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Am Ende des Tages

Was zählt? Immer beliebter scheint eine Redewendung zu werden, die seit zwanzig Jahren als Übersetzung in unsere Medien eingewandert ist, eine englische Migrantin. Immer öfter ist zu hören, es zähle nur, was am Ende des Tages gelte, obwohl dann, etwa 23:59, die meisten ja schlafen oder trübsinnig in ihren letzten Bourbon starren oder, das Glück möge ihnen hold bleiben! gerade ein lustvolles Liebesraunen hören lassen. Ja, hat ein Tag überhaupt Anfang und Ende, seit es keine Nachtwächter mehr gibt, die seine Stunden ausrufen und besingen, seit Glocken aus Gründen der Lärmbelästigung schweigen? „Hört ihr Leut, und lasst Euch sagen: / unsre Glock hat Zwölf geschlagen!

Zwölf, das ist das Ziel der Zeit, / Mensch bedenk die Ewigkeit!“  / Ziel der Zeit ist hier aber nicht, Bilanz über Soll und Haben zu ziehen, sondern Vergänglichkeit zu bedenken und Ewigkeit zu erhoffen. Am Ende des Tages möge der Rückblick einsichtig sein, dass nichts bleibt und alles vergeht, der Ausblick aber gläubig, dass alles verheissen ist und nichts verdient. Nur dem, der aufs Unverdienbare setzt, ist das Ende des Tages nicht shutdown sondern unlock, nicht Kontrollverlust sondern Lebensgewinn, nicht das Ende vom Lied sondern dessen zuversichtlicher Auftakt.

Entsprechend sang der Nachtwächter, als es ihn noch gab und der Klang ihrer Glocken noch der Stolz einer Stadt waren: „Hört ihr Leut, und lasst Euch sagen: / unsre Glock hat Eins geschlagen! / Eins ist allein der ein´ge Gott, / der uns trägt in aller Not.“ Strukturieren, Kontrollieren, Bilanzieren, diese drei sind sinnvoll, keine Frage, doch wehe dem, der meint, damit Zukunft im Griff zu haben und ihrer Not zu entgehen. Schon im Morgengrauen könnte der ein’ge Gott vonnöten sein. Obwohl er nur einer ist, ist er es, der zählt.


MK