Dank sei Gott für sein unfassbares Geschenk

Erklärung zum Erntedankfest 2012

WESTFALEN - Es ist wieder Erntedankfest. Gott sei Dank! Nach einem Jahr mit harten Frösten, reichlich Regen und manchen Sorgen blicken die Bauernfamilien in Westfalen-Lippe zurück auf das, was ihnen durch den Segen des Schöpfers und harte Arbeit geschenkt wurde. - So schreiben der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband, das Erzbistum Paderborn, die Bistümer Münster und Essen, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche in ihrer gemeinsamen Erklärung zum Erntedankfest:

Die Ernte des Jahres war regional zwar unterschiedlich, insgesamt aber gut. Dies war 2012 nicht überall auf der Welt der Fall. Besonders mit Blick auf die Dürre in Nordamerika und die Überschwemmungen in Teilen Russlands haben wir in unserer Region allen Grund, dankbar zu sein.

Das Erntedankfest hat eine uralte und gute Tradition, die es zu bewahren gilt. Es lässt uns zur Ruhe und Besinnung kommen. Es lenkt unseren Blick auf den Kreislauf des Jahres, zeigt uns, was uns geschenkt wird, aber auch die Verantwortung, die jeder und jede von uns trägt. Wir sollen die Schöpfung bewahren! So ist Erntedank nicht nur ein Fest der Bauern und ihrer Familien. Seine Botschaft richtet sich an alle Menschen in unserer Gesellschaft. In diesem Jahr sehen wir insbesondere drei Dimensionen von Verantwortung, die eine weitergehende Diskussion in der Gesellschaft notwendig machen.

Verantwortung für Tiere

Tiere sind unsere Mitgeschöpfe. Das verpflichtet uns im Umgang mit unseren Nutz- wie Haustieren. Die Bauernfamilien wollen gesunde Tiere und die Akzeptanz der Gesellschaft. Deshalb werden sie sich auch in Zukunft bemühen, die Standards in der Tierhaltung stetig zu verbessern. Dies gebietet das traditionelle Berufsverständnis, zu dem auch eine verantwortliche Tierhaltung gehört. Wir brauchen aber auch einenfairen Dialog, in dem ethische Erfordernisse und ökonomische Notwendigkeiten Berücksichtigung finden.

Verantwortung für die Eine-Welt

Globale Wirkzusammenhänge zeigen uns auch die Verantwortung der heimischen Landwirtschaft für den Hunger in der Welt. So kann eine nachhaltige heimische Erzeugung einen Beitrag leisten, um der Verknappung und der damit verbundenen Preissteigerung von Nahrungsmitteln auf dem Weltmarkt entgegenzuwirken. Auch wenn der Hunger in der Welt viele Ursachen hat, so müssen gerade die internationalen Marktbeziehungen einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Die Landnahme reicher Staaten behindert die eigenverantwortliche Nahrungsmittelerzeugung und die Entwicklung von regionalen landwirtschaftlichen Vermarktungsstrukturen in den sogenannten Entwicklungsländern.

Ebenso kritisch sind missbräuchliche Spekulationen mit Nahrungsmitteln an den Börsen der Welt und Patente auf Saatgut und Lebewesen zu sehen, wenn sie für die sogenannten Entwicklungsländer den Zugang zu Existenz sichernden Ressourcen unmöglich machen. Nahrungsmittelsicherheit ist ein entscheidender Faktor für den Frieden. Doch fast ein Drittel aller Lebensmittel wird nicht verzehrt – in Entwicklungsländern wegen falscher Lagerung und Verarbeitung, in Industrieländern wegen Verschwendung auf allen Stufen der Lebensmittelerzeugung und der Verarbeitung. Hier appellieren wir an die Verantwortung aller Menschen. Die Tradition des respektvollen Umgangs mit unseren Lebensmitteln muss uns wieder bewusst werden.

Verantwortung für die nächste Generation

Immer noch verlieren wir in Deutschland täglich mehr als 100 Hektar wertvollen Ackerbodens für Straßen-, Gewerbe-, Industrie- und Wohnungsbau sowie durch die damit verbundenen Maßnahmen für den Natur und Umweltschutz. Durch die großen Projekte der Energiewende kann sich dieses Problem weiter verschärfen. Hier muss bei Planern und Politikern eine verantwortungsvolle Abwägung aller Alternativen einsetzen. Wir brauchen in der Öffentlichkeit eine ehrliche Diskussion über die Frage, welchen Zwecken unser Boden dienen soll. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln, der Anbau nachwachsender Rohstoffe und steigende Ansprüche des Umwelt- und Naturschutzes führen zu Zielkonflikten, die nach tragfähigen Antworten verlangen. Bauernfamilien denken und investieren in Generationen. Sie brauchen Planungssicherheit, die über einen kurzlebigen Zeitgeist hinausweist. Gemeinsam müssen wir uns verstärkt den Herausforderungen des Klimawandels, einer nachhaltigen Nutzung des Wassers und des Bodens und dem Erhalt der Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten stellen.

An diesen Herausforderungen sehen wir: Verantwortung für die Schöpfung, für die Menschen und gegenüber Gott sind für die Kirchen und die Bauernfamilien in Westfalen-Lippe das Fundament, auf dem wir nach zukunftsfähigen Antworten suchen – gerade auch an Erntedank. Dieses Fest bietet uns die Gelegenheit, uns neu und konsequent dieser Verantwortung zu stellen und ihr Gestalt zu geben.

Hans-Josef Becker, Erzbischof von Paderborn
Dr. Martin Dutzmann, Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche
Dr. Felix Genn, Bischof von Münster
Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen
Dr. Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen
Johannes Röring, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes e.V.


Oktober 2012