'An die Verbrechen erinnern – das ist unsere Aufgabe'

EKBO: Gottesdienste und Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz


© Hein Mück/Wikimedia

Zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz boten mehrere Gottesdienste und Veranstaltungen Zeit zum Innehalten. Erinnerungskultur wird auch zukünftig eine verstärkte Rolle spielen: Pfarrerin Kathrin Oxen, Moderatorin des Reformierten Bundes, hat zusammen mit ihrer Kollegin ein eigenes Gottesdienstformat entwickelt, das nun einmal im Monat in der Gedächtniskirche stattfinden wird.

Zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz fand eine Gedenkveranstaltung in der Französischen Friedrichstadtkirche (Französischer Dom) in Berlin-Mitte statt. Es sprachen die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, und Bischof Christian Stäblein von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).

„Verbrecherisch, mörderisch, präzedenzlos in der staatlich angeordneten und industriell durchgeführten Art – dafür steht die sogenannte Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942“, sagte Bischof Christian Stäblein im Rahmen seines Grußwortes. „Das zu erinnern ist unsere Aufgabe, gerade auch wenn uns die Worte, vom Bruch der Zivilisation zum Einsturz gebracht, zu fehlen scheinen.“ Die Rückgewinnung der Narrative, die Rückgewinnung der Biografien sei eine der großen Aufgaben, die in Yad Vashem und in vielen anderen Orten geschehe.

Die Gedenkveranstaltung fand auf Englisch im Rahmen der internationalen Fachkonferenz „The contemporary church and antisemitism today“ statt, die die Evangelische Akademie zu Berlin mit der European Coalition for Israel zum 80. Jahrestag der Wannseekonferenz veranstaltet.

Am 20. Januar 1942 kamen 15 hochrangige Vertreter von NS-Regierung und SS-Behörden in einer Villa am Großen Wannsee zusammen, um den begonnenen Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren. Heute ist in dieser Villa die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz untergebracht. Vom 19. bis 21. Januar 2022 fand dort die interdisziplinäre Tagung „20. Januar 1942. Was bleibt? Die Besprechung am Wannsee in Geschichte und Gegenwart“ statt. Sie wurde von der Alfred Landecker Foundation und dem Haus der Wannsee-Konferenz ausgerichtet und thematisierte die Relevanz der Wannsee-Konferenz für die Geschichte und das heutige Bewusstsein über die Shoah.

Auch die evangelische Erinnerungskultur fragt nach der Vergangenheit, um daraus Orientierung für Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Sie wirkt über die Grenzen von Gemeinden in die Gesellschaft hinein. „Das ist sozusagen das Plus, das wir als Kirche in die Gesellschaft einbringen: Eine angemessene Spiritualität für die Erinnerungskultur zu entwickeln – auch an Orten der Verletzung“, sagte Marion Gardei, Beauftragte für Erinnerungskultur in der EKBO.

Am Wochenende beginnt zudem in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin-Charlottenburg ein neues Gottesdienstformat: Pfarrerin Kathrin Oxen, Moderatorin des Reformierten Bundes, und Pfarrerin Marion Gardei laden fortan an jedem 4. Sonntag im Monat um 18 Uhr zum Gedächtnis-Gottesdienst ein. Dabei stellen sie jeweils ein aktuelles Thema der Erinnerungskultur in den Mittelpunkt und bieten Zeit zum Innehalten und zur Reflexion. An den Sonntagabenden kommt jeweils ein Gast zu Wort, der als Expertin oder Experte aus eigener Anschauung Auskunft zum Thema geben kann.

„Im Sinne einer Selbstverpflichtung wollen wir Mut zum Handeln machen. Gedächtnis ist die Vergegenwärtigung der Erinnerung. Die Evangelien wurden überliefert, um die Erinnerung an Jesu Leben, an sein Sterben und seine Auferstehung zu bewahren und daran teilzuhaben“, sagt Marion Gardei. Der erste Gedächtnis-Gottesdienst am 23. Januar um 18 Uhr erinnert an den 80. Jahrestag der Wannseekonferenz. Der Rabbiner und Historiker Andreas Nachama, ehemaliger Direktor der Gedenkstätte Topographie des Terrors, wird in das Thema einführen.


Quelle: EKBO