauben den Grund ihres ewigen Lebens bei Gott entdecken.

In diesen Tagen lief noch einmal ein Film mit Kevin Costner im Fernsehen: Jede Sekunde zählt - The Guardian. Erzählt wird die Geschichte eines Ausbilders von Rettungsschwimmern der US Küstenwache. Ziemlich am Ende des Films  fragt der Schüler seinen Mentor, wie denn sein Stand sei? Ich glaube, er bekommt als Antwort 22. Nun ja, das erscheint ihm nicht wirklich hoch zu sein. Doch dann erklärt Costner als Ausbilder seinem Schützling die Zahl. 22 Menschen habe er nicht retten können. Das habe er sich gemerkt. Die Zahl der Geretteten dagegen trat demgegenüber in den Hintergrund.

Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Gott will nicht, dass auch nur ein Mensch verloren geht und eben deshalb wurde er Mensch. Deshalb hat er sich an die Seite der Menschen gestellt; wurde Mensch unter Menschen. Ich möchte noch einmal auf den eben genannten Film zurückkommen. Was nützt der beste Rettungsschwimmer, wenn er nicht aus dem Hubschrauber ins Wasser zu den Menschen springt? Der Retter muss ins Wasser springen, um die zu retten, denen das Wasser zu Bedrohung geworden ist. Gott musste Mensch werden, um die zu retten, die mitten im Leben verloren zu gehen drohen.

Mitten im Leben am Leben vorbei gegangen

Wenn wir eins von Gott mit Bestimmtheit sagen können, so doch gewisslich dies, dass er ein Freund des Lebens ist. Er ist ein Freund des Lebens und er ist ein Gönner. Das ist meine feste Überzeugung. Genau das ist ja auch Inhalt der himmlischen Botschaft der Engel, wie wir sie eben gehört haben: Ich verkündige euch große Freude. Mit Jesus soll Freude in das Leben der Menschen kommen. Und eben das sehe ich auch im Leben Jesu sich niederschlagen. Er gönnt den Menschen das Schöne im Leben, alle Lebensfreude und Lust am Leben. Und er macht ihnen das Leben auch nicht schlecht und madig. Er lädt sie aber ein, eine neue Sicht des Lebens und Zutrauens zu Gott zu wagen.

Nach dem Verständnis der Bibel ist Leben mehr als die Zeit zwischen Geburt und Sterben. Und wer immer meint, das und nur das wäre das Leben, der irrt. Leider ist aber genau das eine heute weit verbreitete Meinung und Lebenseinstellung. Wer aber vom Leben nicht mehr erwartet, der vermisst ja auch nichts. Eine Geschichte zu eben dieser Thematik erzählt das Johannesevangelium von Jesus. An einem Brunnen kommt es zu einem Gespräch zwischen Jesus und einer Frau, in dessen Verlauf Jesus der Frau deutlich macht, dass frisches Quellwasser doch etwas ganz anderes ist als abgestandenes Brunnenwasser. Natürlich löscht auch Brunnenwasser den Durst, aber frisches Quellwasser hat doch eine ganz andere Qualität und steht für eine ganz andere Dimension von Leben. Jesus lädt die Frau ein, dieses lebendige frische Wasser auszuprobieren. Und eben damit lädt er sie ein zum Glauben daran, dass Gott uns das Beste im Leben gönnt.

Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Jesus ist kein Miesmacher oder Spielverderber. Er redet der Frau das Leben nicht klein und schlecht, er lädt sie aber ein, eine neue Dimension des Lebens kennen zu lernen. Ein Leben in der Beziehung zu Gott, das die Verheißung der Ewigkeit in sich trägt. In eben diesem Sinne ist unser heutiger Predigttext keine Gerichtsandrohung, sondern eine Einladung zu einem Leben mit Gott. Aber er verschweigt auch nicht, dass man mitten im Leben am Leben vorbei gehen kann.

Ist das nicht das Lebensgefühl, das viele Menschen haben, die sich nicht das leisten können, was scheinbar heute dran ist. Oftmals wird dieses Empfinden an materiellen Gütern und Leistungen festgemacht. Mitten im Leben scheint man aufs Abstellgleis gestellt zu sein. Das Leben spielt woanders. Man fühlt sich abgehängt vom Leben, umgeleitet auf eine Nebenstrecke. Sackgasse. Am Ende kommt nur noch der Prellbock. Aus.

Wenn die Bibel davon redet, dass man sich verlieren kann, dann meint sie damit, dass man aus der Beziehung zu Gott herausfallen kann. Wenn Gott aber das Leben ist, dann verpasst man so das Leben.

Zum Leben eingeladen

Ich möchte einen Vergleich wagen, auch wenn der zunächst absurd erscheint. Da treibt ein Mensch auf dem offenen Meer und ein Rettungsschwimmer springt zu ihm ins Wasser. Vom Hubschrauber wird ein Rettungskorb herabgelassen. Es kommt zu einem Gespräch zwischen den beiden Schwimmenden. Der Rettungsschwimmer sagt, sein Gegenüber solle doch in den Korb einsteigen und sich retten lassen. Er habe sonst keine Chance zu überleben. Wohl niemand von uns würde das als Gerichtsdrohung verstehen, sondern als Einladung zum Leben. Und so will doch auch die Weihnachtsbotschaft verstanden werden als Einladung zum Leben. Aber dazu gehört dann doch auch die Ehrlichkeit davon zu reden, dass es ohne die Glaubensbeziehung zu Jesus kein ewiges Leben gibt.

Im Hintergrund der Weihnachtskrippe ist das Kreuz sichtbar

Der Predigttext für unsere Christvesper stammt aus dem Zusammenhang eines Gespräches Jesu mit Nikodemus, das der Evangelist Johannes überliefert. Jesus bezieht sich darin auf eine Geschichte aus dem Alten (Ersten) Testament. Auf der Wüstenwanderung in das verheißene Land kommt es zu einer Schlangenplage, weil sich die Menschen gegen Gott erheben. Viele werden durch Schlangenbisse getötet. Nachdem das Volk sein Fehlverhalten erkannt hat, schafft Gott ihnen dadurch Rettung, dass Mose eine eiserne Schlange aufrichtet. Wenn nun jemand gebissen wird, so braucht er nur die eiserne Schlange anzuschauen, dann wird er an dem Biss nicht sterben. Und so, wie die Schlange zur Rettung erhöht wurde über dem Volk, so müsse auch Jesus, der Menschensohn, erhöht werden. In diesem Bildwort über die Erhöhung deutet Johannes die Kreuzigung Jesu an.

Insofern bleiben wir mit unserem Predigttext nicht beim Kind in der Krippe stehen, sondern wir nehmen zugleich auch schon das Ende dieses Lebensweges mit in den Blick. Krippe und Kreuz Jesu sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Selig ist der, der in dem Kind in der Krippe und in dem Mann am Kreuz seinen Heiland entdeckt. Der Glaube entdeckt darin die Liebe Gottes zu uns Menschen, die uns ewiges Leben verheißt. Wohl dem, der es glaubt. Für den ist mit Weihnachten wirklich etwas anders geworden im Leben. Die Krippe wird ihm zur Tür ins Leben. Gesegnete Weihnachten. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.


Pfr. Martin Braukmann, Christvesper 2010, Oberfischbach